[3]
Für eine Zuordnung des § 78 VwGO zur passiven Prozessführungsbefugnis auch Hufen , VwProzR, 11. Aufl. 2019, § 12 Rn. 29 mwN.
[4]
In folgenden Bundesländerngilt das Behördenprinzip: Brandenburg: § 8 Abs. 2 BbgVwGG; Mecklenburg-Vorpommern: § 14 Abs. 2 AGGerStrG MV; Niedersachsen: § 79 Abs. 2 NdsJG; Saarland: § 19 Abs. 2 SaarlAGVwGO; Sachsen-Anhalt: § 8 S. 2 AGVwGO LSA; Schleswig-Holstein: § 69 Abs. 2 LGG SH. In Nordrhein-Westfalen wurde das Behördenprinzip 2010 wieder abgeschafft; hierzu Brenner , in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl. 2018, § 78 Rn. 28 (dort Fußn. 105).
2. Die Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO)
68
Die in § 61 VwGO geregelte Beteiligtenfähigkeit[1] bereitet in der Fallbearbeitung nur selten Probleme. Sie entspricht grundsätzlich der materiell-rechtlichen Rechtsfähigkeitsowie der Parteifähigkeit des Zivilprozesses, ist jedoch viel weiter gefasst als in der ZPO (§ 50 ZPO). Bestehen dennoch Zweifel, sollte sich der Bearbeiter erinnern, dass die Rechtsprechung in dieser Hinsicht sehr großzügig den Begriff „Vereinigung“ auslegt (z.B. Gemeinderatsfraktionen) bzw. analog anwendet (z.B. das einzelne Gemeinderatsmitglied). Behörden sind beteiligtenfähig, wenn das Landesrecht es erlaubt, so in Brandenburg § 8 Abs. 1 BbgVwGG[2]. Die Beteiligtenfähigkeit ist nach den meisten Musterlösungen zu prüfen. Deshalb sollten die Bearbeiter*innen diesen Punkt nicht entfallen lassen, sondern kurz im Urteilsstil abhandeln.
[1]
Schenke , VwProzR, 17. Aufl. 2021, Rn. 470 ff. spricht von Beteiligungsfähigkeit. Die anderen Autoren verwaltungsprozessualer Lehrbücher nutzen das Wort Beteiligtenfähigkeit. Die sprachliche Varianz ist jedoch sachlich bedeutungslos.
[2]
In folgenden Bundesländernsind Behörden beteiligtenfähig: Brandenburg: § 8 Abs. 1 BbgVwGG; Mecklenburg-Vorpommern: § 14 Abs. 1 AGGerStrG MV; Niedersachsen: § 79 Abs. 1 NdsJG; Saarland: § 19 Abs. 1 SaarlAGVwGO; Sachsen-Anhalt: § 8 S. 1 AGVwGO LSA; Schleswig-Holstein: § 69 Abs. 1 LGG SH.
3. Die Prozessfähigkeit (§ 62 VwGO)
69
Die Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, Verfahrenshandlungen im Prozess vorzunehmen, § 62 Abs. 1 VwGO. Sie entspricht grundsätzlich der materiell-rechtlichen Geschäftsfähigkeit und ist nur anzusprechen, wenn der Sachverhalt Anlass zur Diskussion bietet, z.B. bei Minderjährigen. Bei juristischen Personen wird häufig angenommen, diese seien nicht prozessfähig und müssten sich daher nach § 62 Abs. 3 VwGO vertreten lassen[1]. Bedenkt man jedoch, dass es sich typischerweise um eine organschaftliche Vertretungsmacht handelt und das Verhalten dieser Organe der juristischen Person unmittelbar zugerechnet werden kann, so ist bei gesamtheitlicher Betrachtung (bereits) die Prozessfähigkeit zu bejahen[2].
[1]
So etwa Kopp/Schenke , VwGO, 26. Aufl. 2020, § 62 Rn. 14.
[2]
Czybulka/Siegel , in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 5. Aufl. 2018, § 62 Rn. 50.
4. Postulationsfähigkeit und Prozessvertretung (§ 67 VwGO)
70
Die Postulationsfähigkeit knüpft an die Prozessfähigkeit an und umschreibt die Fähigkeit, vor bestimmten Gerichten wirksam Verfahrenshandlungen selbst vornehmen zu können[1]. Nach dem Grundsatz des § 67 Abs. 1 VwGOkönnen die Beteiligten vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. Anders verhält es sich nach § 67 Abs. 4 VwGO bei Verfahren vor den Oberverwaltungsgerichten und dem Bundesverwaltungsgericht. Dort müssen sich die Beteiligten mit Ausnahme des Prozesskostenhilfeverfahrens durch einen Prozessbevollmächtigten iSd § 67 Abs. 2 VwGO vertreten lassen. Zu den möglichen Prozessbevollmächtigten zählen insbesondere Rechtsanwält*innen. In den anderen Verfahren können sich die Beteiligten vertreten lassen, sie müssen es jedoch nicht. Regelmäßig muss zu diesen Gegenständen in der Klausur nicht Stellung genommen werden. Förderlich ist allerdings bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ein Hinweis auf die Postulationsfähigkeit nach § 67 Abs. 1 VwGO.
[1]
Schenke , VwProzR, 17. Aufl. 2021, Rn. 506.
VI. Die ordnungsgemäße Klageerhebung/Antragstellung – §§ 81 ff. VwGO
71
Viele Schemata beinhalten den Punkt der ordnungsgemäßen Klageerhebung bzw. Antragstellung[1]. Wenn der Klausurbearbeiter den Schriftsatz, in dem die Klage erhoben wurde, nicht kennt, muss er zu diesem Punkt nichts ausführen. Wird der Antrag durch technische Einrichtungen erhoben (Faxgerät usw.), erwartet der Klausursteller zum Problem, ob mittels dieser Einrichtung Prozesserklärungen wie die Klageerhebung abgegeben werden können, einige Worte. Meistens reicht eine kurze Feststellung. Im Zweifel ist die Klageerhebung mittels technischer Einrichtungen zulässig, vgl. § 55a VwGO. Auf die ordnungsgemäße Klageerhebung sollte nur bei Anhaltspunkten im Sachverhalt ausführlicher eingegangenwerden. Belässt es der Sachverhalt bei einer „Klageerhebung“, so ist von deren Ordnungsgemäßheit auszugehen.
[1]
Beispiel bei Schenke , VwProzR, 17. Aufl. 2021, Rn. 79.
VII. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis
72
Unter dem Stichwort „allgemeines Rechtsschutzbedürfnis“ werden Fallgruppen vereinigt, bei denen als verbindendes Kriterium Billigkeitserwägungen im Vordergrund stehen. Fehlt es an diesem Kriterium, ist die Klage oder der Antrag unzulässig. Allerdings wird das Rechtsschutzbedürfnis durch das Vorliegen der anderen Sachentscheidungsvoraussetzungen– insbesondere die Klagebefugnis oder ein berechtigtes Interesse – regelmäßig indiziert. Daher ist es lediglich dann ausführlicher zu behandeln, wenn der Sachverhalt Anhaltspunkte für sein Fehlen indiziert[1].
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Die in der Klausurbearbeitung bedeutsamste Konstellation liegt beim vorbeugenden Rechtsschutz. Da die VwGO grundsätzlich auf nachträglichen Rechtsschutz ausgerichtet ist, bedarf es beim vorbeugenden Rechtsschutz eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses: Das Abwarten des nachträglichen Rechtsschutzes muss unzumutbar sein (s.u. Rn. 145). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt auch bei einer – jedenfalls offensichtlich – einfacheren Möglichkeit zur Erreichung des Rechtsschutzziels. Es fehlt etwa der Klage eines Verwaltungsträgers gegen den Bürger, wenn der Anspruch auch durch einen Verwaltungsakt geltend gemacht werden könnte. Das Gleiche gilt für einen Anspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, wenn eine sofortige Vollstreckung nach § 61 VwVfG in Betracht kommt[2]. Eine weitere Fallgruppe bildet die missbräuchliche Inanspruchnahme des Gerichts[3]. Vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG ist jedoch gerade bei dieser Fallgruppe Zurückhaltung geboten.
[1]
Übersicht bei Ziekow , in: Sodan/Ziekow, GK ÖR, 9. Aufl. 2020, § 96 Rn. 6 ff.
[2]
Hufen , VwProzR, 11. Aufl. 2019, § 17 Rn. 11.
[3]
Ziekow , in: Sodan/Ziekow, GK ÖR, 9. Aufl. 2020, § 96 Rn. 10.
VIII. Das Fehlen der Rechtshängigkeit und einer rechtskräftigen Entscheidung
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Schließlich darf derselbe Streitgegenstand nicht anderweitig rechtshängig sein, und es darf über ihn noch nicht rechtskräftig entschieden sein (keine parallele oder doppelte Anrufung von Gerichten). „Streitgegenstand“ist das auf einem bestimmten Lebenssachverhalt beruhende Klagebegehren[1]. Um ein und denselben Streitgegenstand handelt es sich, wenn die an den verschiedenen Prozessen beteiligten Parteien, der Sachverhalt und der geltend gemachte Anspruch identisch sind. Auch auf diesen Prüfungspunkt ist lediglich bei besonderen Anhaltspunkten im Sachverhalt einzugehen.
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