1 ...6 7 8 10 11 12 ...33 38Darüber hinaus gibt es ein Recht zur außerordentlichen einseitigen Beendigung eines Vertragsverhältnisses, das auch bei befristeten Dauerschuldverhältnissen besteht. Im Hinblick auf die sich aus der Bindung an den geschlossenen Vertrag ergebenden Erfordernisse ist dieses einseitige Recht zur außerordentlichen Kündigung aber nur gegeben, wenn ein wichtiger Grund für die Kündigung vorliegt.
39Der Unterschied der beiden Vertragsbeendigungsvarianten liegt darin, dass die Vertragsaufhebung ein Instrument der konsensualen, aber im Übrigen unkonditionierten Vertragsbeendigung darstellt, während die außerordentliche Kündigung ein einseitiges Recht zur Vertragsbeendigung schafft, das aber an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist.
40In einzelnen Bestimmungen zum Schutz des Verbrauchers gibt der Gesetzgeber dem Verbraucher ein zwingendes Recht zum Widerruf des Vertrages. Dies ist insbesondere bei Geschäften über das Internet oder mittels anderer Fernkommunikationsmittel (Telefon, Telefax, E-Mail) gerechtfertigt, weil der Verbraucher bei diesen Geschäften keine Gelegenheit hatte, den Gegenstand des Vertrages näher zu betrachten und auf seine Eignung für die Verwendungszwecke des Verbrauchers zu begutachten. Die im Fernabsatz liegenden Chancen der Wirtschaft werden durch diesen aus der Sicht der Unternehmen sehr belastenden Nachteil der unkonditionierten Beendigung des Vertrages deutlich relativiert.
41Die Kündigung von Verträgen ohne Angabe von Gründen und damit die willkürliche Kündigung ist nur bei unbefristeten Verträgen möglich. Hierin verwirklicht sich in offenkundiger Weise der Grundsatz der Parteiautonomie. Die Autonomie der Wirtschaftsverkehrsteilnehmer soll auch dann geschützt werden, wenn sie sich durch Vertrag einer unbefristeten Bindung unterworfen haben. Diese den Grundsatz der Kündigungsfreiheit konkretisierende Befugnis ist für jede Vertragspartei unverzichtbar gewährleistet; sie kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden.
42Die außerordentliche Kündigung hat eine vergleichbare Zielsetzung. Sie soll gewährleisten, dass dann, wenn ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist, die Freiheitssicherung sich gegenüber der eingegangenen Vertragsbindung durchsetzt. Dies soll selbst dann gewährleistet sein, wenn die vertragliche Bindung zeitlich begrenzt war. Diese Möglichkeit der Freiheitssicherung durch außerordentliche Kündigung besteht aber nicht uneingeschränkt, sondern nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ein wichtiger Grund ist nach dem Gesetzesrecht (§ 314 BGB) nur gegeben, wenn einer Partei das Festhalten an dem Vertrag unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien nicht zugemutet werden kann.
43Die Kündigung ist grundsätzlich nur unter Einhaltung von Fristen möglich. Die Fristbindung ist Ausdruck der Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Vertragspartners, die durch eine fristlose Kündigung regelmäßig missachtet werden. Nur dann, wenn ausnahmsweise ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt, kommt eine fristlose Kündigung in Betracht. Dann aber verlangt die gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners selbst bei der außerordentlichen Kündigung zumindest grundsätzlich, dass der Kündigende dem Kündigungsempfänger Gelegenheit gibt, das beanstandete Verhalten abzustellen (sog. Abmahnung).
44Durch die Erklärung der Kündigung wird der gekündigte Vertrag nicht unwirksam. Der Vertrag ist und bleibt wirksam, er wird allerdings mit dem Wirksamwerden der Kündigung beendet.
Kapitel 3Privates Wirtschaftsvertragsrecht – Besonderer Teil
§ 1Überblick
45Das Private Wirtschaftsvertragsrecht beruht nicht auf einer in sich geschlossenen Kodifikation. Es ist vielmehr über zahlreiche Gesetze und Regelungsmaterien verstreut. Nach einer didaktisch motivierten, auf die ökonomischen Geschehensabläufe in Wirtschaftsunternehmen abstellenden Systematik lässt sich das Wirtschaftsprivatrecht hauptsächlich in folgende Bereiche gliedern:
1. Organisationsverträge: mit ihnen werden Unternehmen gegründet und umgestaltet; sie unterliegen insbesondere den Regelungen des Gesellschafts-, Umwandlungs- und Konzernrechts.
2. Zulieferverträge: mit ihnen erwerben die Unternehmen, die für die Produktion von Waren und Dienstleistungen erforderlichen Produktionsmittel. Bei hochwertigen Produkten haben die Verträge nicht selten den Charakter von komplexen Kooperationsverträgen; sie sprengen dann die hergebrachte Differenzierung von Austausch- und Gemeinschaftsverträgen.
3. Absatzverträge: mit ihnen vertreiben die Unternehmen Waren und Dienstleistungen an ihre Kunden, insbesondere über Kauf-, Miet- und Leasingverträge. Im internationalen Handel sind darüber hinaus weitere Vertragsformen – wie die an Tauschverträge angelehnten Barterverträge – bekannt.
4. Vertriebsverträge: mit ihnen organisieren Unternehmen den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen über Absatzmittler, wie Handelsvertreter oder Vertragshändler, bzw. über Vertriebssysteme; ferner kommt der Vertrieb über Filialen eines Unternehmens oder über Gemeinschaftsunternehmen (Joint-Ventures) in Betracht.
5. Transport- und Speditionsverträge: sie dienen der Organisation und der Durchführung des Warentransports vom Lieferanten zum Empfänger.
6. Finanzierungsverträge: sie dienen der Finanzierung der unternehmerischen Maßnahmen und ihrer Erhaltung und Erweiterung. Hierzu zählen insbesondere die vielfältigen Formen der durch Banken finanzierten Kreditverträge einschließlich ihrer Besicherung durch Personal- oder Realsicherheiten. Das Gesellschafts-, Bank- und Börsenrecht kennt zahlreiche weitere Formen der Investitionsfinanzierung.
7. Marketingverträge: zu ihnen gehört der weite Bereich der Werbeverträge, denen für den Absatz von Produkten und Dienstleistungen nicht selten eine maßgebliche Rolle zukommt. Dabei ist zu beachten, dass werblichen Maßnahmen insbesondere vom Wettbewerbsrecht Grenzen gesetzt werden.
Für alle diese Regelungsbereiche gelten in den Grundlagen übereinstimmende gemeinsame Rechtsgrundsätze. Sie bilden das Allgemeine Private Wirtschaftsvertragsrecht (vgl. dazu Kapitel 1). Sie werden in den Regeln des besonderen Privaten Wirtschaftsvertragsrecht sachverhaltsspezifisch ergänzt und variiert.
46Das für das internationale Wirtschaftsgeschehen zentrale Exportgeschäftist als solches nicht Gegenstand der rechtlichen Ordnung. So wenig wie der Wirtschaftsverkehr „das“ Exportgeschäft kennt, so wenig kennt die Rechtsordnung „den“ Exportvertrag. Die vertragsrechtliche Gestaltung des Exportgeschäfts erfolgt in der Regel durch mehrere Verträge, die in der Summe den Komplex des Exportgeschäfts ausmachen. Wenn in der Exportwirtschaft oder auch in der juristischen Literatur von „dem“ Exportvertrag die Rede ist, wird dieser Begriff regelmäßig als Synonym oder Chiffre für den Exportkaufvertrag als zentraler Warenabsatzvertrag verwendet. Damit wird auf den Umstand hingewiesen, dass der Exportkaufvertrag typischerweise im Zentrum des Exportgeschäfts steht. Der Exportkaufvertrag regelt aber typischerweise nur einen Teil der das Exportgeschäft in seiner wirtschaftlichen Gesamtheit und Komplexität ausmachenden Regelungsgegenstände. Die Rechtsordnung kennt und regelt nicht „den“ Exportvertrag, sondern sie enthält Regeln und Gestaltungsinstrumente für die das Exportgeschäft insgesamt ausmachenden rechtlichen Einzelelemente, die regelmäßig über den Exportkaufvertrag hinaus auch Vereinbarungen über Finanzierungs-, Transport- und Versicherungsfragen umfassen.
47Die Übersichtlichkeit des Wirtschaftsvertragsrechts wird dadurch erschwert, dass für zahlreiche Wirtschaftsbereiche vertragsrechtliche Sonderregeln bestehen. So gelten für Banken und Versicherung eigene vertragsrechtliche Bestimmungen. Für Energieversorgungsunternehmen sind die besonderen Regeln des Energiewirtschaftsrechts einschlägig. Für Medienunternehmen gelten wiederum andere Bestimmungen, mit denen auf die besondere Aufgabe der Medienunternehmen für die Verwirklichung der Berichterstattungsfreiheit eingegangen wird. Diese besonderen Regeln entziehen sich einer einheitlichen oder auch nur zusammenfassenden Darstellung.
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