11. Kapitel
Bahamas, Nassau
Das Team um Liz Croll war gerade in ihrem Büro beim Mittagessen als das Telefon klingelte. Micha, der gerade mit frischem Saft für die Kinder aus der Küche kam, stellte die Karaffe auf den Schreibtisch der Anführerin und nahm den Hörer ab.
»Wer stört?«, fragte er etwas brummelig.
Das Gespräch, was eher ein Monolog war, dauerte einige Minuten. Je länger er den Hörer in der Hand hielt, umso mehr verdunkelte sich seine Miene. Dann sagte er, »Ich gebe es weiter, Rhonda«, und legte auf. Während er die Karaffe wieder anhob und sich auf den Weg zum Tisch machte, setzte er wieder sein Pokerface auf. Zuerst schenkte er den vier Kindern den gekühlten Saft ein, bevor er sich wieder auf seinen Platz setzte und das Team unterrichtete.
»Rhonda hat angerufen. Wir sollen in Amerika dem FBI helfen eine Organisation aufzudecken. Sie nennen sich SNB und lassen Drogen, sowie Waffen durch einfache, meist junge Studenten und Berufsanfänger mit weniger Geld die Waren quer durchs Land transportieren. Das FBI hat zwei Agenten abgestellt, die das untersuchen sollen, die allerdings in Lyon angerufen haben und Unterstützung brauchen. Amy und ihr Team sind gerade in Schweden unterwegs, was bedeutet wir sollen denen helfen.«
»Da kann mal wieder sehen, was das für Blindgänger sind«, scherzte Mike. »Kaum wird es etwas schwieriger, brauchen sie Hilfe, um einen Tagedieb zu überführen.«
Damien, der Sohn von Liz, der gerade auf einem Stück Fleisch kaute, fragte in die Runde »Was ist ein Tagedieb? Klaut der anderen Tage?«
Das Team begann zu lachen. Die Kinder machten fragende Gesichter. Aus ihrer Sicht war die Frage an die Erwachsenen mehr als berechtigt. Michael kannte das schon von seinen beiden Mädchen. In dem Alter stellten sie den Tag über mehr als genug Fragen. Er stand auf und kniete sich neben die Kinder am Tisch, als er erklärte, »Der Ausdruck Tagedieb ist ein altes deutsches Sprichwort, was bereits vor 200 Jahren schon gebräuchlich war. Johann Wolfgang von Goethe, ein berühmter deutscher Dichter, verwendete den Tagedieb schon in seinen Werken. Es bezeichnet eine Person, die keiner nützlichen Beschäftigung nachgeht und den ganzen Tag nichts tut.«
Die Antwort reichte den Kindern aus und sie kümmerten sich weiter um ihr Mittagessen. Den Müttern gefiel es wie der ehemalige Bodyguard mit den Kindern umging. Leonie und Dolly erlebten das täglich zu Hause. Die beiden Mädchen waren ständig am Fragen und Micha erklärte ihnen geduldig alles, was sie wissen wollten. Liz und Karyani bewunderten diese Fähigkeit bei ihm. Sie hatten nach einigen Stunden intensiven Fragens der Kinder nicht mehr die Nerven alles zu erklären. Ihn schien das nicht zu stören, obwohl Leonie und Dolly wussten, dass er teilweise auch genug davon hatte. Allerdings war es ihm wichtig seinen beiden geliebten Kindern ihre Fragen zu beantworten so gut er das konnte.
Liz wollte das Thema jetzt nicht beim Mittagessen ansprechen und gab nonverbale Hinweise an ihre Freunde. Nach dem Essen, wenn die vier wieder zusammen spielten, blieb noch genug Zeit, das alles zu diskutieren. Natürlich gab es keine passendere Zeit, als sie genau dann wieder in der Welt herumzuschicken, als ihre Kinder gerade ihre Ferien hatten. Ihr gefiel das nicht. Wieder einmal mussten sie ihren Nachwuchs alleine zurücklassen und Verbrecher ausfindig machen. Für die Mütter war das immer wieder eine Herausforderung. Jason war nicht mehr in der Lage sich einige Wochen um alle vier zu kümmern. Solange sie noch klein waren und im Sand zusammen spielten, konnte er sie beaufsichtigen und sich um ihre Bedürfnisse kümmern. Mittlerweile waren sie aber nicht mehr zu halten und entwickelten eigene Ideen.
Im Hause Korn und Paredes gab es dieses Problem nicht mehr. Die drei hatten schon seit Monaten zwei Studentinnen engagiert, die sich um die beiden Mädchen bemühten. Sie wechselten sich bei der Kinderbetreuung ab, wenn die Eltern mal wieder unterwegs waren. Damien blieb natürlich bei seinem Vater, solange Liz auf Tour war. Nur Karyani und Mike, die ja beide zum Team gehörten, brauchten für Mika jemanden. Da sie aber bisher niemanden gefunden hatten der auf ihren dreijährigen aufpassen konnte, durfte er für die Zeit zu Valeria und Emilia. Da war er unter seinen Freunden und die Studentinnen kümmerten sich um die Anliegen des kleinsten.
Nach dem Mittagessen räumte Michael den Tisch ab und die Kinder widmeten sich wieder ihrer Tagesbeschäftigung. Danach fand er sich dann vor der Tür ein, um mit Leonie und Liz, die beiden Raucherinnen, einen Glimmstängel zu inhalieren. Leonie machte sich Sorgen dem FBI unter die Arme greifen zu müssen. Es war zwar ein paar Jahre her, seit sie in Houston von exakt dieser Organisation verhaftet worden war. So viel Gutes war ihr in der Zwischenzeit passiert, was sie unter keinen Umständen wieder verlieren wollte. Sie hatte Michael und Dolores an ihrer Seite, durfte sich über die Geburt ihrer Tochter freuen und ihre Halbschwester machte das Glück perfekt. Liz wusste das natürlich, sie war ja hautnah dabei, wie sich das alles entwickelte. Ihre Angst erkannt zu werden war regelrecht spürbar.
Michael empfand die vor ihnen liegende Aufgabe als extrem unangenehm. Er machte gegenüber der Teamchefin auch keinen Hehl daraus. Mit Ausnahme von Micha und Dolores waren sie in den USA immer gefährdet. Mike musste vier Jahre im Gefängnis brummen, seine geliebte Frau wurde wegen diverser Straftaten gesucht und Leonie als ehemalige Auftragskillerin entkam mithilfe von Liz und Mike aus den Fängen des FBI. Falls man sie erkennen würde, was leicht passieren konnte, waren sie alle gefährdet. Dem ganzen Team war nicht wohl dabei in der Höhle des Löwen arbeiten zu müssen.
Liz versprach den beiden sich schon im eigenen Interesse darum zu kümmern. Bevor sie zu einer Besprechung zusammenkamen, rief sie Rhonda Miller in Lyon an.
Die Direktorin von Interpol meldete sich schon nach dem ersten Klingelzeichen, »Hallo Liz, was brauchst du?«
»Sicherheiten Rhonda. Du weißt, dass unser gesamtes Team in den Vereinigten Staaten extrem gefährdet ist. Falls jemand von uns dort erkannt wird sind wir und unsere Familien in Gefahr. Wir möchten nicht auf dem Präsentierteller sitzen, ohne irgendwie abgesichert zu sein«, legte Liz los.
»Ich wollte eigentlich Amys Team schicken, aber die sind anderweitig gebunden und ich habe nur euch zur Verfügung. Ich weiß um die Verstrickungen Bescheid. Ihr habt von meiner Seite aus jeglichen Rückhalt den ihr braucht. Um es ganz deutlich zu formulieren, und das kannst du gerne allen ausrichten, falls euch irgendwas passiert, ihr erkannt werdet oder irgendjemand gegen euch vorgehen will, dürft ihr ungestraft jeden umlegen. Ihr habt jedes Recht, das in euren Arbeitspapieren steht und das weltweit«, erklärte Rhonda eindringlich.
Читать дальше