Uwe Klausner - Odessa-Komplott. Tom Sydows zweiter Fall.

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Odessa-Komplott. Tom Sydows zweiter Fall.: краткое содержание, описание и аннотация

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Berlin, 31. August 1948. Die verstümmelte Leiche einer Stadtstreicherin wird in der Nähe des Lehrter Bahnhofs gefunden. Nichts Besonderes im Berlin der Nachkriegszeit und so glaubt Hauptkommissar Tom Sydow zunächst an einen Routinefall. Doch warum sammelte das Mordopfer Zeitungsausschnitte über den stadtbekannten Kriegsgewinnler, Schieber und Spekulanten Paul Mertens? Bei seinen Ermittlungen kommt Sydow einer Organisation auf die Spur, deren Verbindungen in höchste Kreise von Justiz und Politik zu reichen scheinen ...

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Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Widmung

Für die Männer und Frauen der Luftbrücke

und die betagte Dame Berlin-Tempelhof,

die man einfach ins Altersheim gesteckt hat.

Reale Hauptfiguren

Heinrich Himmler (1900–1945), Reichsführer-SS

Martin Bormann (1900–1945), Reichsleiter und Sekretär Hitlers

Wassili Danilowitsch Sokolowski (1897–1968), Chef der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD)

Josef Stalin (1878–1953), sowjetischer Diktator

Lawrenti Berija (1899–1953), Geheimdienstchef der UdSSR

Harry S. Truman (1884–1972), Präsident der USA

James V. Forrestal (1892–1949), US-Verteidigungsminister

Lucius D. Clay (1897–1978), Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone und Befehlshaber der US-Landstreitkräfte in Europa, ›Vater der Luftbrücke‹ nach West-Berlin

Fiktive Hauptfiguren

Tom von Sydow, 35 Jahre, Hauptkommissar der Kripo Berlin

Nikolai Borodin, 21 Jahre, Überlebender des Massakers von Babi-Yar

Lilian Matuschek, 27, Stenotypistin

Juri Andrejewitsch Kuragin, 32, Major des MGB (russ. Ministerium für Innere Angelegenheiten)

Luise von Zitzewitz, 74, Toms Tante

Kurt Bechtel, 34, Polizeifotograf

Eduard Krokowski, 20, Kriminalassistent

Gladys McCoy, 28, Agentin des britischen MI6

Erwin Hattengruber, 48, Kriminalrat und Sydows Vorgesetzter

Hartmuth von der Tann, 43, Justizrat und Mitglied des Berliner Senats

›Sämtliche Juden der Stadt Kiew und Umgebung haben sich am Montag, dem 29. September 1941, bis 8 Uhr an der Ecke der Melnik- und Dokteriwski-Straße (an den Friedhöfen) einzufinden. Wer dieser Aufforderung nicht nachkommt und anderweitig angetroffen wird, wird erschossen.‹

Plakatanschlag vom 28.09.1941

Prolog

(Kiew/Ukraine, September 1941)

1

Kiew/Ukraine, Babi-Yar-Schlucht | 29.09.1941, 17.55 h

Am Tag, als das Morden begann, wurde Nikolai 15. Als es zu Ende ging, war er zum Greis geworden.

Und das binnen einer Viertelstunde.

Es war kalt an diesem Abend, und der Wind, welcher über das Brachland in der Nähe der Friedhofsmauer fegte, ließ Nikolai Borodin frösteln. Dies hier war ein unwirtlicher Ort. Kein Platz zum Verweilen. Der Vorhof des Todes. Wäre es nach ihm gegangen, hätten Vater und er sich aus dem Staub gemacht. Wie so viele, die der Aufruf vom Vortag in Furcht und Schrecken versetzt hatte. Doch Vaters Wille war nun einmal Gesetz. Und dagegen kam er mit seinen 15 Jahren nicht an.

Der dunkelhaarige, schlaksige und in sich gekehrte Junge schüttelte den Kopf, wischte seine Nickelbrille am Hemdsärmel ab und setzte sie umständlich wieder auf. Menschen, so weit das Auge reichte. Tausende, wenn nicht gar Zehntausende, die zum Sammelpunkt strömten. Nikolai erschauderte. Dies alles hier war so unwirklich, so beklemmend, dass einem der Atem stockte. Wäre Vater nicht gewesen, dem es gar nicht schnell genug gehen konnte, hätte er auf der Stelle das Weite gesucht.

Doch dazu war es längst zu spät. Unter den Argusaugen der Miliz, die sie mit Hohn überschüttete, reihten sich der 15-jährige Gymnasiast und sein Vater in die Warteschlange ein. Der Ton war rau, hasserfüllt, und die ukrainischen Handlanger der SS trieben sie zur Eile an.

Gepäck abgeben – weiter.

Mäntel aus – weiter.

»Schuhe ausziehen – auf geht’s, Judenbastard, sonst mach ich dir Beine! Hosen runter – oder hörst du schlecht?«

Nikolai sah sich Hilfe suchend um. Und hielt entsetzt den Atem an.

Sein Vater wehrte sich. Und nicht nur das. Er gab dem Milizionär Kontra. Der wiederum, ein stiernackiger Schlägertyp, schien nur darauf gewartet zu haben, zückte den Gummiknüppel und drosch auf den 53-jährigen Rabbiner ein.

Nikolai war wie erstarrt. Er konnte es einfach nicht glauben. Niemand rührte einen Finger. Das konnte, das durfte einfach nicht sein. Obwohl seine Leidensgenossen Tausende und die Milizionäre lediglich Dutzende zählten, war Jitzchak Borodin, Rabbiner der Hyzalka-Synagoge, der Wut seiner Peiniger hilflos ausgeliefert.

Das galt auch für seinen Sohn. Denn in dem Moment, als er seinem Vater zu Hilfe eilen wollte, wurde Nikolai gepackt, zu Boden gerissen und getreten, dass ihm fast die Luft wegblieb.

Wie er es geschafft hatte, wieder auf die Beine zu kommen, wusste er hinterher nicht mehr. »Davai, davai!«, dröhnte es in seinen Ohren, und so rappelte sich Nikolai auf, tastete nach seiner Brille und stolperte davon. Wohin, war ihm anfangs gleichgültig, doch als er die Gewehrsalven hörte, die von den Wänden der nahen Schlucht widerhallten, traf es ihn wie der Blitz.

Nikolai Borodin, 15 Jahre, wohnhaft in der Schyljanska-Straße, war ein aufgeweckter Junge. Und überdurchschnittlich intelligent. Und da dem so war, dämmerte ihm, was nun geschehen würde. Was ihn daran hinderte, sein Heil in der Flucht zu suchen, war allein die Tatsache, dass er sich ein derartiges Ausmaß an Barbarei nicht vorstellen konnte.

Das konnte, das durfte einfach nicht sein.

Nur Sekundenbruchteile später wurde er eines Besseren belehrt. »Keine Müdigkeit vorschützen!«, fuhr ihn die hohntriefende Stimme an, auf Deutsch, wie Nikolai feststellte. Doch der SS-Obersturmführer hatte sich den Falschen ausgesucht.

Nikolai blieb einfach stehen, setzte seine Brille auf und starrte den schwarz Uniformierten unverwandt an. Totenkopfmütze, SS-Runen, Pistole und eine Miene, aus der die personifizierte Niedertracht sprach – ein Mann zum Fürchten. Aber nicht für Nikolai. Er hatte nichts zu verlieren. Und so trat er gegenüber dem Uniformierten auch auf. »Warum tun Sie das?«, fragte er, während eine weitere Gewehrsalve durch die Schlucht hallte und sich mit dem Wehklagen seiner Landsleute, die an ihm vorbei in die Schlucht eskortiert wurden, vermischte.

Der SS-Obersturmführer stutzte, fing sich jedoch wieder und setzte ein Lächeln auf, das den passionierten Sadisten verriet. »Ein ukrainischer Untermensch, der Deutsch spricht!«, spottete er und zündete sich eine Zigarette an. »Welch eine Überraschung.«

»Zu Ihrer Information – meine Mutter ist Deutsche.«

»Rassenschande, aha.«

»Auch dann, wenn meine Eltern 1920 geheiratet haben?«

Wenn Nikolai gehofft hatte, der SS-Mann würde zur Pistole greifen, sah er sich getäuscht. Die Wolfsaugen unter den wie Unkraut sprießenden Brauen blitzten kurz auf, das war alles. Für den Moment jedenfalls. »Gerade dann, Hurenbankert, gerade dann!«, knurrte der SS-Mann, während er seinen Schulterriemen zurechtzurrte, die Zigarette austrat und so tat, als sei nichts gewesen. Danach zeigte er auf seine Schulterklappen. »Hast du überhaupt einen Schimmer, mit wem du es hier zu tun hast?«

»Mit einem Obersturmführer der SS«, antwortete Nikolai mit Blick auf die Schulterklappen der tadellos sitzenden Uniform.

»Und was will uns das sagen, Untermensch?«

Nikolai stöhnte innerlich auf. Herr, mach ein Ende, flog es ihm durch den Sinn.

Als könne er Gedanken lesen, packte ihn der Obersturmführer am Kragen, schlug ihm ins Gesicht und rammte ihm das Knie in die Magengrube. Mit Blutgeschmack im Mund brach Nikolai zusammen. Um ihn herum nichts als schemenhafte Gestalten, Gespenster im Laufschritt, die Hände hinter dem Kopf. »Meine Brille, meine Brille!«, ächzte Nikolai, während ihm Blut aus Mundwinkeln und Nase rann. Sein Kiefer tat höllisch weh, und obwohl er hart im Nehmen war, wurde ihm speiübel. »Wo in Gottes Namen ist meine …«

Die Antwort auf seine Frage, durch eine weitere Gewehrsalve untermalt, ließ nicht lange auf sich warten. »Da hast du deine Brille«, hörte er die Stimme des Obersturmführers sagen, während er auf allen vieren im Staub herumkroch. Kaum war sie verklungen, nahm er dieses Geräusch wahr. Ein Knacken, begleitet von splitterndem Glas. Ein Laut, der keinerlei Zweifel mehr offenließ. »Und gute Reise.«

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