Bloody Marys
Das Leben birgt ein tödliches Risiko
2. Auflage Dezember 2011
©2011 OCM GmbH, Dortmund
Gestaltung, Satz und Herstellung:
OCM GmbH, Dortmund
Verlag:
OCM GmbH, Dortmund, www.ocm-gmbh.de
Printed in Germany
ISBN 978-3-942672-02-3
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
Christina Füssmann
Erdhügel 9
Heike Wulf
Viva Viagra oder der schöne Tod 13
Christina Füssmann
Tür an Tür 23
Sabine Deitmer
Affekt 29
Sabine Ludwigs
Die Qualle 35
Eva Encke
Verschwunden im Westfalenpark 41
Anne-Kathrin Koppetsch
Dajana 49
Heike Wulf
Etwas Besseres als den Tod 57
Christina Füssmann
Hexerei 63
Sabine Ludwigs
Unser Lied 67
Eva Encke
Wünschen, dass wünschen noch hilft … 73
Sabine Deitmer
Man trifft sich immer zwei Mal 85
Anne-Kathrin Koppetsch
Wenn Rache explodiert 91
Sonja Rieckmann
Gelbe Seiten 97
Heike Wulf
Fußball 101
Eva Encke
Ein klarer Fall 105
Christina Füssmann
Miss M. 119
Sabine Ludwigs
Eins, zwei, drei 131
Heike Wulf
Eine Leiche zu viel 135
Eva Encke
Das da, das bin ich 141
Sabine Deitmer
Ich bin böse 149
Sabine Ludwigs
Trude 155
Eva Encke
Dichter Morgen 161
Heike Wulf
Essenz 167
Sabine Ludwigs
Tote tragen keinen Namen 175
Heike Wulf
Feindselig 179
Sabine Ludwigs
Tod im Schatten von St. Reinoldi 183
Anne-Kathrin Koppetsch
Vielleicht hat ihm ja nur ein Pferd gefehlt 193
Sabine Deitmer
Die Bloody Marys 204
Bildnachweis 214
Vorwort
Die Bloody Marys – ja, wer sind sie eigentlich? Nette Frauen, die permanent Gutes tun? Bösartige Intrigantinnen, die sich Mord und Totschlag als Alltagsbeschäftigung erkoren haben? Seit ich sie kenne, und inzwischen sogar zu ihnen gehöre, weiß ich: Sie sind keins von beiden, sondern einfach nur Krimi-Autorinnen, die für ihr Leben gern literarische Cocktails zu wohltätigen Zwecken servieren. Und das machen sie mordsmäßig spannend. Wie spannend, davon vermittelt eine Auswahl ihrer Geschichten in diesem Buch einen umfassenden Eindruck.
Als ich die Bloody Marys kennenlernte, lasen sie gerade im ehrwürdigen Schwurgerichtssaal des Dortmunder Landgerichts. Und es war genau diese Location, die diese Benefizveranstaltung für mich so fesselnd machte. Hier hatte ich schließlich mehr als zwei Jahrzehnte als Gerichtsreporterin die Realität von Kriminalität erfahren. Nun präsentierte sich mir hier die andere Seite: Die Fiktion. Und die war – zumindest überwiegend – weitaus vergnüglicher. In Zeiten, in denen Krimischriftsteller häufig wahnsinnige Serienmörder ihre blutigen Spuren durch dunkle Wälder oder finstere Straßenschluchten ziehen lassen, konnte ich mich nun über eine Abwechslung freuen: Die Bloody Marys trieben trefflich mit Entsetzen Scherz. Allerdings nicht streng im Schillerschen Sinne, denn die „wohltätigen Weiber“ werden dabei niemals zu Hyänen. Sie führen eine feine Feder. Und das können sie einfach. Ich bin die Einzige unter ihnen, die die Hälfte ihres Lebens beruflich in Konfrontation mit dem realen Verbrechen verbracht hat. Das schüttelt man nicht so einfach ab. Das macht süchtig. Allerdings nur dann, wenn die Kriminalität sich lediglich zwischen zwei Buchdeckeln austobt. Dort schadet sie schließlich niemandem. Und sie lässt sich nach Belieben steuern.
So wird unseren Lesern gewiss auffallen, dass in unseren Kurzgeschichten überwiegend Männer die Opfer sind. Opfer von Frauen. Hier stellt die Fiktion die Realität auf den Kopf, denn laut Statistik ist es genau umgekehrt. So betrug 2006 nach einer Studie der Juristischen Fakultät der Universität Freiburg der Anteil von Frauen an der Gesamtkriminalität nur 24,1 Prozent. Der Anteil der weiblichen Strafgefangenen nahm sich im Gegensatz zu dem der Männer mit 5,1 Prozent noch spärlicher aus. Das macht deutlich, dass Frauen sich überwiegend auf sogenannte Bagatell-Delikte beschränken.
Wir, die Bloody Marys, trauen uns jedoch einfach etwas mehr zu und drehen den Spieß um. Schließlich wollen wir auch hier Quote machen. Zwar nicht mit roher Gewalt, aber dafür mit Stil. Nach Frauen-Art eben. Zum Vergnügen unserer Leser und zum Wohle der Dortmunder Frauenprojekte, die unserer Hilfe bedürfen, haben wir hoffentlich erfolgreich versucht, dabei mordsmäßig gut zu sein.
Christina Füssmann
Erdhügel
Heike Wulf
Mittlerweile klappte es immer besser. Es hatte sich gelohnt, etwas mehr in das Messer zu investieren. Ein japanisches 12-fach gefaltetes Tojiro Santoku. Schweineteuer, aber es zerschnitt das Fleisch wie ein dünnes Blatt Papier.
„Qualität zahlt sich aus, mein Mädchen“, hatte ihre Mutter immer gesagt.
Ganz leicht teilte es die Muskulatur in zwei Hälften. Nun lag der Brustkorb vor ihr. Sie nahm die Rosenschere und schnitt Rippe für Rippe durch: Knack, knack, knack. Schob anschließend alles an die Seite und dann endlich – lag es vor ihr: Das Herz. Sein Herz.
Sie nahm kurz die Maske ab. Das war stets ein ergreifender Moment. Die Sektflasche stand bereits geöffnet im Kühler. Sie nahm sie heraus, goss den Sekt in ein Kristallglas und hob das Glas gen Himmel:
„Auf die Liebe und die Treue!“, rief sie laut und nahm einen großen Schluck.
Danach setzte sich ihre Maske wieder auf. Sie mochte diesen süßlichen Geruch nicht. Beim letzten Karnevalsverkauf hatte sie sich diese Darth Vader Maske gekauft. Das schien ihr passend. Gab sie doch damit zu verstehen, dass sie auf der dunklen Seite stand. Es war ja schließlich nicht so, dass sie nicht wusste, dass es falsch war, was sie tat. Nein, nein. Das war ihr schon klar. Sie war ja schließlich nicht bescheuert oder geistig behindert.
Liebevoll betrachte sie das Herz. Welch ein schöner Anblick. Und es gehörte nur ihr. Ihr ganz allein. Nie wieder würde darin eine andere Frau Platz finden. Sie war die letzte, die damit geliebt worden ist und so sollte es bleiben.
Sie stand auf und holte ihre Tupper-Dose.
Letztens beim Promi-Dinner hatte Wencke Myhre ein raffiniertes Pilzragout gekocht.
Sie wusste sofort, das würde es sein und hatte sich das Rezept aus dem Internet besorgt.
Pilze hatte er gerne gemocht. In allen Variationen.
Tja, überhaupt hatte Bernie ständig gegessen und war ihr eigentlich viel zu dick gewesen. Das hatte ihr von Anfang an nicht gefallen. Aber er hatte sie abgöttisch geliebt. Was wollte sie mehr.
Leider entdeckte sie im Laufe der Zeit noch weitere schlechte Eigenschaften an ihm: Er popelte, egal wo er sich gerade befand und kaute ständig Kaugummi, selbst wenn sie Sex hatten. Überhaupt war er eine Oberniete im Bett. Drauflegen, ficken, rumstöhnen, abrollen.
Und als er dann letztens der brünetten Bedienung im Rewe zu lange zulächelte, da wusste sie: Das war’s. Bald war sein Herz nicht mehr zu gebrauchen. Bald würde er gehen. So, wie ihr Vater damals gegangen war, ohne sich noch einmal zu melden. Er hatte sie und ihre Mutter einfach rausgeschnitten aus seinem Herzen. Das würde ihr nicht noch mal passieren.
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