Allerdings war der Rückstoß für die kleine Emilia schwer zu kontrollieren. Bei ihrem Luftgewehr fing das ihre schmale Schulter auf, aber bei der Faustfeuerwaffe mussten ihre Arme das alles abfedern. Nach nicht einmal einer Stunde musste sie unter Tränen aufhören. Ihr taten furchtbar die Arme weh und sie konnte einfach nicht mehr damit feuern. Micha musste seine Tochter trösten und ihr versprechen, dass er mit ihr üben würde, damit sie länger damit schießen konnte. Dolores ging zurück ins Haus und nahm die extra gekaufte Knallwaffe mit nach draußen. Damit konnte sie zumindest mit den beiden trainieren, was ihr bedeutend mehr Spaß machte als Dolores. Aber auch sie erkannte einen Vorteil für sich darin. Da Emilia mit den beiden unterwegs war, fiel ihr Training nicht ganz so hart aus.
Nach etwas mehr als drei Stunden beendeten sie das Schießtraining. Micha hatte sich aber für den Abschluss noch etwas Besonderes für die jüngste ausgedacht. Zum ersten Mal durfte sie mit der Waffe ihres Vaters auf ein extra aufgestelltes Ziel schießen. Dazu legte sie sich auf der Terrasse auf eine Unterlage und richtete die Glock 17 ihres Vaters nach vorne. Micha kniete sich mit den beiden Beinen neben den kleinen Körper und lehnte sich nach vorne. Da Emilia den Rückstoß einer echten Waffe auf keinen Fall halten konnte, stützte er ihre kleinen Hände. Sie musste zielen und alleine abdrücken, er würde nur den Rückstoß abfedern.
Für seine Tochter war das ein absolutes Highlight. Das erste Mal, mit einer scharfen Waffe auf eine Zielscheibe anzulegen war etwas Besonderes. Michael zog ihren Gehörschutz, den sie alle trugen auf die Seite und gab ihr einige Tipps. Sie durfte insgesamt fünf Schüsse abfeuern. Micha übernahm nur das Abfedern für seine Tochter. Sie war begeistert. Die Schüsse, die sie abfeuerte, trafen allerdings nicht das aufgestellte Ziel, sondern landeten deutlich daneben. Eine echte Waffe war eben doch etwas anderes als ihre Übungswaffen. Trotzdem wollte sie gar nicht mehr damit aufhören. Micha ließ sich nicht erweichen ihr mehr als fünf Versuche zu genehmigen.
Während die Erwachsenen hinter ihr die beiden Dienstwaffen reinigten, durfte sie mit ihrem Luftgewehr üben. Emilia kam wirklich nach Leonie. Am liebsten würde sie abends ihr Gewehr mit ins Bett nehmen. Allerdings bestanden ihre Eltern darauf, die Waffen ungeladen in ihrem eigenen Waffenschrank einzuschließen. Den Schlüssel musste sie jeden Abend abliefern bevor sie ins Bett ging. Aber da der Schrank in ihrem Kinderzimmer stand, hatte sie ihre Schätze die ganze Nacht im Auge. Valeria hatte extra ein Regal bekommen, in dem ihre Reitsachen einen eigenen Platz hatten. So hatten beide Mädchen das wichtigste immer im Blick, wenn sie in ihrem Zimmer waren.
Als Leonie anrief um sie und Valeria vom Reiterhof abzuholen nahm sich Dolores die Autoschlüssel und machte sich auf den Weg. Micha würde in der Zwischenzeit anfangen zu kochen. Völlig unerwartet half ihm seine Tochter beim Kochen. Das war ihre Art sich noch einmal bei ihrem Vater zu bedanken. Obwohl sie es eigentlich nicht musste und mochte, half sie ihrem Vater in der Küche. Als Dolly mit den beiden anderen Familienmitgliedern ankam, hatten sich Vater und Tochter ein bisschen Musik angemacht und tanzten durch die Küche. Es roch bereits nach frisch gekochtem Essen. Leonie hatte schon auf der Fahrt erfahren, was Emilia bekommen hatte und wollte sich die neue Waffe unbedingt anschauen.
Die von François hergestellte Handfeuerwaffe sah einer Dienstwaffe der Agenten täuschend ähnlich und glänzte in schwarzem Lack. Eigens für die jüngste besaß sie mehrere Gravuren mit den Buchstaben EK. Selbst der Griff war auf beiden Seiten damit verziert. In dem Koffer lagen die vier Magazine, die jeweils 40 der kleinen Stahlkugeln fassen konnten und ein Zertifikat. Es war ein Einzelstück und extra für die kleine Emilia hergestellt. Leonie fragte bei ihrer Tochter nach, ob sie es ihr erlaubte einige Stahlkugeln daraus abzufeuern. Natürlich stimmte ihre Tochter zu und folgte ihrer Mutter nach draußen. Leonie legte ein Magazin ein und gab einige Schüsse daraus ab. Es fühlte sich fast an wie ihre Dienstwaffe, nur der Rückstoß war deutlich kleiner als bei einer echten Waffe. Trotzdem hatte die kleine Stahlkugel, die aus dem Lauf flog, so viel kinetische Energie, um jemanden ernsthaft zu verletzen. Nachdem Emilia auch noch erzählte aus der Dienstwaffe ihres Vaters einige Schüsse abgegeben zu haben war Leonie sichtlich stolz auf ihre Tochter.
Beim Abendessen gab es unterschiedliche Themen am Tisch. Valeria freute sich wie an Weihnachten über ihr neues Pony, das ab morgen im Stall stehen würde. Michael musste sein Versprechen Emilia zu trainieren noch einmal bestätigen. Für die beiden Mädchen war der Tag unvergesslich. Wieder einmal hatten sie beide etwas Einzigartiges bekommen. Leonie hatte allerdings noch eine Idee für den Abend. Sie warf die Idee in den Raum, die beiden Mädchen einige Kugeln aus einem ihrer Gewehre abfeuern zu lassen. Emilia war sofort Feuer und Flamme, während Valeria nicht so begeistert war. Sie hatte einfach keinen Spaß an Waffen und wollte das auch nicht. Allerdings wollte sie ihrer Halbschwester diese Möglichkeit auch nicht verwehren. Dolly machte den Vorschlag, dass Emilia einige Kugeln aus einem Gewehr ihrer Mutter abfeuern durfte und Valeria dafür einen Wunsch bei ihren Eltern freihaben würde. Die beiden Mädchen steckten sofort wieder die Köpfe zusammen und sprachen über diese Idee. Es war schön zu sehen wie die beiden miteinander harmonierten und sich absprachen. Es war ihnen ins Blut übergegangen, alles zu besprechen, was beide betraf.
Sie waren mit dem Vorschlag einverstanden. Leonie nahm ihre Tochter an die Hand und brachte sie zu ihrem Waffenschrank, der deutlich größer war. Sie durfte sich eine davon aussuchen, mit der sie schießen wollte. Die erste Rückfrage von Emilia war, welche davon den kleinsten Rückstoß hatte. Sie machte sich Sorgen um ihre Schulter. Nachdem ihre Hände schon wegen der neuen Waffe weh taten, wollte sie das nicht auch noch an ihrer Schulter erleben. Leonie gab zu, dass sie das nicht aushalten würde, egal welche davon sie sich auch aussuchte. Allerdings war die Lösung ganz einfach. Die Mutter würde das Gewehr an ihrer Schulter andrücken und Emilia würde zielen und feuern wie vorher schon bei Michaels Dienstwaffe. Emilia suchte sich dann das für Leonie personalisierte Gewehr aus.
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