Die Busfahrt zurück nach Portland machte sich Vivian einige Gedanken zu dem alten Mann, den sie bis in die graue Vorstadt verfolgt hatte. Das konnte definitiv kein Agent des SNB sein, es sei denn er hatte die fast perfekte Tarnung. Die ganze Fahrt über machte sie sich die verschiedensten Gedanken und entwarf in ihrem Kopf ein paar mögliche Szenarien. Trotzdem musste sie davon ausgehen wieder jemanden verfolgt zu haben, der nur einen kleinen Auftrag erledigte. Die erste Verfolgung führte sie auch nur zu Tiana die, wie sie selbst einige Aufträge für das SNB erledigen durfte. An die Organisation war scheinbar kein herankommen.
In der Innenstadt wischte sie die negativen Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf ihren Auftrag. Sie betrat das Verwaltungsgebäude und nahm den Fahrstuhl bis in die 14. Etage. Dort wandte sie sich nach links und folgte dem Gang bis zur Feuertreppe an der Außenseite. Dort war der Kasten des Wasserschlauchs, dessen Verschluss bereits geöffnet war. Noch einmal blickte sie sich um, ob sie niemand beobachtete, aber niemand beachtete die junge Frau. Vivian öffnete den Kasten und sah das in hellblauen Plastik eingeschlagene Paket darin liegen. Sie nahm es in die Hand und ließ es unter ihrer dünnen Jacke verschwinden. Mit dem Oberarm presste sie es unter ihre Achsel und ging zurück zum Aufzug. Erst dort verstaute sie das Päckchen in ihrem hinteren Hosenbund. So verließ sie das Bürogebäude und ging hinüber zu dem Restaurant, in dem sie schon den halben Tag auf der Lauer lag. Dieses Mal nahm sie sich einen Tisch im Innenraum. Den Kellner ließ sie nur ein Erfrischungsgetränk bringen.
Als es vor ihr auf dem Tisch stand, nahm sie einen tiefen Schluck aus dem Glas. Dann stand sie auf und verschwand auf der Toilette. Vivian schloss sich in einer Kabine ein und befreite das Paket. Sie setzte sich auf den Thron und betrachtete das Päckchen in ihrer Hand. Es war nicht besonders groß und wog auch nur einige hundert Gramm. Sie wollte endlich wissen, was sie da transportierten, wenn sie schon nicht herausfinden konnten, wer hinter der Organisation steckte. Mit feuchten Händen zog sie die dicke Plastikfolie auf die Seite. Heraus kam ein weißer Block in der Größe einer Handypackung, der erneut mit einer durchsichtigen Zellophanhülle umhüllt war. Das innere sah aus wie grobes Meersalz, was man zu einem Block zusammengepresst hatte. Sofort schoss ihr ein unangenehmer Gedanke in den Kopf. Sie und ihre Freundin transportierten Drogen für eine angebliche Bundesbehörde durch die Stadt.
Sie konnte dieses Päckchen nicht einfach blindlings abliefern, als ob sie nichts gesehen hätte. Aber würde man sie aus den Augen gelassen haben? Wer immer auch dahintersteckte, musste ein Interesse daran haben, dieses Paket an seinen Bestimmungsort zu bringen und den Kurier wahrscheinlich überwachen. Vivian brauchte auf der Stelle einen Ausweichplan. Sie entschied sich dafür, das Päckchen im Spülkasten des Restaurants zurückzulassen und ein Kaufhaus in der Innenstadt aufzusuchen, um dort einen Ersatz zu erwerben, den sie dann abliefern konnte. Ohne das Paket weiter mit sich herumzutragen setzte sie sich wieder an ihren Tisch. Aus den Augenwinkeln achtete sie auf die Personen um sie herum.
Nach einiger Zeit, ihr Getränk war bereits leer war sie sie sicher nicht beobachtet zu werden. Vivian bezahlte und verließ das Restaurant. Sie nahm Kurs auf einen großen Supermarkt, immer darauf achtend, dass niemand ihr folgte. Mehrfach sah sie sich unsicher um. Aber je mehr Menschen sie auch beachtete, konnte sie niemanden ausmachen, der ihr folgte. In dem Verkaufshaus angekommen steuerte sie die Abteilung mit den Gewürzen an. Sie brauchte etwas Vergleichbares zu dem Pulver in der Packung. Grobes Meersalz war ihr deutlich zu teuer, denn die Menge, die sie benötigte, würden ihre finanziellen Möglichkeiten deutlich überschreiten. Nach einigem Umsehen fand sie ein Süßungsmittel mit der gleichen Textur. Zu ihrem Glück war dieses Pulver auch noch im Angebot. Für kleines Geld kaufte sie sich zwei Packungen davon. Das nächste Ziel war die Zubehörabteilung um Plastikbeutel zu erstehen. Alles, was sie dann noch brauchte, war bläuliche Plastikfolie. Die gab es zum Glück überall zu kaufen.
Mit den ausgesuchten Sachen steuerte sie die Kasse an und bezahlte sie ordnungsgemäß. Zusätzlich steckte sie alles zusammen in eine Tragetüte und machte sich auf den Weg zu ihrer Wohnung. Immer wieder blickte sie sich deutlich nervös um, aber es war niemand zu sehen, der ihr folgte. Erst als ihre Wohnungstür hinter ins Schloss fiel und sie die Kette vorlegte, fühlte sie sich sicher. Ohne Umschweife setzte sie sich an ihren Küchentisch und präparierte das abzuliefernde Päckchen, wie sie es im Restaurant zurückgelassen hatte. Als sie damit fertig war, steckte sie es wieder in den hinteren Hosenbund und verließ ihre Wohnung zum vorgeschriebenen Lieferort.
7. Kapitel
Bahamas, Nassau
Nach einem langen Tag im Büro hatten es sich die beiden Mütter Leonie und Dolores gemütlich gemacht. Die beiden Mädchen tollten wie gewöhnlich in ihrem Pool herum. Michael war noch unterwegs, um einige Besorgungen zu machen. Es war erst früh am Nachmittag, aber Dolores wusste, was noch auf sie warten würde. Diese Woche musste sie wieder auf ihrem privaten Schießstand bestehen. Sie hatte, mit Michael ausgemacht ihre Probleme zu beseitigen. Dazu gehörte ein extremes Fitnessprogramm und Lektionen was den Umgang mit Waffen unter Stress betraf. In den letzten Wochen war sie jeden Tag viele Kilometer an der Seite des ehemaligen Bodyguards gerannt, hatte Gewichte gestemmt und sich immer wieder völlig verausgabt. Sie hätte nie gedacht, dass der eher übergewichtige Michael in so einer Form sein konnte. Er hatte jede Übung mit ihr mitgemacht und doch noch zu Scherzen aufgelegt.
Valeria und ihre Halbschwester waren schon die halbe Woche bester Laune. Während sie bei ihren geliebten Pferden weilte, durfte ihre Halbschwester unter Aufsicht im Garten auf Gemüse und Früchte anlegen. Die Mütter wechselten sich ab mit den beiden. Emilia hatte viele Tipps von ihrer Mutter übernommen und wurde immer besser. Michael hatte sich für heute etwas Besonderes für seine Tochter ausgedacht. Da Valeria die meiste Zeit auf einem immer wieder wechselnden Pony verbrachte, hatten die Eltern zusammen entschieden, ihr eine Reitbeteiligung zu kaufen. Micha hatte sich bereit erklärt alles dafür in die Wege zu leiten und Angebote einzuholen. Entscheiden musste dann die kleine Valeria alleine. Sie wollten ihr nicht vorschreiben, auf welchem Pony sie reiten sollte. Die kleine musste mit dem Gaul auch zurechtkommen. Letzten Endes war es ihre Entscheidung.
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