Dann, eines Abends, erzählte ich meinem Mann und unserem Sohn von dem Gespräch mit meiner Ärztin und fragte die beiden nach ihrer Meinung. Ich wollte wissen, ob sie sich vorstellen könnten, noch einmal diese Reise in Angriff zu nehmen. Unser Sohn schmetterte mir ein entschlossenes „Niemals!“ entgegen. Zu tief saßen die schlimmen Erinnerungen, die Enttäuschung und Traurigkeit in ihm fest. Die strikte und mit aller Bestimmtheit ausgesprochene Absage traf mich tief. Ich fühlte mich augenblicklich in die Zeit unseres damaligen Hawaii-Aufenthaltes zurückversetzt und für sein Trauma verantwortlich. Ich war sehr traurig, dass er diese Reise nicht noch einmal mit uns unternehmen wollte. Schlussendlich sollte es ja etwas ganz Wunderbares für uns drei, für unsere kleine Familie sein! Aber ich wollte ihn nicht bedrängen oder versuchen, ihn umzustimmen. Das wäre egoistisch von mir gewesen. Mein Mann hakte noch mal nach und ließ sich von unserem Sohn die Gründe erklären, die ihn dazu bewogen, diese Reise nicht noch einmal antreten zu wollen. Es war plausibel und nachvollziehbar und für unseren Sohn offensichtlich nicht so wichtig wie für mich, diesen Trip noch einmal zu unternehmen. Dabei beließen wir drei es dann. Mein Mann hingegen hatte tief in seinem Herzen noch ein Türchen offen gelassen für eine weitere Expedition an das andere Ende der Welt. Auch er wollte unserem Traum von Hawaii eine zweite Chance geben. Und so gab es unverhofft einen neuen Lebensplan. Und dieser lautete: Wir fliegen nach Hawaii – genauer gesagt nach Oahu!
Und diese Neuigkeit behielten wir natürlich nicht für uns. Als wir meiner Schwägerin Ines und meinem Schwager Detlef eines Abends bei einem Glas Wein von unseren Plänen berichteten, waren die beiden sehr angetan von unserer Absicht, Hawaii noch einmal zu besuchen. Sie kannten die traurige Geschichte unseres ersten Hawaiibesuchs und waren damals tröstend und Mut machend nach unserer Rückkehr für uns da. Und man sollte es nicht für möglich halten! Am Ende des Abends stand fest – sie kommen mit! Wir werden also zu viert auf Entdeckerreise gehen.
Das war ein wirklich schöner Moment! Wir vier verstehen uns nämlich richtig, richtig gut! Wir helfen einander, stehen uns gegenseitig bei und können über alles reden. Mit ehrlichen Worten, die manchmal auch unbequem sind. Wir sind Familie und gute Freunde zugleich! Tja, und da nun feststand, dass wir vier gemeinsam den großen Teich überqueren werden, stellte sich die Frage, wer denn die Organisation des ganzen Vorhabens übernehmen solle. Selbstverständlich ich!!! Die drei waren sich einig, dass sie, vorausgesetzt, ich würde mich der Aufgabe kräftemäßig gewachsen fühlen, die Vorbereitung unseres Abenteuers in meine Hände legen wollten. Schließlich hatte ich ja bereits schon einmal eine Reise nach Hawaii organisiert und kannte mich in der Materie bestens aus. Und ich freute mich riesig über diese Aufgabe und das Vertrauen der anderen in mich und legte auch sofort los. Ich sprudelte über vor lauter Ideen und Vorschlägen. Wir beratschlagten dann und stimmten ab, ob wir dieses oder jenes auf Oahu unternehmen wollten oder auch nicht. Als das Grundgerüst stand, war ich überglücklich. Mir wurde immer bewusster, was da plötzlich meine Aufgabe war. Ich hatte noch einmal die Möglichkeit bekommen, einen gehegten Traum zu planen und vorzubereiten. Ihn Wirklichkeit werden zu lassen. Mit dem kompletten Drum und Dran! Das war großartig! Diese Vorstellung beflügelte mich in meinem Handeln. Damals, während unseres „Hawaiiurlaubs“ 2016, hatten wir aufgrund meines schlechten Gesundheitszustandes lediglich eine Inselrundfahrt auf Oahu unternehmen können. Wir hatten keine Chance, das echte Hawaii kennenzulernen. Das sollte nun anders sein!!! Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich. Es gab so viel zu tun. Ich hatte die Bedürfnisse von vier unterschiedlichen Menschen unter einen Hut zu bringen! Jeder von uns vieren sollte sich einen speziellen Wunsch erfüllen können. Alles sollte gerecht sein. Niemand sollte übervorteilt oder benachteiligt werden! Und da ich für mein Leben gern organisiere, machte ich mich mit Feuereifer daran, nachzuforschen, abzugleichen, wieder zu verwerfen, zu verhandeln und letztendlich zu buchen. Ich habe die unterschiedlichen Flugrouten von Deutschland nach Oahu recherchiert, Flugpreise verglichen, die Entwicklung der Hotelpreise beobachtet, mich über die interessantesten Sehenswürdigkeiten informiert und habe mir per Google Street View vorab die schönsten Strände Oahus angeschaut. Außerdem frischte ich parallel dazu noch mein Englisch auf, welches ich mir vier Jahre zuvor in Vorbereitung unserer ersten Hawaii-Reise selbst beigebracht hatte. Natürlich ließ ich es mir auch nicht nehmen, ein paar Worte Hawaiianisch zu lernen. Fremde Sprachen fand ich schon immer interessant, und es macht mir Spaß, sie zu erlernen. Erfreut und glücklich bin ich dann, wenn ich sie im Reiseland nutzbringend anwenden kann. Keinesfalls perfekt, aber ausreichend für eine gute Verständigung.
Die schönsten Momente während meiner Nachforschungen für unsere Reise waren jedoch die, als ich über die Geschichte und Kultur Hawaiis las. Ich war zutiefst ergriffen. Es entwickelte sich in mir der immer größer werdende Wunsch, das, was ich gelesen hatte, in der Realität kennenlernen zu dürfen. Es hat Monate gedauert, alles so hinzukriegen, wie wir es uns vorstellten und bis es vor allem meinen Ansprüchen entsprach. Ich kann manchmal ziemlich pedantisch sein … Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, von dem ich erwarte, dass es genauso sein muss, wie ich es mir vorstelle, dann verfolge ich dieses Ziel mit aller Hartnäckigkeit und bin auch zu keinem Mittelweg bereit. Ich setze alles daran, mein gewünschtes Ergebnis zu erreichen, und scheue keine Anstrengung, keinen Kraftaufwand. Gott sei Dank ist das nicht (mehr) so oft der Fall. Im Laufe der letzten Jahre, während meiner Psychotherapie, habe ich gelernt, wie wichtig es ist, auch mal loszulassen, Kompromisse zu schließen und nachzugeben, wenn vielleicht das Unterfangen zu viel Kraft erfordert. Mitunter ist das schmerzlich, aber nicht der Weltuntergang!
Im Fall meiner Reiseplanung gab es glücklicherweise nur wenige Eckdaten, welche wir zu 100 Prozent so erfüllt haben wollten wie angedacht. Im Gegenteil! Bei so einem Vorhaben gibt es gar keine andere Möglichkeit als die, kompromissbereit zu sein. Die Sache ist nämlich so. Hawaii ist eines der teuersten Reiseziele weltweit. Das bedeutet, vieles regelt sich über das persönlich zur Verfügung stehende Budget. Wenn man also spezielle Wünsche und Vorstellungen hat, so muss man diese dem eigenen Geldbeutel anpassen. Um mal eine Zahl zu nennen: Für einen dreiwöchigen Urlaub für zwei Personen kann man locker mit 8.000 € rechnen. Das bedeutet: Flüge in der Economy Class, Mittelklassehotel (nur Übernachtung), Selbstverpflegung und Taschengeld (für Eis und Souvenirs). Ausflüge und große Shoppingtouren kosten zusätzlich! Wir haben mehrere Jahre für diese Reise gespart. Und in meinem Kopf stellte sich auch nicht die Frage: War diese Reise mir diese enorm hohen Ausgaben wert? Ein kleines Paket Toast für vier Dollar und ein Glas Nutella für neun Dollar lassen mich fast das Wort Wucher in den Mund nehmen. Aber das, was wir erlebt haben auf Oahu, das, was uns die Menschen dort entgegengebracht haben, das lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Das lässt sich nicht kaufen und ist auch nicht bezahlbar. Es waren Momente puren Glücks! Angefüllt mit Aloha.
Bereits im Vorfeld zu unserer ersten Hawaii-Reise begann meine Recherche zu „Land und Leuten“. Auf Online-Portalen und den verschiedensten Websites im Internet habe ich gelesen und mir dann kleine Notizen gemacht. Ich habe mir einen Reiseführer und eine Hawaii-DVD gekauft, mir YouTube-Videos angeschaut und so ebenfalls viel Interessantes über die hawaiianischen Inseln, ihre Geschichte, Kultur und Natur sowie hervorstechende Persönlichkeiten in Erfahrung bringen können. Am spannendsten und fesselndsten jedoch waren für mich, die mir von den Einwohnern Oahus im persönlichen Kontakt übermittelten Erzählungen und Berichte. Hawaiianische Menschen, welche ich kennenlernte, ließen mich warmherzig ihre Begeisterung und ihre Wertschätzung für ihre Heimat spüren. Die Liebe zu Hawaii und der Stolz auf die ursprüngliche Verwurzelung ihrer Vorfahren, klangen in jedem ihrer gesprochenen Worte mit. Ihr Backgroundwissen über historische Ereignisse, über die Tier- und Pflanzenwelt aber auch über bemerkenswerte Mitmenschen Hawaiis sowie aktuelle Themen, teilten sie mit mir. All diese (bei Weitem nicht vollständigen) zusammengetragenen Informationen habe ich auf den folgenden Seiten immer wieder eingebettet, in meine Erzählungen über unseren Reisealltag auf der wundervollen Insel Oahu. Also, los geht’s!
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