Beim akademischen Lernen spielt vermutlich vor allem die gegenstandszentrierte intrinsische Motivation eine Rolle. Das Interesse am Thema führt dazu, dass der Lernende die Beschäftigung mit dem Lernstoff als etwas Angenehmes, ja sogar Lustvolles erlebt. Warum es zu diesen motivierenden Empfindungen kommt, wird in der Motivationsforschung durchaus kontrovers diskutiert (Heckhausen, 1989). Als Antrieb gegenstandszentrierter intrinsischer Motivation im Bereich schulischen und akademischen Lernens hat deCharms (1968) das Streben des Menschen nach einem persönlichen Verursachungserleben des eigenen Handelns genannt: Wo immer eigenes Handeln nicht als fremdbestimmt, sondern in hohem Maße als selbst verursacht und selbst gewollt erlebt wird, entsteht ein innerer Belohnungsmechanismus, der das Verhalten (intrinsisch) motiviert. Deci und Ryan (1985) haben diesen Grundgedanken weiterentwickelt und dabei herausgearbeitet, dass Lernen insbesondere in jenen Bereichen intrinsisch motiviert erfolgt, in denen man sich als selbstbestimmt, also autonom und kompetent wahrnimmt.
Intrinsische Motivation basiert auf den angeborenen, organismischen Bedürfnissen nach Kompetenz und Selbstbestimmung. Sie versorgt eine Vielzahl von Verhaltensweisen und psychischen Prozessen mit Energie, wobei als primäre Verstärker die erlebte eigene Wirksamkeit und Autonomie fungieren. (Deci & Ryan, 1985, S. 32)
Aus seiner Theorie der Selbstverursachung als Leitprinzip intrinsischer Motivation hat DeCharms (1968) abgeleitet, dass die intrinsische Motivation geschwächt wird, wenn das, was man aus freien Stücken gerne tut, zusätzlich von außen belohnt wird (extrinsischer Anreiz). Als Erklärung für dieses Phänomen wird auf die wahrgenommene Überveranlassung (Overjustification) des eigenen Handelns verwiesen (Greene & Lepper, 1977). Wird man für etwas, was man ohnehin gerne tut (intrinsische Motivierung), zusätzlich auch noch belohnt (extrinsische Motivierung), so nimmt man das eigene Verhalten als »überveranlasst« wahr. Man wird unsicher in der Frage, was eigentlich der Grund des eigenen Handelns ist (Ist es der eigene Antrieb oder doch die Belohnung?) und beginnt zu zweifeln, dass man aus freien Stücken gehandelt hat. Als Folge davon nimmt die Stärke der intrinsischen Motivation ab.
Ein solcher Korrumpierungseffekt der intrinsischen Motivation durch Belohnungen für Lernleistungen widerspricht den Annahmen der in Kapitel 1.2 dargestellten behavioristischen Lerntheorien, die im pädagogischen Alltag weit verbreitet sind. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Frage, was die experimentell nachweisbaren negativen Effekte von Belohnung für die Praxis akademischen Lernens bedeuten, Gegenstand heftiger Diskussionen geworden ist (Cameron & Pierce, 1994; Ryan & Deci, 1996).
Fokus: Korrumpiert Belohnung?
Edward Deci und Richard Ryan als Hauptvertreter der Korrumpierungsthese haben sich mit Judy Cameron zu dieser Frage heftige Diskussionen geliefert (Cameron, 2001; Deci, Koestner & Ryan, 1999, 2001; Eisenberger, Pierce & Cameron, 1999). Beide Seiten bedienen sich des statistischen Verfahrens der Metaanalyse, um ihre Argumentation zu stützen. Inhaltlich scheint uns das Anliegen beider Positionen berechtigt zu sein: Extrinsische Belohnungen können tatsächlich die intrinsische Motivation schwächen, was Anlass genug sein sollte, über die Praxis von Belohnungsstrategien im Bildungssystem nachzudenken. Andererseits sind auch extrinsische Lernanreize häufig wirksam und können sich am Ende sogar förderlich auf die intrinsische Motivation auswirken.
In ihrer Selbstbestimmungstheorie gehen Deci und Ryan (1985; Ryan & Deci, 2000) davon aus, dass uns Menschen eine angeborene Tendenz zu Lernen und Entwicklung innewohnt. Diese angeborene Tendenz wird in intrinsisch motiviertem Verhalten deutlich, wie man es etwa beim kindlichen Spielen beobachten kann. Drei grundlegende universelle Bedürfnisse müssen der Theorie zufolge beachtet werden, damit diese angeborene Tendenz zur Entfaltung kommen kann: das Bedürfnis nach Selbstbestimmung, nach Kompetenzerleben und nach sozialer Eingebundenheit. Entscheidend für das Lernverhalten einer Person ist dabei weniger die Stärke als vielmehr die Art der Motivation. Ryan und Deci (2000) postulieren verschiedene Arten oder Qualitäten der Motivation, die sich darin unterscheiden, wie weit dem Grad nach Selbstbestimmung Rechnung getragen ist. Dabei werden neben der reinen Form der intrinsischen Motivation vier Formen der extrinischen Motivation unterschieden. Die strikte Trennung in intrinsische und extrinsische Motivation wird dabei aufgegeben.
Die am wenigsten selbstbestimmte Form der Motivation wird demnach als externale Lernmotivation bezeichnet, weil Verhaltensweisen nur ausgeführt werden, um eine Belohnung zu erhalten (z. B. eine gute Note) oder um eine Bestrafung zu vermeiden (z. B. einen Tadel). Ein Gefühl der Selbstbestimmung bleibt dabei aus. Eine zweite verbreitete Variante extrinsischer Motivation ist die introjizierte Lernmotivation. Sie ist dadurch charakterisiert, dass die lernende Person das äußere Belohnungssystem weitgehend verinnerlicht hat und z. B. durch ein schlechtes Gewissen oder aus einem Pflichtgefühl heraus lernt, oder um Angst bzw. Scham zu vermeiden. Diese beiden Formen der extrinischen Motivation werden auch als »kontrollierte« Formen der extrinsischen Motivation bezeichnet, weil sie durch die Umwelt veranlasst werden.
In autonomen Formen der extrinsischen Motivation nimmt die Selbstbestimmung zu. Dazu gehört zunächst die identifizierte Lernmotivation. Die Person lernt dabei stärker von sich aus, weil sie die damit verbundenen Ziele selbst für wichtig erachtet. Dies trifft etwa auf Schüler zu, die sich sehr intensiv auf die Abiturprüfungen vorbereiten (was ggf. nicht immer Freude bereitet), um später einen Platz in ihrem Traumstudiengang zu erhalten. Die Person lernt also, weil sie es wichtig für die Erfüllung persönlich relevanter Ziele und Wünsche findet. Die am stärksten selbstbestimmte Form der extrinsischen Motivation ist die integrierte Motivation. Diese Art der Motivation ist empirisch kaum von der intrinsischen Motivation in Reinform abzugrenzen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die so motivierten Lernhandlungen durchgeführt werden, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen und nicht (wie bei der intrinsischen Motivation) aus der reinen Freude an der Tätigkeit selbst.
Wie gelangt man nun zu autonomen Formen der extrinsischen Motivation, zu denen die identifizierte und die intregierte Motivation zählen? Neben dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung müssen nach Ryan und Deci (2000) auch die beiden Grundbedürfnisse nach Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit erfüllt sein. Diese Annahme deckt sich mit Ergebnissen von Untersuchungen, die gezeigt haben, dass eine erhöhte Wahrnehmung von Selbstbestimmtheit und eigener Kompetenz zu einem stärkeren Lernengagement, einem tieferen Verständnis und zu einem erhöhten subjektiven Wohlbefinden führt (Ryan & Deci, 2009). Der oben beschriebene Korrumpierungseffekt verdeutlicht, dass das selbstbestimmte Lernen auch unterminiert oder »beschädigt« werden kann: Wird bei einem ursprünglich stark selbstbestimmt motivierten Verhalten der Grad der Selbstbestimmung, des Kompetenzerlebens und/oder der sozialen Eingebundenheit reduziert (etwa durch das Einführen externaler Belohnungssysteme), dann kann eine verminderte Anstrengungsbereitschaft die unerwünschte Folge sein (Ryan & Deci, 2000).
Lern- und Leistungsmotivation
Neben den thematischen Interessen, die den Lernerfolg in themenspezifischen Kontexten oder bei themenspezifischen Inhalten begünstigen, haben Motivationspsychologen auch themenunspezifische dispositionelle Merkmale identifiziert, die die Herangehensweise an Lern- und Leistungssituationen prägen. Diese relativ zeitstabilen interindividuellen Unterschiede hängen mit dem Lern- und Leistungsmotivsystem einer Person zusammen. Rheinberg und Vollmeyer (2019) haben zu Recht darauf hingewiesen, dass umgangssprachliche Begriffe wie »Fleiß«, »Anstrengung« oder »Strebsamkeit« zwar etwas Ähnliches ausdrücken, nicht aber deckungsgleich sind mit einem günstig ausgeprägten Leistungsmotivsystem.
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