c) Bedeutsame Handlungsformverbote
750
Bei den zum Pflichtstoff gehörenden Materien wird das Handlungsformverbot im Bereich der Bauleitplanung relevant. Bauleitplanungsverpflichtungsverträge, also Vereinbarungen über den Erlass, die Änderung, die Beibehaltung oder Aufhebung von vorbereitenden oder verbindlichen Bauleitplänen, sind unzulässig, wie in § 1 Abs. 3 S. 2, 2. HS BauGB klargestellt ist[57]. Diese Regelung ist zwar im Ausgangspunkt als ein gesetzliches Inhaltsverbot i.S.d. § 134 BGB iVm § 59 Abs. 1 VwVfG einzuordnen[58]. Bildet die Bauleitplanungsverpflichtung jedoch den alleinigen oder zumindest zentralen Gegenstand eines Vertrags, so rechtfertigt dies die Einordnung als ein Handlungsformverbot i.S.d. § 54 S. 1[59].
751
Grundsätzlich unzulässig sind örV darüber hinaus im öffentlichen Dienstrecht. Denn Beamtenernennungen und vergleichbare Rechtsakte dürfen nur in Form von Urkunden ergehen (§ 8 Abs. 2 S. 1 BeamtStG). Je weiter jedoch vom Kernbereich des Beamtenrechts abgerückt wird, umso eher verbleibt Raum für vertragliche Lösungen. Zulässig ist etwa vor Begründung eines Beamtenverhältnisses ein Studienförderungsvertrag, in dem sich ein Studierender zum späteren Eintritt in den öffentlichen Dienst verpflichtet[60].
752
Die Handlungsform „örV“ ist darüber hinaus grundsätzlich unzulässig bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen, soweit es den Prüfungsinhalt und das Prüfungsergebnis anbelangt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 2 Abs. 3 Nr 2 für Prüfungsleistungen nicht auf §§ 54 ff Bezug nimmt (zu den Ausnahmen vom Anwendungsbereich s.o. Rn 106). Die Unzulässigkeit beschränkt sich allerdings auf das Verwaltungshandeln unmittelbar „bei“ Prüfungen, so dass nur Prüfungsverfahren, -inhalt und -ergebnis nicht vertraglich ausgehandelt werden dürfen (sog. innere Prüfungsangelegenheiten). Anders verhält es sich bei sog. äußeren Angelegenheiten ohne spezifischen Bezug zur Leistungsbewertung[61].
753
Im Abgabenrechtleitet die Rechtsprechung aus Art. 20 Abs. 3 GG ein grundsätzliches Handlungsformverbot ab[62]. Die Literatur steht der Annahme eines solchen Verbots zu Recht skeptisch gegenüber: Denn die Steuer als solche mag zwar nicht „verhandelbar“ sein, wohl aber die Art und Weise der Steuerzahlung[63]. Verboten sind danach lediglich bestimmte Inhalte, nicht jedoch die Form[64].
2. Formelle Anforderungen
754
Wie schon mehrfach erwähnt, handelt es sich bei der Erklärung der Behörde, die einen Vertragsabschluss wirksam herbeiführt, um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Bei deren Abgabe muss zugleich die Zuständigkeitsordnung gewahrt werden. Zur Abgabe dieser Erklärung muss die Behörde daher sachlich, instanziell und örtlichzuständig sein. Insoweit kann grundsätzlich auf die Ausführungen zum VA verwiesen werden (s.o. Rn 470 ff)[65].
b) Formerfordernisse
aa) Grundsatz: Schriftformerfordernis
755
Nach § 57 bedarf der örV der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Gegenüber dem VA stellt das Gesetz somit ein strenges Formerfordernis auf, vgl § 37 Abs. 2 (s.o. Rn 509). Mit dem Schriftformerfordernis werden ähnliche Zweckeverfolgt wie im Privatrecht: Insbes. soll sie vor Übereilung schützen und Klarheit über den Inhalt eines örV schaffen[66].
756
Zur Wahrung des gesetzlichen Schriftform müssen gewisse Mindestanforderungenerfüllt sein: Erforderlich ist zunächst die Herstellung einer Urkunde[67], also die Unterzeichnung einer schriftlich verkörperten, daher nachlesbaren Willenserklärung. Die Schriftform bezieht sich nach ihrem Umfang auf alle Vertragserklärungen aller Vertragspartner. Die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform verlangt, dass die Urkunde grundsätzlich von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet wird (§ 62 S. 2 i.V.m. § 126 Abs. 1 BGB).
757
Streitig ist, ob die Unterschriften auf derselben Urkunde geleistet werden müssen, wie dies § 126 Abs. 2 S. 1 BGB für den zivilrechtlichen Vertrag vorsieht, wenn für ihn Schriftform angeordnet ist (Grundsatz der Urkundeneinheit)[68]. In der Rechtsprechung lassen sich zunehmend Beispiele für eine Abkehr vom Erfordernis der Urkundeneinheit finden: Dies gilt etwa für einseitig verpflichtende örVe, wenn dem schriftlichen Vertragsangebot eine unmissverständliche schriftliche Annahmeerklärung der Behörde gegenübersteht[69]. Das BVerwG hat ferner für einen zwischen zwei Bundesländern geschlossenen koordinationsrechtlichen Vertrag zur Kostenerstattung im Maßregelvollzug angenommen, für die Wahrung der Schriftform des § 57 reiche ein Briefwechsel aus, wenn die Zusammengehörigkeit der beiden Erklärungen nach den Umständen zweifelsfrei sei[70]. Im Schrifttum wird inzwischen überwiegend angenommen, dass das Erfordernis der Urkundeneinheit bereits de lege lata entbehrlich sei[71]. Denn die Gründe, mit denen in der Rechtsprechung die Ausnahmen vom Erfordernis der Urkundeneinheit begründet werden, lassen sich grundsätzlich auch auf zweiseitig verpflichtende subordinationsrechtliche Verträge übertragen[72].
bb) Strengere Formanforderungen
758
Das Erfordernis der Schriftform ist aber nur ein Regelerfordernis. Es gilt, „soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist“. Hierunter ist eine jedenfalls weitergehende Form zu verstehen, sodass die Schriftform nahezu immer Mindestformist. Eine weitergehende Form ist etwa die notarielle Beurkundung.
Beispiel:
Ein Erschließungsvertrag nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr 1 BauGB bedarf nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Form eines Vertrags der notariellen Beurkundung, wenn auch ein Grundstückskauf und die Eigentumsübertragung sein Gegenstand ist[73].
759
Umstritten ist, ob § 57 auch Formerleichterungen zulässt. Nach lange überwiegender Ansicht, die sich auf die Gesetzesbegründung stützen konnte[74], sind lediglich strengere Formanforderungen zulässig[75]. Allerdings verliert gerade in den Bereichen moderner Massenverwaltungdie Warnfunktion zunehmend an Bedeutung[76]. Diese teleologischen Erwägungen sprechen letztlich für die Zulässigkeit auch von Formerleichterungen. Von einem Verzicht auf das Schriftformerfordernis ist etwa auszugehen beim Abschluss von Verträgen zur Benutzung einer öffentlichen Anstalt durch Aushändigung einer Eintrittskarte. Der Verzicht auf die Schriftform ergibt sich hier typischerweise aus der Benutzungssatzung. Eine Satzung genügt als Rechtsgrundlage; § 57 spricht von „Rechtsvorschrift“, nicht aber von einem Gesetz im formellen Sinn.
c) Zustimmungserfordernisse
760
§ 58 behandelt die Rechte Dritter und die Kompetenzen mitwirkungsverpflichteter Behörden bei einem Abschluss eines örV. Die Norm will sicherstellen, dass zum einen der Schutz in ihren Rechten berührter Dritter gewahrt bleibt sowie zum anderen die öffentliche Kompetenzordnung eingehalten wird[77]. Besteht das Recht zur Mitwirkung nur für einen Teil des Vertrags, so kann der nicht mitwirkungsbedürftige Teil des Vertrags von vornherein wirksam sein. Die Möglichkeit der Aufspaltung des Vertrags in einen mitwirkungsbedürftigen und einen nicht mitwirkungsbedürftigen Teil richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
761
Nach § 58 Abs. 1 wird ein örV, der in Rechte eines Dritten eingreift, erst dann wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. § 58 Abs. 1 schließt damit einen örV zu Lasten Dritter ohne dessen Zustimmung aus. „Dritter“ i.S.d. Abs. 1 ist jedes beteiligungsfähige Privatrechtssubjekt, welches nicht Vertragspartei ist. Ein „Eingriff in Rechte eines Dritten“ liegt vor, wenn objektiv der rechtliche Status des Dritten durch den Vertragsabschluss verschlechtert oder beeinträchtigt wird. Das ist der Fall, wenn der rechtliche status quo ante des Dritten in einen status quo ante minus verwandelt wird[78]. Die praktische Bedeutung des § 58 Abs. 1 liegt insbes. in Verträgen, die an Stelle des Erlasses eines VA mit Doppelwirkung abgeschlossen werden.
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