III. Die Begriffsmerkmale des öffentlich-rechtlichen Vertrags
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Nach § 54 S. 1 handelt es sich um einen örV, wenn ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben wird. Demnach kommt es auf drei Elemente entscheidend an: Es muss sich
(1.)um einen Vertraghandeln, dieser muss seinen Regelungsgegenstand
(2.)auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtshaben, der Regelungsgegenstand muss
(3.)auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnissesabzielen.
1. Vertrag
a) Übereinstimmende Willenserklärungen
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Der örV ist ebenso wie der zivilrechtliche Vertrag die von zwei oder mehreren beteiligungs- und handlungsfähigen Rechtssubjekten erklärte Willensübereinstimmung, die darauf abzielt, eine von den Vertragspartnern beabsichtigte rechtliche Wirkung herbeizuführen[10]. Der Vertrag kommt durch Angebot und Annahmezustande; §§ 145 ff BGB finden ergänzend Anwendung, soweit sich nicht aus dem VwVfG etwas anderes ergibt, s. § 62 S. 2. Dem eigentlichen Vertragsschluss vorgelagert ist die Entscheidung für die Handlungsformdes Vertrags, welche grundsätzlich im Auswahlermessen der öffentlichen Verwaltung steht („kann“). Sie ist regelmäßig nicht als VA einzustufen, sondern als schlicht-hoheitliche Maßnahme[11].
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Die Wirksamkeitder Willenserklärungen von privaten und öffentlich-rechtlichen Rechtssubjekten beim Abschluss eines örVs bestimmen Regeln des öffentlichen Rechts; nach § 62 S. 2 finden jedoch Vorschriften und Rechtsinstitute des bürgerlichen Rechts ergänzende Anwendung: §§ 104 ff, 116 ff, 164 ff, 177 ff BGB sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die VwVfGe entgegenstehende Vorschriften enthalten[12]. Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins kann eine Willenserklärung vorliegen, wenn der Erklärende bei Anwendung der auch im Verwaltungsverfahren erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben als Vertragserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat[13]. Auf die ausdrückliche Bezeichnung des Vertrags als „Vertrag“ oder „Vereinbarung“ kommt es nicht an[14].
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Der Gegenstand des Vertrags sowie die vereinbarten Regelungen müssen bestimmt oder bestimmbar sein. Ob die abgegebenen Willenserklärungen übereinstimmen, ist durch Auslegungzu ermitteln, § 157 BGB. Die Auslegung muss an der Wirksamkeit des Vertrags orientiert sein[15]. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist zulässig[16]. Eine Umdeutung ist grundsätzlich erlaubt, wenn ein nichtiges Rechtsgeschäft einem anderen vermutlich gewollten Rechtsgeschäft entspricht.
b) Abgrenzung zu ähnlichen Handlungsformen
aa) Abgrenzung zum zustimmungsbedürftigen Verwaltungsakt
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Vom VA ist der örV dadurch abzugrenzen, dass der VA eine einseitige hoheitliche Regelung enthält; ihm fehlt es deshalb an den übereinstimmenden Willenserklärungen. Dies gilt auch für den zustimmungsbedürftigen VA, der insbes. antragsbedürftige VAe erfasst (zum Begriff s.o. Rn 389). Denn dieser bleibt auch dann eine einseitige behördliche Maßnahme, wenn er dem Willen des Betroffenen entspricht. Die Zustimmung des Adressaten ist nur Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des VA[17].
bb) Abgrenzung zum informellen Verwaltungshandeln
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Vom örV ist das informelle Verwaltungshandeln zu unterscheiden, das in der Verwaltungspraxis eine immer größere Rolle spielt. Dies gilt etwa für das Umweltrecht[18] oder das öffentliche Wirtschaftsrecht[19].
Beispiel:
Die zwischen dem Bundesminister für Umwelt und der Deutschen Automobilindustrie getroffene Verabredung, Autos in der Weise zu bauen, dass sie in der Zukunft möglichst vollständig recycelt werden können.
Ob es sich bei solchen „Vereinbarungen“ um örVe handelt, ist abhängig davon, ob eine solche „Vereinbarung“ einen Rechtsbindungswillenenthält. Dieser ist durch Auslegung zu ermitteln; es handelt sich um ein Problem des Einzelfalls. Wenn eine verbindliche Rechtsfolge vereinbart ist, handelt es sich um einen örV. Fehlt es daran, so fehlt es gleichzeitig an einem rechtsnormativ vorgegebenen Rahmen zur Behandlung solcher „Vereinbarungen“, da das VwVfG sich zu diesen „Agreements“ nicht äußert[20].
cc) Abgrenzung zu sonstigen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen
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Der örV begründet ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis. Von ihm sind „sonstige verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse“ abzugrenzen (dazu § 18). Entscheidend ist der Begründungsakt: Ist er einseitig, etwa ein VA, so fehlt es an einem örV. Das Gleiche gilt für die Verwaltung, Nutzung, Beschlagnahme und Sicherstellung beweglicher oder unbeweglicher Sachen. Ebenso bringen öffentlich-rechtliche Nutzungsverhältnisse auf Grund einseitiger Leistungsanforderung (zB nach dem Bundesleistungsgesetz – BLG) im Normalfall keinen örV zur Entstehung.
Beispiel:
Nach § 2 Abs. 1 Nr 1 BLG kann die Überlassung von beweglichen Sachen zum Gebrauch angefordert werden. Liegen die weiteren Voraussetzungen des BLG vor, kann die zuständige Behörde zB bestimmte PKW (geländetaugliche Wagen) anfordern und sie nutzen. Die Nutzung des PKW führt nicht zu einem örV.
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Auch die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftragbegründet ebenso wie im Zivilrecht kein vertragliches, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis. Die sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Ansprüche (Aufwendungsersatz, Erstattungsanspruch) sind deshalb gesetzlicher, nicht vertraglicher Natur (dazu Rn 819 ff)[21].
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Mit Blick auf die Vertragspartnersind folgende Varianten öffentlich-rechtlicher Verträge möglich:
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Verträge zwischen Verwaltungsträgern, |
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Verträge zwischen Verwaltungsträgern und Privatpersonen[22] sowie |
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Verträge zwischen Privatpersonen. |
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Die §§ 54 ff erfassen zunächst Verträge zwischenverschiedenen Verwaltungsträgern, wenn der Vertragsgegenstand öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit iSd § 1 Abs. 1 ist sowie ein Rechtsverhältnis zur Einzelfallregelung begründet, geändert oder aufgehoben werden soll. Alle in Rn 114 ffgenannten Verwaltungsträger können Rechtssubjekt eines solchen Vertrags sein. Auch teilrechtsfähige Rechtssubjekte desselben Rechtsträgers können Vertragspartner sein (sog. In-Sich-Verträge bzw Organverträge)[23]. Der Vertragsgegenstand ist unerheblich; er kann sich auf VAe oder VA-Surrogate sowie auf Realakte, Pläne oder sonstige Handlungen, Duldungen, Unterlassungen oder öffentlich-rechtliche Willenserklärungen beziehen.
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Aber auch Verträge zwischen einem Verwaltungsträger und einem Bürgersind von § 54 erfasst. In erster Linie kommen Verträge in Betracht, welche die für den Erlass eines VA örtlich und sachlich zuständige Behörde mit dem potenziellen Adressaten des VA schließt. Schließlich sind in bestimmten Konstellationen sogar Verträge zwischen Rechtssubjekten des Privatrechtsüber Gegenstände des öffentlichen Rechts denkbar. Voraussetzung für einen örV zwischen Privaten ist aber eine spezialgesetzliche Ermächtigung[24].
Beispiele:
Die Übernahme der Straßenreinigungs- und Sicherungslast; die Übernahme von Unterhaltspflichten an einem Gewässer, wenn eine Unterhaltspflicht von Privaten besteht, ein Privater übernimmt die einem anderen Privaten obliegende Unterhaltspflicht; ferner gibt es solche Privaten obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflichten im Bau-, Berg-, Jagd-, Polizei-, Sozial- und Kommunalrecht.
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