»Die Geometrie ist Erkenntnis des immer unveränderlichen Seins. «
Platon Politeia (Der Staat) , Buch VII
Wesentlich für jedes axiomatische System ist es, genug Axiome (bei Euklid ebenfalls Postulate) zu haben, um jeden wahren Satz beweisen zu können, aber überflüssige Axiome zu vermeiden, die bereits aus anderen folgen. Viele fragten sich, ob das Parallelenpostulat als Satz durch Euklids Definitionen, Axiome und andere vier Postulate ableitbar ist, denn dann wäre es überflüssig. Zeitgenossen Euklids und spätere Gelehrte versuchten erfolglos, einen solchen Beweis zu finden. Schließlich erkannte man im 19. Jahrhundert, dass das fünfte Postulat notwendig für die euklidische Geometrie und unabhängig von den anderen ist.
Nichteuklidische Geometrie
Die Elemente behandeln auch die sphärische Geometrie, die von zwei Nachfolgern, Theodosios von Bithynien und Menelaos von Alexandria, weiterverfolgt wurde. Euklids Definition eines Punkts bezieht sich auf einen Punkt in der Ebene, aber ein Punkt kann auch als Punkt auf einer Kugeloberfläche aufgefasst werden.
Wie lassen sich nun Euklids Postulate auf die Kugeloberfläche übertragen? In der sphärischen Geometrie gelten andere Axiome als Euklids. Die Geometrie in Euklids Elementen nennt man heute euklidische Geometrie. Die sphärische Geometrie dagegen ist das erste Beispiel für eine nichteuklidische Geometrie. So ist das Parallelenpostulat dort nicht wahr, denn alle »Geraden« (Großkreise auf der Kugel) schneiden sich und in der hyperbolischen Geometrie können sie sich sogar unendlich oft schneiden. 
Euklid
Zeit und Ort von Euklids Geburt sind unbekannt, und wir wissen kaum etwas über sein Leben. Er studierte vermutlich an der Akademie in Athen, die von Platon gegründet worden war. Im 5. Jahrhundert n. Chr. schrieb der Grieche Proklos in einem Text zur Geschichte der Mathematik, Euklid habe zur Regierungszeit von Ptolemaios I. Soter (um 323–285 v. Chr.) in Alexandria gelehrt.
Euklids Werke behandeln zwei Gebiete: elementare Geometrie und allgemeine Mathematik. Neben Elementen schrieb er über Perspektiven, Kegelschnitte, sphärische Geometrie, Astronomie, Zahlentheorie und über die Wichtigkeit mathematischer Genauigkeit. Viele Werke, die man Euklid zuschreibt, gingen verloren. Mindestens fünf sind aber bis heute erhalten. Euklid starb zwischen Mitte des 4. und Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr.
Hauptwerke
Stoicheia (Elemente)
Konika (Kegelschnitte)
Katoptrika
Phainomena (Phänomene)
Optika (Optik)
Die ersten 16 Sätze (Propositionen) in Buch I |
Satz 1 |
Man kann auf einer Strecke ein gleichseitiges Dreieck errichten. |
Satz 2 |
An einen gegebenen Punkt kann eine Strecke angelegt werden, die gleich lang wie eine andere gegebene Strecke ist. |
Satz 3 |
Bei zwei gegebenen, ungleichen geraden Strecken kann von der längeren etwas abgeschnitten werden, das so lang ist wie die kürzere. |
Satz 4 |
Sind bei zwei Dreiecken zwei Seiten des einen gleich zwei Seiten des anderen und ist auch der von ihnen eingeschlossene Winkel gleich, dann stimmen die Seiten überein, auf denen die Dreiecke errichtet sind und die beiden Dreiecke sind gleich; somit stimmen auch die übrigen Winkel des zweiten Dreiecks mit den Winkeln des ersten überein. (Kongruenzsatz SWS) |
Satz 5 |
In einem gleichschenkligen Dreieck sind die Winkel auf der Grundseite, auf der die Schenkel errichtet sind, gleich, und bei Verlängerung der beiden Schenkel auch die Winkel darunter. |
Satz 6 |
Sind in einem Dreieck zwei Winkel gleich, dann sind auch die ihnen gegenüberliegenden Seiten gleich. |
Satz 7 |
Treffen sich, von den Endpunkten einer Strecke aus, zwei gerade Strecken in einem Punkt, dann können zwei andere auf den Endpunkten derselben Strecke und Seite errichtete Strecken, die paarweise gleich lang wie die ersten beiden Strecken sind, sich nicht in einem anderen Punkt treffen als die beiden ersten. |
Satz 8 |
Sind in zwei Dreiecken zwei Seiten des einen gleich zwei Seiten des anderen und auch die Grundseiten gleich, auf denen sie errichtet sind, dann sind auch die Winkel gleich, die von den Seiten eingeschlossen werden. (Kongruenzsatz SSS) |
Satz 9 |
Ein gradliniger Winkel kann in zwei gleiche Teile geteilt werden. |
Satz 10 |
Eine gerade Strecke kann in zwei gleiche Teile geteilt werden. |
Satz 11 |
Auf einer Geraden kann in einem gegebenen Punkt die Senkrechte errichtet werden. (Lot errichten) |
Satz 12 |
Auf einer Geraden zu einem Punkt, der nicht auf ihr liegt, kann die Senkrechte gezogen werden. (Lot fällen) |
Satz 13 |
Die beiden Winkel, die eine Gerade mit einer auf ihr errichteten Strecke bildet, sind entweder zwei rechte oder zusammen gleich zwei rechten. (Nebenwinkelsatz) |
Satz 14 |
Wenn an einem Punkt auf einer Strecke zwei andere Strecken beginnen, die nicht auf ihr liegen und zwei Winkel bilden, die zwei rechten gleich sind, dann liegen diese beiden Strecken auf der gleichen Geraden. |
Satz 15 |
Am Schnittpunkt zweier Geraden sind die einander gegenüberliegenden Winkel gleich. (Scheitelwinkelsatz) |
Satz 16 |
Wird an einem Dreieck eine Seite verlängert, dann ist der außen liegende Winkel größer als einer der innen im Dreieck gegenüberliegenden Winkel. |
ZÄHLEN OHNE ZAHLEN
DER ABAKUS
IM KONTEXT
SCHLÜSSELZIVILISATION
Griechenland(um 300 v. Chr.)
TEILGEBIET
Zahlensysteme
FRÜHER
um 18 000 v. Chr.In Zentralafrika hält man Zahlen als Knochenschnittmarken fest.
um 3000 v. Chr.Südamerikaner erfassen Zahlen durch Knoten in Schnüren.
um 2000 v. Chr.Die Babylonier entwickeln das Stellenwertsystem.
SPÄTER
1202Leonardo von Pisa (Fibonacci) lobt in Liber Abbaci die indisch-arabischen Zahlen.
1621In England erfindet William Oughtred den Rechenschieber, der das Rechnen mit Logarithmen vereinfacht.
1972Hewlett Packard entwickelt wissenschaftliche Taschenrechner.
Der Abakus ist ein Zähl- und Rechengerät, das seit der Antike in Gebrauch ist. Es gibt viele Formen, die aber alle nach demselben Prinzip arbeiten: Ziffern werden durch Zählsteine dargestellt, die für mehrstellige Zahlen in Zeilen oder Spalten angeordnet sind.
Der Name selbst könnte auf den Ursprung deuten. Das lateinische Wort abacus stammt vom altgriechischen abax ab, was »Brett« oder »Platte« bedeutet – eine mit Sand bestreute Fläche, auf der man zeichnen konnte. Der älteste erhaltene Abakus ist die Salaminische Tafel, eine Marmorplatte von etwa 300 v. Chr., die 1846 auf der griechischen Insel Salamis entdeckt wurde. Auf ihr sind horizontale Linien und Zahlzeichen eingeritzt, auf die man Zählsteine legte. Steine auf der untersten Linie stellten Zahlen bis 4 dar, Steine darüber hatten den Wert 5, dann 10, 50 usw.
Читать дальше