»Aber einige sind durchgekommen.«
Sheppard nickte. »Ja, einige sind durchgekommen«, gab er zu. »Aber wo können sie hin? Was können sie tun? Selmondayek wird für sie zur Todesfalle werden. Ich ziehe derzeit einen erheblichen Anteil unserer Invasionsstreitkräfte für einen vernichtenden Angriff gegen das System zusammen. Anstatt Dutzende Schlachten schlagen zu müssen, schlage ich nur noch eine große, um die Sache zu einem Ende zu bringen. Wir vernichten den Großteil von dem, was von den königlichen Streitkräften übrig ist. Und damit brechen wir ihnen endgültig das Rückgrat. Wo auch immer sich der kümmerliche Rest dann verbirgt, sie werden alle Hoffnung verlieren. Von diesem Moment an werden wir nur noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt sein.«
Pendergast schwieg eine ganze Weile, während er sich das Gesagte durch den Kopf gehen ließ. Schließlich nickte er verhalten. »Ich muss mich wohl bei Ihnen entschuldigen. Ein guter Plan, der einige Erfolgsaussichten aufweist.« Pendergasts Blick fokussierte sich plötzlich auf sein Gegenüber. »Aber ist Ihnen auch bekannt, dass vor einigen Tagen einem Verband der Durchbruch geglückt ist, in dessen Obhut sich Prinz Calvin befand?«
Sheppard biss sich derart fest auf die Unterlippe, dass ein wenig Blut austrat. Woher zum Teufel wusste der Mann denn das schon wieder? Die Worte Pendergasts bestätigten, was sich der Großadmiral schon längst gedacht hatte. Selbst in seinem innersten Kreis hatte der Präsident Spitzel, die ihn ohne Unterlass über die Fortschritte der Invasion auf dem Laufenden hielten, ungeachtet der offiziellen Berichte Sheppards.
Der Großadmiral entschied sich für die Flucht nach vorn. »Ja, das ist mir bekannt. Eine Unannehmlichkeit, nichts weiter.«
Pendergast lächelte. »Ich freue mich über Ihren Optimismus.« Das Lächeln schwand. »Ich muss hoffentlich nicht extra betonen, dass der Prinz die Belagerung von Selmondayek nicht überleben darf.«
Die unverblümten Worte schockierten den Berufsoffizier zutiefst. Sheppard war stolz auf seine Soldatenehre und sein Staatsoberhaupt hatte ihm gerade mehr oder weniger deutlich den Mord an einem Mitglied der königlichen Familie befohlen.
Der Großadmiral räusperte sich. »Herr Präsident, lebendig wäre Prinz Calvin deutlich …«
»Warum verstehen Sie nicht, was ich sage? Der Prinz wird die Schlacht nicht überleben. Haben Sie das verstanden, Sheppard?«
Abermals räusperte sich der solarische Offizier. Sosehr er sich aber bemühte, der Kloß in seinem Hals schien sich beim besten Willen nicht auflösen zu wollen.
Fast gegen den eigenen Wunsch neigte sich sein Kopf. Es erschreckte ihn selbst festzustellen, dass er gerade zustimmend nickte.
Pendergast wirkte überaus zufrieden. »Hervorragend. Führen Sie Ihre Verbände nach Selmondayek. Zerstören Sie den Restwiderstand.«
»Sir? Mein ursprünglicher Plan sah vor, noch mindestens acht bis zwölf Wochen mit dem Angriff zu warten. Unseren Analysen zufolge verbergen sich noch erhebliche Teile von Royal Navy, Army und Marines. Je mehr Royalisten wir in Richtung Selmondayek locken, desto weniger Probleme haben wir nach dem Ende der Belagerung.«
Pendergast winkte ab. »Unsinn! Ich will die Sache bereinigt haben. Endgültig.« Sheppard kniff leicht die Augen zusammen. Auf einen oberflächlichen Beobachter mochte der Präsident positiv wirken. Doch Sheppard blickte tiefer. Pendergast hatte Angst. Konnte es tatsächlich sein, dass Prinz Calvin für die Pläne der Solaren Republik eine ernsthafte Bedrohung darstellte? Er war nur ein Junge. Ohne Rückhalt durch seine Familie und mit einem Militär am Rande der Niederlage.
Sheppard bemerkte, wie Pendergast ihn immer noch drohend musterte. »Ich bin es nicht gewohnt, mich zu wiederholen, Sheppard. Gehen Sie nach Selmondayek und brechen Sie dort das, was vom royalistischen Widerstand noch übrig ist. Der Krieg endet in diesem von Gott verlassenen System. Haben Sie das verstanden?«
Sheppard neigte den Kopf in einer ergebenen Geste der Ehrerbietung. »Ja, Sir. Verstanden. Selmondayek wird fallen. Dafür stehe ich mit meinem Wort ein.«

Nur noch ein Sprung war nötig, um Selmondayek zu erreichen. Dank ihrer Eskorte von der Colonial Royal Navy hatte es keinen Zwischenfall mehr gegeben. Admiral Oscar Sorenson hatte Fragen, eine Menge. Aber seit ihrer ersten Begegnung liefen alle Schiffe auf Befehl Lord Hastings’ unter Funkstille. Daher mussten sämtliche Fragen warten, bis sie halbwegs sicheres Terrain erreichten.
Sorenson saß in seinem Quartier und arbeitete einige Berichte durch, als der Türsummer aufheulte. Der Admiral sah auf. »Herein!«
Die Tür öffnete sich und zwei Soldaten der Skulls erschienen auf der Bildfläche. Bei dem einen handelte es sich um Sergeant Wolfgang Koch, einen der verdientesten Scharfschützen der Einheit. Der andere war Private Ramsey Dawson. Und obwohl er der Sohn ihres erklärten Erzfeindes war, hatte sich der Mann inzwischen einen respektablen Ruf innerhalb der Einheit erarbeitet. Und für beide hatte Sorenson einen Auftrag in der Hinterhand, der keinem von ihnen gefallen dürfte.
»Meine Herren, bitte setzen Sie sich.« Der Admiral deutete auf die beiden ihm gegenüberstehenden leeren Stühle. Dawson und Koch wechselten einen verhaltenen Blick. Sie ahnten bereits, dass hier irgendetwas vor sich ging. Es gelang ihnen aber noch nicht, die Sache gedanklich einzuordnen.
Die zwei Soldaten nahmen zögerlich Platz. Sie wirkten ungewohnt nervös. Sorenson fand das amüsant. Ein Marine und ein Scharfschütze, die beide bereits Gefechtssituationen erlebt hatten, verschlug es den Atem, zum Admiral der Skull -Spezialeinheit gerufen zu werden.
Sorenson lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte die Männer eingehend. »Ich mache es kurz«, begann er. »Auf Sie beide wartet ein Auftrag von besonderer Brisanz. Ich bin überzeugt, dass Sie Einwände dagegen haben werden, aber lassen Sie mich bitte ausreden, bevor Sie mich damit belagern. Diese Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht, doch Sie sind einfach die perfekte Wahl für diese Aufgabe.«
Abermals wechselten Dawson und Koch einen kurzen Seitenblick. Es war eigentlich nicht mehr als ein schnelles Schielen in Richtung des Begleiters.
»Wir stehen stets zu Diensten«, machte Koch den Anfang.
»Wir übernehmen jede Aufgabe, die Sie uns zuweisen«, beeilte sich Dawson beizupflichten.
Sorenson nickte mit schmalem Lächeln auf den Lippen. »Es freut mich, das von Ihnen zu hören.« Er machte eine dramatische Pause. »Sie werden beide dem Prinzen als Personenschutz zugewiesen.«
Seine Gegenüber schwiegen für einen Moment schockiert. Und dann, als würden alle Dämme brechen, plapperten sie entgegen Sorensons ausdrücklichem Wunsch einfach los. Derart schnell und sich gegenseitig übertönend, dass der Admiral kaum ein Wort verstand. Er gestattete ihnen, sich ein wenig Luft zu verschaffen, bevor Sorenson mit erhobener Hand Einhalt gebot. Dennoch dauerte es einige Augenblicke, bevor tatsächlich Ruhe einkehrte.
»Ich verstehe Ihre Bedenken«, erklärte der Admiral. »Aber meine Entscheidung steht fest.« Er wandte sich Ramsey Dawson zu. »Sie werden dem Prinzen als persönlicher Steward dienen. Prinz Calvin wird nicht erfahren, dass Sie ein Marine sind und dass sein Schutz auch bei Ihnen oberste Priorität genießt. Sie werden dem Prinzen jederzeit zur Verfügung stehen, aber was Sie auch tun, der Schutz unseres designierten Königs hat für Sie oberste Priorität.« Dawson schluckte, sagte aber nichts.
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