Der Mann sagte einen unendlich erscheinenden Moment lang gar nichts. Er musterte einfach nur die beiden Offiziere, die ihm gegenüberstanden. Endlich rümpfte er die Nase. Die Begutachtung war abgeschlossen und Dexter wollte das Ergebnis lieber gar nicht wissen.
»Ich bin Vizeadmiral Geoffrey Lord Hastings vom Großschlachtschiff Pompeji, Kampfkommandant auf Selmondayek. Reihen Sie Ihre Einheiten in die Formation ein und halten Sie Funkstille. Wir eskortieren Sie auf sicheres Terrain.«
Dexter wollte seinen Dank aussprechen, Hastings kappte die Verbindung, bevor er die Gelegenheit dazu erhielt.
»Freundlicher Bursche«, murmelte Sorenson.
»Immerhin hat er uns den Arsch gerettet«, flüsterte Dexter zurück. »Aus diesem Grund bin ich bereit, ihm einiges durchgehen zu lassen. Immerhin sind wir Verbündete.«
Sorenson zuckte die Achseln. »Würde mich nur interessieren, ob der das auch weiß.«
Die Worte des Admirals brachten in Dexter eine besorgte Note zum Klingen. Er verzichtete jedoch auf eine Antwort. Die Zeit, das zu klären, hatten sie immer noch, sobald sie Selmondayek erreichten.
Und während die königliche Verstärkung Skulls und Piraten in ihre Mitte nahmen, um den Sprung aus dem System durchzuführen, blieb den Solariern nichts anders übrig, als ihre Feinde gewähren zu lassen. Plötzlich fanden sie sich in der Position des zahlenmäßig Unterlegenen wieder. Eine für die Invasoren ungewohnte Rolle. Keiner der Solarier verspürte den Wunsch, heute zu sterben. Daher waren sie geneigt, den Ausgang der Auseinandersetzung zähneknirschend zu akzeptieren. Aber eines wussten sie: Dieses Gefecht war lediglich der Auftakt zum Kampf um die letzte Hochburg des Königreichs. Sie würden ihrem Feind schon bald erneut gegenüberstehen. Sobald die Schlacht um Selmondayek ausbrach.
Teil II
Die Belagerung von Selmondayek
7 
19. Mai 2647
Großadmiral Gale Sheppard von den Streitkräften der Solaren Republik musterte seine acht untergebenen Offiziere mit ernstem Gesichtsausdruck. Sechs von ihnen waren lediglich als Hologramm anwesend, die zwei anderen physisch. Alle acht Commodore standen in Habtachtstellung vor ihrem Befehlshaber.
Sheppard entließ die sechs Männer und zwei Frauen aus seinem Blick und schüttelte bekümmert den Kopf. »Wissen Sie, warum ich Sie herzitiert habe?«
Die acht Offiziere starrten immer noch starr über Sheppards Scheitel hinweg auf die Rückseite seines Büros an Bord des Großschlachtschiffes New Zealand.
Sheppard lehnte sich in dem Stuhl zurück. Sein stechender Blick glitt nacheinander die Reihe der angetretenen Männer und Frauen ab.
»Niemand hat eine Idee?«, hakte er nach. »Nicht einer von Ihnen?«
Sheppards rechter Mundwinkel zog sich langsam nach oben. Sie wussten genau, warum sie hier waren. Aber keiner hatte den Schneid, es einzugestehen. Niemand wollte der Erste sein, der den Finger auf die offene Wunde legte.
Der Großadmiral beugte sich vor und betätigte einen Knopf an seinem Schreibtisch. Ein integrierter Holoprojektor erwachte zum Leben und eine aufgezeichnete Szene begann abzulaufen. Ein halbes Dutzend königlicher Schiffe versuchte, vor der doppelten Anzahl solarischer Einheiten zu fliehen. Kurz vor Erreichen eines der Lagrange-Punkte wurden sie jedoch abgefangen. Es entbrannte ein kurzes Gefecht, in dem vier königliche und drei solarische Schiffe zerstört wurden. Die überlebenden zwei royalen Einheiten signalisierten die Kapitulation. Beide waren schwer angeschlagen und kaum noch raumtauglich.
Die Solarier stellten kurz unschlüssig das Feuer ein – dann zerstörten sie beide Schiffe mit wenigen Salven, drehten ab und kehrten auf ihre Patrouillenroute zurück. Sheppard hielt die Aufzeichnung an. Die eingefrorene Szene zeigte jetzt das Trümmerfeld, das von den Royalisten übrig geblieben war, und die Kennung des solarischen Führungsschiffes.
Sheppards Augenmerk blieb auf einem der weiblichen Offiziere hängen. Diese begann sich unter dem unerbittlichen Blick ihres Vorgesetzten zu winden. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn.
»Commodore Sanchez.« Sheppard vergrößerte die Kennung des Kreuzers. Der Name auf der Steuerbordseite war jetzt unangenehm deutlich erkennbar. »Wenn mich nicht alles täuscht, ist das Ihr Schiff.«
Die Frau nickte abgehackt wie ein Roboter. »Ja, in der Tat, Sir.«
»Würden Sie mir das erklären?«
Sanchez räusperte sich. »Da gibt es nicht viel zu erklären, Admiral. Wir stöberten einige Royalistenschiffe auf und brachten sie zur Strecke. Punkt.«
Abermals lehnte sich Sheppard in seinem Stuhl zurück. »Punkt«, wiederholte er. »Das ist alles? Mehr haben Sie nicht zu sagen? So einfach ist das für Sie?«
Die Frau senkte den Kopf und sah ihm erstmals direkt in die Augen. Sie zuckte die Achseln. »Es ist Krieg und meine Leute haben den Feind zerstört. Das macht man im Krieg.«
Sheppard seufzte tief auf. Diese Antwort hatte er erwartet. Dennoch enttäuschte sie ihn auf mehreren Ebenen, wie er es nie für möglich gehalten hätte.
Erneut maß er jeden der Anwesenden mit festem Blick. »Sind Sie alle dieser Meinung?«
Die Männer und Frauen rührten sich nicht. Sheppard hatte sogar den Eindruck, sie vermieden es zu atmen. Er wusste genau, dass sie alle Sanchez’ Meinung teilten. Und das war äußerst gefährlich.
Sheppard erhob sich. »Kapitulation wird immer akzeptiert.« Der Großadmiral war ein imposanter Mann, dennoch sprach er in ruhigem Tonfall. Seine Präsenz genügte bereits, seine Untergebenen einzuschüchtern. »Ein Krieg wird nicht nur darin beurteilt, wer ihn gewonnen hat, sondern auch, wie er geführt wurde.« Er rümpfte die Nase. »Mir liegen ähnliche Aufzeichnungen von Ihnen allen vor. Ich nehme an, wir sind uns einig, dass das, was Sie getan haben, ein Kriegsverbrechen darstellt.«
Einer der männlichen Commodore prustete. »Wer soll uns schon anklagen?« Die Bemerkung löste unterdrücktes Kichern bei den anderen sieben aus. Es endete erst, als den Anwesenden klar wurde, dass Sheppard in die allgemeine Heiterkeit nicht mit einstimmte.
Der Großadmiral trat näher, bis nur noch eine Handbreit Platz zwischen den Nasen beider Männer war. »Wie wäre es mit mir, Commodore Fournier?«
Darauf wusste dieser keine Antwort. Sheppard trat ein paar Schritte zurück, bis er alle acht wieder im Blick hatte. »Sie haben großes Glück, dass ich jeden einzelnen Offizier brauche, wenn wir den Krieg gewinnen wollen.« Das war nur die halbe Wahrheit. Wenn es nach Sheppard ginge, würde er diese acht Offiziere als mahnendes Beispiel vor ein Tribunal stellen und wegen begangener Kriegsverbrechen hinrichten lassen – damit andere darüber nachdachten, bevor sie über die Stränge schlugen.
Nur leider war das dieses Mal nicht wirklich einfach. Die vor ihm angetretenen Offiziere waren Günstlinge Pendergasts. Der Präsident hatte sie selbst auf ihre Posten gehievt. Das kam mittlerweile ärgerlich häufig vor. Offiziere wurden immer mehr aufgrund ihrer politischen Ansichten und weniger wegen ihrer Befähigung berufen. Dem Präsidenten war es weitaus wichtiger, Rückhalt beim Militär zu besitzen, als überhaupt eine handlungsfähige und moralisch integre Streitmacht zu unterhalten.
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