Männer wie Sheppard bemühten sich, das Schlimmste zu verhindern, indem sie die Leute an die Kandare nahmen und ihnen einige Prinzipien in den Kopf hämmerten. Es wurde aber zunehmend schwierig. Diese acht hatte er bereits als lernresistent abgeschrieben. Es handelte sich rein formal um gute Offiziere, die sogar einiges auf dem Kasten hatten. Doch jeder einzelne dieser Dummköpfe besaß die Moral eines Straßenköters.
Ihre Verbindung zu Pendergast machte es darüber hinaus sehr schwierig, sie in irgendeiner Form zur Verantwortung zu ziehen. Der Mann hielt seine schützende Hand über diese Kreaturen. Quitt pro quo. Sie unterstützten ihn und dafür förderte der Präsident deren Karriere. Es war schlichtweg zum Mäusemelken.
Die acht Commodore harrten weiterhin in der Habtachtstellung und erwarteten gespannt Sheppards nächste Worte. Der Großadmiral kehrte hinter den Schreibtisch zurück und setzte sich. Er strich seine ohnehin makellose Uniform glatt.
»Jeder von Ihnen erhält einen formalen Verweis in seiner Akte und wird für mindestens fünf Jahre für Beförderungen gesperrt.«
Die acht Offiziere erstarrten. Kaum verhohlener Zorn huschte über das Gesicht Einzelner. Es war klar, dass sie sich ungerecht behandelt fühlten.
»Sie dürfen wegtreten«, erklärte der Großadmiral. Als sich keiner seiner Untergebenen rührte, blickte er teils verwundert, teils genervt auf. »Ja? Sie möchten noch etwas loswerden?«
Es war Sanchez, die das Wort ergriff. »Sir, Ihre Beurteilung ist nicht fair.«
Sheppard tippte unruhig mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte. Er stand kurz davor, seine Geduld zu verlieren. Offenbar war diesen Leuten nicht klar, wie sanft er mit ihnen umgesprungen war. Ihre Verfehlung hätte weitaus schlimmere Konsequenzen verdient, aber sie waren lediglich mit einem Klaps auf die Finger davongekommen.
Sheppard behielt seine neutrale Miene nur mit Mühe aufrecht. »Unfair? Inwiefern?«
»Präsident Pendergast war in seiner Wortwahl eindeutig«, sprach Sanchez weiter. »Gewinnt diesen Konflikt. Das waren seine Worte.«
»Pendergast ist nicht hier«, versetzte Sheppard ungerührt. »Und er muss auch nicht diesen Krieg führen, den er angefangen hat.« Mit jedem Wort wurde die Stimme des Großadmirals lauter. Bei seinem letzten Kommentar verstummte er jedoch. Sheppard bemerkte, wie die angetretenen Offiziere unruhig wurden und ein berechnendes Funkeln in ihre Augen trat. Sheppard befand sich schon vor dem Amtsantritt des Präsidenten auf seinem Posten. Er war ein loyaler Offizier, aber nicht Pendergasts Mann. Eine derart unverblümte Ausdrucksweise hatte schon zur Entlassung von Befehlshabern geführt. Einige hatte Sheppard gut gekannt.
Der Präsident war dabei, die alte Garde nach und nach auszutauschen. In Sheppards Fall hatte es Pendergast noch nicht gewagt, gegen ihn vorzugehen. Unter anderem auch deshalb, weil Sheppard selbst bei seinen Kritikern innerhalb des Militärs höchstes Ansehen genoss. Aber auch, weil er Pendergast keinen Grund gab, an seiner Loyalität zu zweifeln.
Daher musste Sheppard auch sehr vorsichtig sein, um dem Präsidenten keine Munition zu liefern, die letztendlich zu seiner Entlassung führen könnte.
»Der Präsident wird davon erfahren«, maulte Sanchez ein letztes Mal.
»Von mir aus«, gab Sheppard unwirsch zurück. »Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen!«
Die sechs Hologramme verblassten und die zwei körperlich anwesenden Commodore salutierten, bevor sie Sheppards Büro verließen. Die Tür schloss sich zischend hinter ihnen.
Mindestens einer von denen würde sich alsbald wie möglich eine Komverbindung zum Präsidenten geben lassen und petzen. So wie kleine Kinder das für gewöhnlich taten.
Der Großadmiral atmete aus, als wäre seine Lunge ein Blasebalg. Er verzog die Miene zu einem zynischen Grinsen. »Das war dumm, alter Junge«, schalt er sich selbst. Er schaltete das Hologramm ab. Die Raumschiffe über der Tischplatte verblassten.
»Großadmiral Sheppard?«, meldete sich sein Adjutant über Komlink.
Mit einer leichten Berührung hinter dem rechten Ohr bestätigte der Großadmiral eine Zwei-Wege-Verbindung. »Ich höre, Major?«
»Wir erhalten soeben eine Übertragung von Präsident Pendergast.«
Sheppard verzog die Miene. Für einen Augenblick erwog er, dass sich einer der gerade gedemütigten Offiziere schon beschwert hatte. Dies schien aber eher unsinnig. Eine Nachricht zur Erde benötigte selbst mit höchster Priorität mehrere Tage. Und nur Admiräle besaßen die Berechtigung für eine Echtzeitsatellitenstafette. Sheppard fragte sich, was der Kerl wohl von ihm wollte. »Wenn man vom Teufel spricht«, flüsterte er.
»Sir?«, wollte sein Adjutant wissen.
»Ach, nichts«, gab Sheppard genervt zurück. »Speichern Sie die Nachricht ab. Ich sehe sie mir später an.«
Der Major zögerte. »Es handelt sich um eine Echtzeitübertragung.«
Sheppard merkte auf. So was war extrem teuer. Wenn Pendergast bereit war, die Kosten dafür aufzubringen, dann war ihm etwas ziemlich wichtig.
Der Großadmiral atmete einmal tief durch. »Stellen Sie ihn durch, Victor.«
Der in seinen Schreibtisch integrierte Holoprojektor erwachte erneut zum Leben und Pendergasts Gestalt von der Hüfte aufwärts erschien vor dem Großadmiral.
Sheppard erhob sich und salutierte vor seinem Staatsoberhaupt, während in den Eingeweiden des Großadmirals der Unmut wuchs. Pendergasts Hologramm sah auf ihn herab. Er hegte keinerlei Zweifel, dass dies auch beabsichtigt war. Pendergast hätte seine Gestalt problemlos in Lebensgröße darstellen lassen können oder auch schlicht seinen Kopf. Aber Sheppard hatte schon bei verschiedenen Gelegenheiten festgestellt, dass der neue Präsident der Solaren Republik es liebte, seine Gegenüber an ihren Platz zu erinnern.
»Präsident Pendergast«, begrüßte er den Mann in neutralem Tonfall.
»Sheppard«, grüßte Pendergast zurück.
Der Präsident unterließ es, den Rang seines Ansprechpartners zu benutzen. Das war wieder mal typisch. Es war einer dieser kleinen Stiche, für die Pendergast inzwischen berühmt-berüchtigt war. Damit ließ er seinen Unmut erkennen, ohne sich in Tonfall oder Wortwahl zu vergreifen.
»Mir sind einige beunruhigende Dinge zu Ohren gekommen«, fuhr der Präsident fort.
Sheppard neigte fragend leicht den Kopf zur Seite, erwiderte aber nichts. Pendergast runzelte die Stirn. Damit hatte er nicht gerechnet. Sheppard gönnte diesem nicht die Genugtuung nachzufragen, sondern überließ dem Präsidenten das Wort.
»Eine erhebliche Anzahl feindlicher Streitkräfte sammelt sich bei Selmondayek«, fuhr der Präsident schließlich fort.
»Das ist mir bekannt.«
»Das ist Ihnen also bekannt«, wiederholte Pendergast die Worte seines Großadmirals. »Dürfte ich freundlichst fragen, was Sie dagegen zu tun gedenken?«
Die betont freundliche Art des Präsidenten täuschte Sheppard nicht eine Sekunde. Der Mann kochte innerlich vor Zorn.
»Sie gehen von falschen Prämissen aus«, gab Sheppard zurück.
»Tatsächlich?«
»Ja, tatsächlich. Der Fluchtweg nach Selmondayek ist keineswegs ungewollt offen geblieben.«
Pendergasts Augenbrauen wanderten beide nach oben. »Erklärung?«, forderte er knapp.
»Anstatt die übrig gebliebenen royalen Verbände zu jagen und mühsam Stück für Stück aufzureiben, habe ich Ihnen einen Funken Hoffnung gelassen. Sie streben derzeit wie die Motten zum Licht. Und genau wie diese Insekten kommen sie dem Feuer zu nahe … und verbrennen.« Das Gesicht des Großadmirals zeigte ein freudloses Lächeln. »Ich habe auf jeder infrage kommenden Sprungroute Schiffe im Hinterhalt liegen. Es ist uns bereits gelungen, eine erhebliche Anzahl royaler Einheiten zu vernichten. Sie alle befanden sich auf dem Weg nach Selmondayek.«
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