»Beschaffer seltener Gegenstände«, beharrte Kilgannon.
»Vielleicht sollten wir die ganze Angelegenheit lieber vergessen«, warf Cat ein. Natascha unterstützte den Vorschlag mit verhaltenem Nicken.
Der ehemalige RIS-Agent musterte sein Gegenüber scharf. Dieser schüttelte den Kopf. »Das wäre ein Fehler. Mein einstmaliger Arbeitgeber hat Männer, Waffen, Ressourcen und eine Menge Einfluss weltweit. Wenn er uns nicht helfen kann, dann sind wir ohnehin erledigt.«
MacTavish grübelte angestrengt über die Worte Kilgannons. Was jedoch letztendlich den Ausschlag gab, war die nächste Bemerkung des Mannes.
»Welche Alternative haben wir denn?«
»Also gut, auf deine Verantwortung. Und du kommst mit.«
»Auf keinen Fall. Der Kerl schlägt Leuten, die ihm ans Bein pissen, gern mal den Kopf ab.«
»Das wird ja immer besser«, sagte Natascha mit Augen, die immer größer wurden.
»Keine Sorge«, winkte Kilgannon ab. »Das kommt kaum noch vor. Ich hörte, in den letzten Jahren ist er sehr viel ruhiger geworden.« Er machte eine verkniffene Miene. »Aber in meinem Fall könnte er versucht sein, zu alten Verhaltensweisen zurückzukehren.«
»Keiner von uns spricht auch nur ein Wort Japanisch«, gab MacTavish zu bedenken.
»Das ist kein Problem. Der Mann spricht ein Dutzend Sprachen.« Der Pionier grinste. »Du wirst sehen, ihr werdet euch blendend verstehen.«
Kilgannon übernahm erneut die Führung. Gemeinsam erreichten sie das Foyer. Auf dem Platz vor dem Hotel wartete bereits ein Taxi auf die Gruppe.
Der Fahrer wusste offenbar schon, wo es hingehen sollte. Die Fahrt dauerte keine zehn Minuten und der Wagen hielt vor einem Restaurant. Kilgannon bezahlte den Mann und gemeinsam stiegen sie aus. Der Fahrer hatte es offenbar sehr eilig, diesen Teil der Stadt zu verlassen. Er gab Vollgas und brauste davon, wobei er fast einige Passanten auf die Motorhaube nahm.
MacTavish musterte das Etablissement mit der aufdringlichen, knallbunten Neonwerbung von oben bis unten, bevor er sich abermals Kilgannon zuwandte. »Ein Restaurant? Wirklich? So ein Klischee?«
Der Pionier zuckte die Achseln. »Klischees besitzen manchmal ihre Daseinsberechtigung.«
MacTavish ließ das mal unkommentiert so stehen und schüttelte den Kopf. »Bringen wir es einfach hinter uns.« Er setzte sich in Bewegung, aber der Eindruck verstärkte sich immer mehr, dass dies keine gute Idee war.
Die Gruppe betrat das Restaurant. Es war überraschend gut besucht. Kaum ein freier Stuhl war zu finden. Der ganze Raum roch angenehm nach Huhn und verschiedenen Gemüsesorten. Sein Magen begann unwillkürlich zu knurren. Es erinnerte ihn daran, dass sie sich bereits seit geraumer Zeit nur von der Hand in den Mund ernährten. Eine warme Mahlzeit wäre nicht das Schlechteste.
Kilgannon erriet seine Gedanken. »Freu dich nicht zu früh. Das hier ist nur ein Zwischenstopp.« Auf einen fragenden Blick MacTavishs hin zuckte der Pionier lediglich die Achseln. »Wie gesagt, die Leute müssen vorsichtig sein, sonst sackt die Polizei sie ein.«
Eine Kellnerin bemerkte die Gruppe und wusste anscheinend schon, weshalb sie hier waren. Mit einem Kopfnicken deutete sie auf das Hinterzimmer.
Kilgannon gab MacTavish einen leichten Stoß und dieser setzte sich zögernd in Bewegung. Er bemerkte, wie der Pionier versuchte zurückzubleiben. MacTavish packte ihn kurzerhand beherzt am Kragen und schleifte ihn mit.
»Du bleibst schön bei uns«, flüsterte er ihm zu.
»Ich dachte, das hätten wir geklärt«, antwortete Kilgannon und wehrte sich dabei halbherzig. Als sie das Hinterzimmer erreichten, hörten dessen Bemühungen, sich zu befreien, auf. Gleichzeitig meldete sich Ozzy zu Wort.
»Boss«, warnte die KI, »hier stimmt was nicht! Ich orte die Herzschläge mehrerer Personen.«
MacTavish hielt schlagartig inne. »Wie viele?«
»Zu viele.«
In diesem Moment stürmten ein Dutzend Männer aus versteckten Nischen. Jeder von ihnen war durchtrainiert und bewaffnet. MacTavish schlug den ersten einfach nieder und brach dem zweiten mit einem komplizierten Judogriff den linken Arm.
Die beiden Frauen waren schnell überwältigt und lagen bewusstlos am Boden. Der RIS-Agent bemerkte, dass sich Kilgannon überhaupt nicht wehrte. Der Pionier schüttelte schlicht den Kopf.
»Es hat keinen Sinn. Lass es einfach sein.«
MacTavishs ganzer Instinkt schrie nach Gegenwehr. Beim RIS bildete man keine Weicheier aus. Wer das anspruchsvolle Training bis zum Ende durchstand, war ein Profi im Umgang mit den meisten Waffen sowie dem waffenlosen Nahkampf. Und obwohl er wusste, dass Widerstand gegen eine solche Übermacht kaum Aussicht auf Erfolg hatte, kämpfte er weiter. Es gelang ihm, noch einen Gegner auszuschalten, bevor man ihm von hinten ein Tuch auf Nase und Mund drückte. MacTavish nahm den chemisch-süßlichen Geruch von Chloroform wahr. Vor seinen Augen verschwamm alles. Sämtliche Farben wurden zu einem einheitlichen Brei, bevor bei ihm endgültig die Lichter ausgingen.
6 
»Achtung, Einschlag!«
Der Ruf hallte über die Flaggbrücke der Normandy, und obwohl die Schildblase des Großschlachtschiffes voll ausgefahren war, verkrampften sich Dexters Hände unwillkürlich um den Rand des Holotanks. Es handelte sich um eine instinktive, menschliche Reaktion, gegen die man nichts ausrichten konnte.
Die Torpedowelle der Solarier traf den fliehenden Verband an Steuerbord und hämmerte brutal auf die aktivierten Schilde ein. Auf einer Seite des taktischen Hologramms war jedes Schiff der kleinen Flotte als Symbol dargestellt und daneben die aktuelle Schildstärke.
Bei der Normandy sank aufgrund des Beschusses die Energieleistung auf achtundsiebzig Prozent. Das war immer noch sehr gut. Daher wurde die Zahl in Grün dargestellt. Bei anderen Schiffen des Verbands leuchtete sie bereits Rot. Eine Eskortfregatte der Piraten besaß nur noch neun Prozent Schildstärke. Die Zahl leuchtete nicht nur Rot, die Anzeige pulsierte darüber hinaus. Es war keine Frage mehr, ob die Fregatte ihren Schutz einbüßen würde, sondern wann.
Flagglieutenant Daniel Dombrowski gesellte sich an Dexters Seite. »Die sind ganz schön hartnäckig. Eine halbe Stunde kontinuierlichen Beschusses.«
»Und ihre Bemühungen fangen an, Früchte zu tragen«, bemerkte Dexter. »Ich würde unglaublich gern zurückschießen, aber dafür müssten wir den Bug neu ausrichten und das würde unsere Geschwindigkeit schmälern. Dann holen sie uns noch schneller ein.«
»Was bleibt dann noch zu tun übrig?«, wollte der Flagglieutenant wissen.
»Wir gehen weiter vor wie gehabt. Sobald der Gegner erneut feuert, schalten wir die Schilde aus, setzen Abfangraketen ein, um ihre Geschossdichte auszudünnen, und aktivieren die Blase dann wieder. Eine andere Wahl bleibt uns nicht. Die zermürben uns langsam. Und ich lasse mir von denen kein Gefecht aufzwingen, das wir hundertprozentig verlieren.«
»Wir werden Schiffe einbüßen, bis wir L5 erreichen«, gab Dombrowski zu bedenken.
»Als ob ich das nicht wüsste, aber solange der Prinz entkommen kann, ist es ein Sieg. Egal, wie hoch der Preis auch sein mag.«
»Das wird Sokolow anders sehen. Seine Schiffe stellen die äußere Verteidigung.«
Dexter atmete tief ein. »Er sitzt genauso in der Scheiße wie wir auch. Unser Piratenfreund wird daher in den sauren Apfel beißen müssen.«
Dombrowski merkte auf. »Neue Torpedowelle im Anflug.«
Читать дальше