Priscilla lachte auf. „Die Wistlers dealen doch mit den Schwarzen.“
Und ich fügte hinzu: „Ha, fauler als Weiße : Mit der Hausarbeit in der Wistler’schen Zweizimmerwohnung dürfte Wistler auch nicht gerade überfordert sein.“
„Ich hab das Gefühl, er tut sonst nichts“, bekräftigte Priscilla.
„Wenn man bedenkt, dass er vor Jahren mal selbständig war …“, seufzte die Rauhaar, als tue es ihr auf einmal leid, dass sie Herrn Wistler in den Kreis der Verdächtigen aufgenommen hatte.
Ich argwöhnte stark, Wistler hatte noch nie etwas getan. Manche Leute machen sich selbständig, damit kein Chef ihnen Arbeit auflädt. Sie fangen etwas an, der Anfang ist meist schnell gemacht, aber bald geht es an die Einzelheiten, kommt die Schufterei, der Teufel steckt im Detail, und dann steigen sie aus und fangen das nächste Projekt an, weil der Anfang immer einfach ist. Die erste Idee kommt geflogen, die ersten Kontakte sind leicht geknüpft, man zeigt anfangs einen Elan, der vertrauenerweckend ist, aber zu nichts, nie zu etwas führen wird.
„Und was ist eigentlich mit der Mooskop?“, fragte Priscilla ins Blaue hinein.
„Die Mooskop?“ Frau Rauhaar wirkte irritiert. „Die doch nicht... Die arme alte Frau hat niemandem je etwas zuleide getan. Sie kann sich außerdem vor Arthritis kaum noch bewegen.“
„Ich meine doch nicht, dass sie verdächtig ist, nur dass ich sie seit Freitag nicht mehr zu Gesicht bekommen habe.“
Die Rauhaar winkte ab. „Ach, die arme Frau Mooskop. Die sehe ich nur alle paar Tage. Ihr wisst doch, sie hat Angst, die Wohnung zu verlassen, und tut es nur, wenn sie unbedingt muss.“
Ich sah die Mooskop ebenfalls nur selten. Meistens roch ich sie lediglich. Wenn sie ausging, hing im Aufzug ein Geruch von Kampfer oder Naphthalin. Seit Zimmermann die Partys veranstaltete und auch die Mooskop einlud, lebte sie sichtbar auf. Sie kam parfümiert und geschminkt, und ihre Kleidung sah frisch gebügelt aus, war ohne jeden Fleck. Alte Menschen vernachlässigen sich oft. Und auch, weil sie fast immer schlecht sehen, laufen alle früher oder später mit schmutziger Kleidung herum. Die Mooskop lächelte bei Zimmermann, sie trank mit Lust ein Gläschen, sie sprach meistens mit der Rauhaar zwei, drei Sätze, fragte mich freundlich, wie es mir ging. Sie kam richtig aus sich heraus. Nur wenn ich sie draußen traf, auf dem Weg zum Supermarkt, tippelte sie so hastig und mit besorgter, stur nach vorne gerichteter Miene daher, als fürchte sie, jederzeit auf der Straße angegriffen zu werden. Man durfte sie dann nicht grüßen; sie eilte, wenn sie einen hörte, so schnell weiter, dass man Angst bekam, sie könne stürzen. Dabei hielt sie die Einkaufstasche, in der ihr Portemonnaie sein musste, eng an die Brust gepresst.
„Sollen wir nach der Mooskop sehen?“, fragte ich die anderen.
„Ich glaube, die kriegt nur Angst, wenn wir bei ihr läuten“, meinte Priscilla.
Die Rauhaar beruhigte uns: „Sie wird herauskommen. Spätestens, wenn das Taubenfutter zu Ende geht. Ich werde bei meinen nächsten Kontrollgängen auf sie achten.“
Kontrollgängen : Ich hustete, um nicht in Lachen auszubrechen. Ich wollte nicht unhöflich sein.
Warum hatte mich die Rauhaar am Sonntagabend eigentlich nicht auch in die Besenkammer eingeladen, fragte ich mich noch? Auch wenn ich natürlich abgesagt hätte, kam ich mir doch irgendwie ausgeschlossen vor. Vielleicht lag es daran, dass nur zwei Sitze reinpassten … Oder sie ahnte, dass ich sie weniger ernst nahm als Priscilla, und wollte keinen Korb riskieren.
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