Ulrich Hefner
Das Haus in den Dünen
Ostfrieslandkrimi
Ulrich Hefner wurde 1961 in Bad Mergentheim geboren. Er wohnt in Lauda-Königshofen, ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Hefner arbeitet als Polizeibeamter und ist freier Autor und Journalist. Er ist Mitglied in der IGdA (Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren), im DPV (Deutschen Presseverband) und im Syndikat. Weiterhin ist er Gründungsmitglied der Polizei-Poeten. Die Polizei-Poeten veröffentlichten inzwischen vier Bücher, die nicht nur in Polizistenkreisen auf großes Interesse stießen. Neben der Krimiserie um den Ermittler Martin Trevisan, die inzwischen aus sechs Bänden besteht, sind inzwischen auch drei Thriller erschienen, die bereits in mehrere Sprachen übersetzt wurden. www.ulrichhefner.deund www.autorengilde.de.
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2020
(Originalausgabe erschienen 2008 im Leda-Verlag)
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: Katrin Lahmer
unter Verwendung eines Fotos von: © DR pics / stock.adobe.com
ISBN 978-3-8392-6504-8
Gewidmet all meinen Kolleginnen und Kollegen,
die mich unterstützen –
insbesondere
dem Polizeirevier Tauberbischofsheim
und der Dienstgruppe »C«.
Hinter den Dünen, weit draußen in der Dunkelheit,
umgeben vom Sand
steht ein einsames Haus,
in der Stille.
Die Schreie verebbten,
im Tosen des Sturms,
hallten unhörbar wider
in der Einsamkeit der
verwundeten Seele.
Der kühle Wind strich über seine heißen Wangen. In der Ferne flimmerte der glühend rote Horizont und helle Schwaden stiegen dem dunklen Himmel entgegen. Der Geruch von Feuer und Rauch bedeckte das zarte Sanddornaroma und durchsetzte die salzig frische Luft mit einer beißenden Schärfe. Im flackernden Licht tanzten die Gräser auf den Dünen und bogen sich im Wind. Die Kraft des reinigenden Feuers. Er liebte diesen Anblick. Er brachte ihm eine tiefe innere Zufriedenheit. Die gelben Flammen schlugen aus dem riedgrasgedeckten Dach und kleine glühende Flammenteufel tanzten beflügelt von der Hitze in die schwarze Höhe. Das Feuer vertilgte die Schreie der Dämmerung und eine friedliche Ruhe legte sich über den Strand.
Feuer, Wasser, Luft und Erde. Die Elemente allen Daseins. Feuer bedeutete Wärme und Reinheit zugleich. Es war vielleicht nicht das maßgebliche aller Elemente, aber für ihn war es das wichtigste, denn es hatte die Macht, alle Sünden und alle Schuld zu tilgen.
Einst wurden die Hexen der reinigenden Kraft des Feuers übergeben, weil das Böse, das in ihnen wohnte, nur durch die Kraft der Reinheit besiegt werden konnte. Er hatte aufgepasst, als dieses Kapitel in der Schulstunde behandelt wurde. Ein dunkles Kapitel der Kirche, hatte der Lehrer damals gesagt. Aberglaube, übersteigerte Phantasien, Produkte einer unaufgeklärten und mystischen Zeit voller Angst und Misstrauen. Der Lehrer hatte keine Ahnung, er machte sich überhaupt keine Vorstellung von der Macht der Flammen. Waren es nicht Ezechiel und Gabriel, die ein flammendes Schwert mit sich geführt hatten, um gegen die Ausgeburten der Hölle gefeit zu sein?
Prometheus hatte den Menschen einst das Feuer gebracht und damit ihr Leben bereichert. Zeus, der Gott aller Götter, hatte ihn dafür zur Strafe an einen Felsen schmieden lassen. Gefesselt und zu keiner Bewegung fähig ertrug Prometheus sein Schicksal. Nacht um Nacht kamen die Adler vom Olymp und labten sich an seiner Leber, während er sich unter Schmerzen wand. Feuer war eine göttliche Gabe, ein Geschenk an die Menschen, der Opferbereitschaft eines göttlichen Schöpfers der Menschheit zu verdanken, der nun tagaus, tagein für sein Tun leiden muss, bis in alle Ewigkeit. Feuer, Gottes Gabe in jeder Mythologie. Lehrer, was wussten die schon vom Leben.
… denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer …
Er horchte auf. Stimmen, lautes Rufen überlagerte das Knistern der Flammen. Sie kamen über den Dünenweg, doch es war zu spät, sie würden das fressende und wütende Feuer nicht mehr aufhalten können. Krachend stürzte das Dachgebälk in die Mauern. Funken stoben dem Himmel entgegen. Wie ein Feuerwerk erhellten sie den Strand.
Schon huschten die ersten Gestalten durch die sandige Mondlandschaft. Sie hasteten auf das Haus in den Dünen zu, das nur noch ein gleißender Feuerball war.
Er erhob sich, die abendliche Vorstellung hatte ihren Höhepunkt erreicht und es wäre unklug, sich hier draußen erwischen zu lassen. Er stolperte den Dünenabhang hinab und wandte sich in Richtung Osten, während im Hintergrund der Horizont im Feuerschein erglühte.
Die Taschen wogen schwer. Es war Freitag, der Nachmittag war angebrochen und Regenwolken lagen über der Stadt. Früher war sie öfter in die Stadt gegangen, doch in der letzten Zeit empfand sie eine tiefe Müdigkeit und musste sich zwingen, den beschwerlichen Weg auf sich zu nehmen. In einer Stunde würde Veronika in die kleine Dreizimmerwohnung im Osten der Stadt zurückkommen, und Veronika würde hungrig sein. So wie immer, wenn sie nach ihrer harten Arbeit nach Hause kam. Und nach dem Essen würde Veronika auf ihrem Zimmer verschwinden, sich auf das Bett legen und den kleinen Fernseher einschalten. Das hatte sie sich verdient, schließlich ernährte sie die Familie oder das, was von ihr übrig geblieben war.
Paps lag schon seit Jahren in seinem kühlen Grab auf dem Westfriedhof und ruhte sich von einem harten und arbeitsreichen Leben aus. Und Thomas lag nicht weit entfernt davon. Der arme Junge, viel zu früh aus dem Leben gerissen.
Ein Verkehrsunfall, hatte die Polizei damals gesagt. Er war auf gerader Strecke mit seinem Wagen von der Fahrbahn abgekommen und hatte einen Brückenpfeiler gerammt. Der Wagen war in Flammen aufgegangen. Die Polizisten waren in Begleitung eines Pfarrers gekommen und hatten versucht, Trost zu spenden. Und wissen wollen, was für ein Leben Thomas geführt hatte, ob es Probleme gegeben und ob er Tabletten genommen hatte. Unter Tränen hatte sie den Kopf geschüttelt. Es war ihr nicht schwergefallen, überrascht und fassungslos zu wirken. Auch wenn man eigentlich weiß, was geschehen wird, ist es erschütternd, wenn die Vorahnung von der Wirklichkeit eingeholt wird. Denn von diesem Zeitpunkt an ist alles Hoffen und Beten vergebens.
Die Polizisten hatten sich in seinem Zimmer umgeschaut. Ein aufgeräumtes Zimmer. Thomas hatte Schlamperei gehasst und war mit seinen Sachen stets penibel umgegangen. Sie hatten den Brief nicht gefunden, wie auch. Er war längst in der Schublade des Wohnzimmerschrankes verschwunden. Dort lag er noch heute. Sie hatte ihn nie mehr hervorgeholt.
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