Artikel 5:105: Bezug auf den Vertrag als ganzen
Bedingungen werden im Lichte des ganzen Vertrages ausgelegt, in dem sie enthalten sind.
Artikel 5:106: Wirksamkeitsorientierte Auslegung
Eine Auslegung, nach der die Vertragsbedingungen rechtmäßig oder wirksam sind, genießt Vorzug gegenüber einer solchen, nach der das nicht der Fall ist.
Artikel 5:107: Abweichende Sprachfassungen
Wird ein Vertrag in zwei oder mehr Sprachfassungen abgefasst, von denen keine als maßgeblich bezeichnet ist, so wird, falls die Fassungen voneinander abweichen, die Auslegung nach derjenigen Fassung bevorzugt, in welcher der Vertrag ursprünglich abgefasst worden war.
Der Umgang mit Widersprüchen
Ein besonderes Problem bei der Interpretation des Vertrages erschließt sich aus Widersprüchen. Grundsätzlich gelten die folgenden Regeln, um Widersprüche in Verträgen aufzulösen:
geschriebene Worte haben Vorrang vor Zahlen
handschriftliche (möglichst paraphierte) Änderungen haben Vorrang vor gedruckten Texten
Mit Schreibmaschine geschriebene Texte haben Vorrang vor gedruckten Texten
die Interpretation wird gegen die Vertrags schreibende Partei verwendet
Wenn sich die Widersprüche nicht lösen lassen, kann der Vertrag seine Rechtswirksamkeit verlieren. Dies kann der Fall sein, wenn z.B. der Vertragspreis einmal als Festpreis spezifiziert wurde und an anderer Stelle als Preis pro Einheit und sich später herausstellt, dass beide Preise zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen.
Die Tendenz, einen Vertrag für nicht wirksam zu erklären, ist dabei in den angloamerikanischen Rechtssystemen deutlich häufiger als bei kontinentalen Rechtssystemen.
Ein häufiger Fall bei Widersprüchen existiert im Zusammenhang mit „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (BGB § 305 folgende). Wenn beide Parteien ihre jeweiligen AGBs zugrunde legen und diese im Widerspruch stehen, gilt nach deutschem Recht ausschließlich das Gesetzesrecht.
Weitere Vertrags-Dokumente
Es ist allgemein üblich, weitere Dokumente wie Lieferverträge, kommerzielle Bedingungen, Incoterms (www.icc-deutschland.de, Postfach 100826, 50448 Köln) und andere Vereinbarungen mit in den Vertrag einzubeziehen. Diese zusätzlichen Dokumente werden als Vertrags Dokumente bezeichnet. Das Problem besteht meist darin, dass ähnliche oder gleiche Formulierungen und Interpretationen in diesen Vertrags-Dokumenten verwendet werden. Um Konflikte zu vermeiden, sollten alle zum Vertrag gehörenden Dokumente im Vertrag aufgelistet werden. Des Weiteren sollte eine Rangfolge dieser Dokumente spezifiziert werden, damit Konflikte aufgrund unterschiedlicher Interpretationen gelöst werden können. Zu beachten ist gerade im Zusammenhang mit angloamerikanischem Recht, dass die zuletzt in einen Vertrag eingearbeiteten Bedingungen, Vorrang vor älteren Vertrags-Dokumenten besitzen.
Bei dem Versuch einer außergerichtlichen Einigung gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Ansätze.
Verfahren, die auf die Mitwirkung der Beteiligten angewiesen sind
Verfahren, nach vereinbarten Regeln mit einem durchsetzbaren Urteil
Verfahren, die die Mitwirkung der Beteiligten erfordern, sind z.B. die Mediation gemäß den Regeln des ICC. Es bedarf aber des guten Willens aller Beteiligten, einen tragbaren Kompromiss zu finden. Dem stehen Verfahren entgegen, die eine endgültige und durchsetzbare Entscheidung erreichen, wie Gerichts- oder auch Schiedsgerichtsverfahren.
Vertragsparteien haben die Möglichkeit, bei strittigen Fällen, anstelle von nationalen Gerichtsbarkeiten, ein Schiedsgerichtsverfahren zu vereinbaren. Die wesentlichen Vorteile des Schiedsgerichtsverfahrens sind:
Das Verfahren erfolgt unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Die Regeln zur Urteilsfindung lassen sich vereinbaren
Größere internationale Anerkennung als nationale Gerichte
Keine Berufungsverfahren
Im Rahmen der New York Convention (United Nations Commission on International Trade Law (Uncitral)) wurde ein Abkommen zur Anerkennung und Durchsetzbarkeit von ausländischen Schiedssprüchen zwischen 134 Staaten vereinbart. Dies wird durch viele multi- und bilaterale Abkommen unterstützt, die die Durchsetzbarkeit von Schiedsgerichten fördern. Die üblichen institutionellen Schiedsgerichte sind:
Internationale Industrie- und Handelskammer in Paris
Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft in Wien
Stockholmer Handelskammer
German Court of Arbitration for Private Construction Law
London Court of International Arbitration
American Arbitration Association
Chinese International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC)
Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS)
Handelskammer in Zürich
Wichtig bei einem Schiedsverfahren ist, dass das Verfahren, die Kammer und der Ort vereinbart werden, das zur Streitschlichtung führen soll. Ansonsten laufen die Parteien Gefahr, dass ein „ad hoc Schiedsgericht“ initiiert wird. Hervorzuheben sind hier die Regeln der IHK in Paris, die eine Schiedsverfahrensordnung (ICC-Regeln) erstellt hat, die heute die größte Verbreitung und Anwendung findet. Die Richter am ICC setzen sich aus vielen Ländern zusammen und erheben den Anspruch, internationale Interessen zu vertreten. Dagegen gibt es viele nationale Schiedsgerichte, die eher mit lokalen oder regionalen Mitgliedern besetzt sind. Ein Schiedsverfahren regelt fünf wesentliche Elemente:
Den Ort
Die Sprache
Das anzuwendende Recht
Die Nationalität
Die Rechtsvertreter
Schiedsgerichtsverfahren kosten zwar Gebühren, sind dagegen oft schneller und kosten auch weniger wie Verfahren vor nationalen Gerichten. Kosten werden schon dadurch begrenzt, dass die Möglichkeit des Einspruchs stark begrenzt ist und dadurch jahrelange Prozesse vermieden werden. Neben den institutionellen Schiedsgerichten werden häufig freie Schiedsgerichte vereinbart, bei denen lediglich die Regeln des Schiedsverfahrens im Vertrag festgeschrieben werden. Hier dominieren die Regeln gemäß UNCITRAL, die von den Vereinten Nationen vereinbart wurden und sehr detailliert die Verfahrensweise regeln.
Schiedsverfahren nach den Regeln des ICC
Der Vorteil eines Verfahrens vor einer Institution wie dem ICC liegt in den klaren Regeln, die sicherstellen sollen, dass eine unabhängige und unparteiische Entscheidung getroffen wird. Der ICC besitzt im Vergleich zu anderen Schiedsgerichten in der Welt eine Führungsrolle bezüglich der eindeutig strukturierten und administrierten Schiedsgerichtsbarkeit. Einige wesentliche Randbedingungen, unter denen eine Entscheidung herbeigeführt wird, sind im Folgenden gelistet:
Festlegen des Ortes des Verfahrens
Fristen setzen und verlängern
Gebühren und Auslagen der Schiedsrichter festsetzen
Anzahl der Schiedsrichter bestimmen
Schiedsrichter ernennen
Anfechtungen gegen Schiedssprüche entscheiden
Überprüfen von gefällten Schiedssprüchen
Im Gegensatz zu vielen nationalen Institutionen verfolgt der ICC das Verfahren über die gesamte Laufzeit. Ein Verfahren beginnt damit, dass der Schiedsgerichtshof ermittelt wird und die Konflikt-Parteien mit dem Schiedsrichter zusammengebracht werden. Aufgabe des Schiedsrichters ist es, die Positionen und Forderungen der Parteien zu identifizieren. Ein großer Teil der Schiedsfälle werden bereits in dieser Phase einvernehmlich gelöst. Die Kosten eines Schiedsverfahrens werden in Abhängigkeit des Streitwertes über die jeweilige Gebührentabellen des Schiedsgerichts ermittelt. Sie teilen sich gewöhnlich auf in Verwaltungskosten und Gebühren für den oder die Schiedsrichter. Als Kostentreiber gelten dabei die Gebühren für die Schiedsrichter.
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