Barbara Egert - Astro-logische Merkwürdigkeiten

Mir sind wahrscheinlich ganz viele Menschen spinnefeind, und ich merk’ das nicht mal. Da die Spinne ein nachtaktiver Räuber ist, gilt mein Rat an Zwölfthäusler: Nachts schön zu Hause bleiben oder nur mit einem Skorpion bewaffnet rausgehen. Viele Spinnen haben sich eine ganz ausgeklügelte Tarnung zugelegt, und so passen sie natürlich fantastisch ins zwölfte Haus: Sie kommen getarnt als Freund daher, und dann erschrecken sie uns fast zu Tode (jedenfalls viele Frauen mit einer Spinnenphobie).

Aber hier sind wir eigentlich im siebten Haus gelandet, denn die echte Spinne kann ein offener Feind sein und hat schon einige hysterische Anfälle ausgelöst und viele Menschen in die Flucht geschlagen. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich würde annehmen, sie kommt aus dem sechsten Haus angekrabbelt, denn da sollen ja die Haustiere angesiedelt sein.

Aber zurück ins zwölfte Haus: Auch hier entwickeln wir Fluchtgedanken, um dem getarnten „Ungeheuer“ zu entkommen; wenn wir allerdings unseren neptunisch-schweifenden Blick nur ins Außen richten, wird sich unser Feind seltener offenbaren. Die Kunst besteht darin, ins Innere zu schauen und nicht zu flüchten. Aber das ist eine Zumutung! Stellen wir uns Pluto in zwölf vor, da erstehen unsere (Ur-) Ahnen aus den Gräbern auf und winken uns boshaft mit ihren Sünden.

Da im zwölften Haus für fast alle Planeten miserable Sichtverhältnisse herrschen, gibt’s nur eine Möglichkeit, um nicht weiter im Trüben nach unseren Feinden zu fischen: Wir steigen mutig hinab in unsere dunklen Kammern, stellen uns unseren Dämonen (vor) und sagen: „Guten Tag, ich bin Dein Freund!“ Vielleicht wird so aus unserem Dämon ein Daimon?

Wenn es bei unserem Freund Harry, nicht Harvey, Hasenbraten gibt, dann ist die Idylle perfekt. Nicht nur, dass seine Frau und er sich gegenseitig mit dem Kosenamen "Hase" anreden, nein - in der Wohnung stehen und sitzen überall Hasen, die natürlich Namen haben und Mützen und Jacken tragen. Ist man also zum Hasenbraten eingeladen, muss man von der Essbank erstmal die Stoffhasen in eine Ecke drängen, um überhaupt Platz finden zu können. Im Vitrinenschrank stehen zusammen mit Hase Barbara weitere Glashäschen, die das ganze Hasenfamiliengeschehen aus sicherer Entfernung beobachten. In der Osterzeit kommt dann noch ein Deckchen mit Häschen auf den Esstisch, und alle kleinen und großen Hasen freuen sich.

Da bekannt ist, dass wir Vegetarier sind, müssen wir aber keinen Hasenbraten essen, obwohl Harrys Kochkünste einmalig sind. Er ist nämlich gelernter Koch und besaß ein Restaurant, bevor er dann nach Mallorca auswanderte. So lauschen wir dann während des Essens, bei Autofahrten oder Spaziergängen gespannt Harrys leidenschaftlichen Schilderungen aller möglichen Zubereitungsmethoden und exzellenten Kochtricks, und alle Versuche, das Thema zu wechseln, scheitern an den vielfältigen Möglichkeiten, doch wieder aufs Essen und Kochen zurückzukommen. Wenn ich zum Beispiel verzweifelt und ganz harmlos das Gespräch auf die schönen blühenden Mandelbäume bringe, ergreift Harry sofort die Gelegenheit, uns sein neuestes Rezept über Mandelkuchen zu erzählen...

Manchmal fahren die beiden großen Hasen zu einem abgelegenen Schweinestall, um die kleinen süßen Ferkelchen, aber auch ihre Mütter, mit vorher abgeschnittenen Kaktusblättern zu füttern. Ihre Freude an Tieren ist wirklich groß, besonders wenn es dann abends einen vorzüglichen Schweinebraten mit einer tollen Sauce gibt. Einmal hatte ich mir den Magen verdorben, und als wir die beiden zufällig bei einem Strandspaziergang trafen, waren sie noch ganz erfüllt von ihren Erlebnissen auf dem Schlachtfest und schilderten uns alle Einzelheiten dieser gruseligen Feier und was sie dann dort alles gegessen haben. Bevor sich mir der Magen endgültig umdrehte, konnte ich, zwar körperlich geschwächt, aber verbal noch längst nicht kampfunfähig, mit einem Machtwort das Thema beenden und ein für alle Mal klarstellen, dass ich über tote Tiere, auch in Form von Hasen- oder Schweinebraten, jetzt und in Zukunft nichts mehr hören will. Seitdem bekomme ich Ostern kleine Osterhasen aus Schokolade und ab und zu ein Marzipanschweinchen geschenkt.

Harry hat seinen Beruf instinktiv richtig gewählt, und als Superkoch kann er so richtig in Genüssen schwelgen: Sein Bauch zeugt von einer ziemlichen Aufnahmekapazität, ganz nach: „Traue keinem dünnen Koch!“. Auch seinen Gang, als er noch als Küchen- bzw. Restaurantchef jovial seine Gäste begrüßte, hat er beibehalten: Gemessenen Schrittes mit leicht geneigter Kopfhaltung schreitet er auch heute noch dahin, jederzeit bereit, Honneurs zu machen, was bei seinem derzeitigen Umfeld weder von Menschen noch Tieren so richtig gewürdigt wird.

Was für ein gewichtiges Horoskop mag solch ein besonderer Mensch haben? Konjunktion von Stier-Sonne/Merkur/Venus im zweiten Haus mit Sextil zum Krebs-Mond in vier und Quadrat zur Jupiter/Pluto-Konjunktion in fünf, auf die ein Fische-AC ein Anderthalbquadrat wirft.

Richtig gut aufgehoben ist man bei Harry, wenn man etwas krank ist, dann versorgt er einen gutmütig mit einer echten Rinderbrühe und erklärt dazu, warum die molekularen Bestandteile dieser Nahrung so aufbauend für den Körper sind, oder er bringt eine kräftige Gemüsesuppe (ohne Fleisch!) vorbei, und bald ist man dank Harrys Fürsorge wieder auf den Beinen.

Wenn wir aus Deutschland nach Mallorca anreisen, dann ist es der großen Hasen dringlichster Wunsch, endlich einmal wieder mit Harzer- und Limburgerkäse versorgt zu werden, der aber ganz "durch" sein muss, was erhebliche Transportprobleme mit sich bringt...

Wenn hingegen Harry und Frau eine Reise antreten, dann wird eine große Tasche mit Lebensmitteln vollgepackt - man weiß ja nie...! Brote mit Wurst und Käse, harte Eier, Obst und Joghurt, für alle Fälle eine große Flasche Wasser und natürlich etwas Süßes. Einmal hatte nämlich ihr Flug von Mallorca nach Deutschland drei Stunden Verspätung, und dieser Gefahr des Verhungerns und Verdurstens wollen sie sich nie mehr aussetzen.

Schließlich kommen sie so zu der seltenen Gelegenheit, auch einmal "Hasenbrote" zu essen. Oh Harvey !

Die erste bewusste Lüge ist immer die schlimmste, denn noch befinden wir uns im Paradies der Redlichkeit. Im Laufe der Jahre verlassen wir das Gefilde der Seligen, was bleibt uns anderes übrig, wenn wir in Frieden leben wollen, als ein ganz kleines bisschen - kaum der Rede wert - zu schwindeln. „Der Erfinder der Notlüge liebte den Frieden mehr als die Wahrheit“, meinte James Joyce.

Und weil wir so friedfertig sind und bleiben wollen, werden wir bald zu Virtuosen in der Kunst der Notlüge. Manche allerdings behalten trotz allem ein schlechtes Gewissen. Es sei denn, Neptun/Merkur/Jupiter bilden eine Allianz, deren Domizil durchaus das Paradies bleiben kann. Sie merken nämlich gar nicht, dass sie not-lügen und glauben tatsächlich das, was sie erfinden und andere glauben machen wollen. Und das gelingt ihnen vorzüglich, weil sie in ihrer Ahnungslosigkeit andere Ahnungslose so verwirren, dass keiner mehr weiß, was gespielt wird. Aber zur Sache…

…Ein Spiegel-Journalist machte einen Selbstversuch, 40 Tage lang ehrlich zu sein. Fazit: Seine Freunde mochten den Lügner lieber. Am meisten hatte ihn überrascht, dass die Annahme, der Mensch würde täglich bis zu 200 Mal lügen (Frauen liegen dabei über dem Durchschnitt!), zu stimmen scheint. An einem einzigen Morgen, schlecht gelaunt und arbeitsunlustig, begrüßte er an die 20 Leute mit: „Guten Morgen!“ Das waren schon seine ersten 20 Lügen.

Was tun, wenn man unter Saturn- oder Pluto-Einfluss steht und seinen Mitmenschen am liebsten: „Scher Dich zum Teufel!“ zurufen würde? Saturn oder Pluto am DC oder im 5. Haus liebäugeln zwar mit dieser krassen Ehrlichkeit, Verletzungen in kauf nehmend, aber Venus, Jupiter und Neptun halten sie davon ab. Und Uranus? Na ja, der ist so eilig und mit faszinierenden Ideen erfüllt oder so umtriebig nervös, dass er erst gar nicht: „Guten Morgen“ sagt. Auch eine Möglichkeit, Lügen zu vermeiden.