Alexandre Dumas der Ältere - Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters

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Dumas Alexandre (père)

Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters

– Ei! Potztausend! das ist ja ein Wunder, sagte Griesier zu mir, als er mich in der Thür des Fechtbodens erscheinen sah, auf welchem er ganz allein noch zurück geblieben war.

In der That, seit dem Abend, an welchem uns Alfred von Nerval die Geschichte Paulinens erzählt, hatte ich keinen Fuß wieder in die Faubourg Montmartre No. 4 gesetzt.

– Ich hoffe, fuhr unser würdiger Lehrer mit der väterlichen Sorge, die er für seine ehemaligen Schüler hegte, fort, daß es nicht etwa irgend ein schlimmer Handel ist, der Sie zu mir führt?

– Nein, mein theurer Meister, und wenn ich Sie um einen Dienst zu bitten habe, antwortete ich ihm, so gehört er nicht zu denjenigen, welche Sie mir in ähnlichen Fällen zuweilen erwiesen haben.

– Sie wissen, daß, was es auch sein möge, ich immer ganz der Ihrige bin. Reden Sie demnach.

– Nun denn, Mein Theurer, Sie müssen mich aus einer Verlegenheit reißen.

– Wenn die Sache möglich, so ist sie schon geschehen.

– Ich habe auch nicht an Ihnen gezweifelt.

– Reden Sie.

– Denken Sie sich, daß ich so eben einen Vertrag mit meinen: Buchhändler abgeschlossen, und ihm Nichts zu geben habe.

– Teufel auch!

Nun komme ich zu Ihnen, damit Sie mir Etwas liefern möchten.

– Ich?

– Gewiß, Sie haben mir wohl fünfzig Mal von Ihrer Reise nach Rußland erzählt.

– Hm, wahrlich!

– Zu welche: Zeit waren Sie dort?

– Während der Jahre 1824, 1825 und 1826.

– Gerade während der interessantesten Jahre: dem Ende der Regierung des Kaisers Alexander und der Thronbesteigung des Kaisers Nicolaus.

– .ich habe den einen begraben, und den anderen krönen sehen. Aber, warten Sie doch!

– ich wußte es wohl! . . .

– Eine wundervolle Geschichte.

– Das ist gerade, was ich brauche.

– Denken Sie doch . . . . Aber so ist es besser, haben Sie Geduld?

–Sie fragen das einen Mann, der sein Leben damit zubringt, Wiederholungen zu machen.

–Nun, dann warten Sie! – Er ging an einen Schrank, und zog aus demselben einen mächtigen Stoß Papier – Da, das ist, was brauchen.

– Ein Manuskript, Gott verzeihe mir!

– Die Bemerkungen eines meiner Zunftgenossen der zur selben Zeit, als ich, in Petersburg war, der alles das gesehen hat, was ich gesehen habe, und in den Sie dasselbe Vertrauen setzen können, als in mich selbst.

– Und Sie geben mir das?

– Ganz als Ihr Eigenthum.

– Aber das ist ein Schatz.

– In dem mehr Kupfer als Silber, und nicht Silber als Gold ist. Ziehen Sie das Beste davon heraus.

– Mein Theurer, noch heute Abend mache ich mich ans Werk, und in zwei Monaten . . .

– In zwei Monaten? . . .

– Wird Ihr Freund eines Morgens ganz lebendig, gedruckt wieder erwachen.

– Wahrhaftig?

– Sie dürfen unbesorgt sein.

– Nun denn! auf Ehre, das wird ihm Vergnügen machen.

– Apropos, es fehlt Ihrem Manuscript Etwas.

– Was?

– Ein Titel.

– Wie, ich muß Ihnen auch den Titel geben?

– Weil Sie einmal daran sind, mein Theurer, so machen Sie die Sache nicht halb.

– Sie haben nicht recht gesehen, das Manuscript hat einen.

– Wo denn?

– Auf dieser Seite, – - sehen Sie: —

Der Fechtmeister oder achtzehn Monate in Sanct- Petersburg.

– Nun! da er denn da ist, so lassen wir ihn.

– Also?

– Angenommen.

Durch diese Vorrede wird das Publikum sich in Kenntniß gesetzt glauben, daß Nichts von dem, was es hier liest, von mir ist, nicht einmal der Titel.

Außerdem ist es Grisiers Freund, welcher spricht.

Erster Band

I

Ich war noch in dem Alter der Täuschungen, besaß eine Summe von vier Tausend Franken, die mir ein unerschöpflicher Schatz schien, und hatte von Rußland als von einem wahrhaften Eldorado für alle in ihrer Kunst ein wenig ausgezeichnete Künstler reden hören: da es mir nun nicht an Selbstvertrauen fehlte, so entschloß ich mich nach St. Petersburg zu reisen.

Dieser Entschluß einmal gefaßt, wurde bald ausgeführt: ich war ledig, ließ nichts zurück, selbst nicht einmal Schulden; ich brauchte demnach nur einige Empfehlungsbriefe und meinen Paß zu nehmen, was nicht langer Zeit bedurfte, und acht Tage nachdem ich mich zur Abreise entschlossen hatte, befand ich mich auf dem Wege nach Brüssel.

Ich hatte den Weg zu Lande gewählt, zuvörderst, weil ich in den Städten, durch welche ich kam, öffentliche Fechtübungen zu geben gedachte, um auf diese Weise die Reisekosten durch die Reise selbst zu decken, und ferner deshalb, weil ich, begeistert für unseren Ruhm, einige jener schönen Schlachtfelder zu besuchen wünschte, wo, wie ich glaubte, die Lorberen wie auf den Gräbern Virgils von selbst wachsen müßten.

Ich verweilte zwei Tage lang in der Hauptstadt Belgiens, am ersten Tage gab ich daselbst eine

öffentliche Fechtübung, und am zweiten hatte ich daselbst ein Duell. Da ich mich aus dem einen

wie aus dem anderen ziemlich glücklich herauszog, so machte man mir sehr annehmbare Vorschläge, um

in der Stadt zu bleiben, welche ich indessen nicht annahm, da es mich weiter trieb.

Nichts desto weniger hielt ich mich einen Tag in Lüttich auf, ich hatte dort bei dem Stadt-Archiv einen früheren Schüler, an dem ich nicht vorüber gehen wollte, ohne ihm meinen Besuch abzustatten. Er wohnte in der Straße Pierreuse, und von der Terrasse seines Hauses konnte ich, während dem ich mit dem Rheinweine Bekanntschaft machte, die Stadt von dem Dorfe Herstall an, wo Pepin geboren wurde, bis zu dem Schlosse Ranioulle, von wo aus Gottfried nach dem heiligen Lande wanderte, sich unter meinen Füßen entfalten sehen. Diese Betrachtung geschah nicht, ohne daß mir mein Schüler über alle diese alten Gebäude fünf oder sechs alte Legenden erzählte, von denen die eine immer merkwürdiger als die andere war; eine der tragischsten davon ist ohne Widerspruch die, welche den Titel das Banket von Varfusen führt, und deren Gegenstand die Ermordung des Bürgemeisters Sebastian Laruelle ist, von dem noch heutigen Tages eines der Stadt-Thore den Namen trägt.

Beim Einsteigen in den Postwagen nach Aachen, hatte ich meinem Schüler von meiner Absicht gesagt, daß ich in den bedeutendsten Städten aussteigen und auf den berühmtesten Schlachtfeldern anhalten wollte; aber er hatte über meine Anmaßung gelacht und mich belehrt, daß man in Preußen nicht anhält, wo man will; sondern wo es der Schirrmeister will, und daß man, einmal in seinen Kasten eingeschlossen, ganz zu seiner Verfügung steht. In der That, von Köln bis Dresden, wo es meine bestimmte Absicht war, drei Tage zu bleiben, ließ man uns aus unserem Käfig nur zu den Stunden der Mahlzeiten, und ließ uns gerade nur so

lange Zeit, um die zu unserm Unterhalt nothwendigte Nahrung zu uns zu nehmen. Nach Verlauf von drei Tagen dieser Einkerkerung, gegen welche übrigens niemand murrte, so sehr ist man in den Staaten Seiner Majestät, Friedrich Wilhelms, daran gewöhnt, langten wir in Dresden an. 1 1 gibt es denn in Frankreich Posten, die nach Willkühr des Einzelnen anhalten wo es ihm beliebt? Glosse des Übersetzers.

In Dresden war es, wo Napoleon im Jahre 1812 bei seinem Zuge nach Rußland diesen großen Halt machte, wohin er einen Kaiser, drei Könige und einen Vice-König rief; was die souverainen Fürsten anbelangt; so waren sie an den Thüren des Kaiserlichen Zeltes so gedrängt, daß man sie mit den General-Adjutanten und den Ordonanz-Officieren vermengte; der König von Preußen mußte drei Tage lang warten.

Alles ist bereit, um Asien seine Einfälle der Hunnen und der Tartaren zu vergelten. Sechs mal Hundert und siebzehn Tausend Mann, die in acht verschiedenen Sprachen: es lebe Napoleon ! riefen, sind von den Ufern des Guadalquivir und dem Meere von Calabrien durch die Hand des Riesen bis an die Ufer der Weichsel getrieben worden; sie führen dreizehn Hundert zwei und siebzig Stück Kanonen mit sich, sechs Schiffbrücken, ein Belagerungsgeräth; an ihrer Spitze marschieren vier Tausend Wagen mit Lebensmitteln, drei Taufend Pulver-Wagen, fünfzehn Hundert Lazareth-Fuhren, und überall, wo sie durchkamen, begleitet sie der Jubel Europas.

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