Alexandre Dumas der Ältere - Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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Alexandre Dumas

Denkwürdigkeiten eines Arztes Die Gräfin von Charny

Erstes und zweites Bändchen

I

Erörterung über den wahren Sinn des Wortes Ende. 1 1 Den Lesern des belletristischen Auslands diene zur Erklärung dieses Kapitels: Als ich am Ende des letzten Kapitels der in den Feuilletons des Journals la Presse erschienenen Denkwürdigkeiten eines Arztes das Wort Fin fand, welches immer den Schluß eines ganzen Werkes bezeichnet, ließ ich mich hierdurch nicht beirren. Ich durfte, mit Sicherheit annehmen, so ohne alle Entwickelung und Lösung könne dieser großartige Roman nicht aufhören. Von dieser Voraussetzung ausgehend, unterließ ich es, das Wort Ende am Schlusse des von Ange-Pitou Erschienenen untenan zu setzen, und wiederholte die kurz zuvor öffentlich gegebene Versicherung. Alexandre Dumas werde bald eine weitere Serie von diesen Denkwürdigkeiten erscheinen lassen. Dumas löst nun sein Versprechen mit der Gräfin von Charny und ich sehe mich zu meiner Freude in meiner Annahme gerechtfertigt. Der Uebersetzer.

Diejenigen von unsern vortrefflichen Lesern, welche sich uns gewisser Maßen lehenspflichtig gemacht haben, diejenigen, welche uns überallhin folgen, wohin wir gehen, diejenigen, welche es interessiert, nie, selbst bei seinen Seitensprüngen, einen Mann zu verlassen, der sich die große Ausgabe gestellt, Blatt für Blatt jede Seite der Monarchie zu entrollen, mußten wohl begreifen, als sie das Wort Ende unten am letzten Feuilleton von Ange Pitou in der Presse und selbst unten an der letzten Serie des achten Bandes, veröffentlicht von unserem Freunde und Herausgeber Alexandre Cabot, – lassen, daß hier ein ungeheurer Irrthum obwalte, den wir ihren früher oder später aufklären werden.

In der That, wie ließ sich annehmen, ein Schriftsteller, dessen, vielleicht sehr ungebührende, Prätension es ist, vor Allem ein Buch mit allen Bedingungen eines Buches machen zu können, – wie ein Architekt die Prätension hat, ein Haus mit allen Bedingungen eines Hauses, ein Schiffsbaumeister, ein Schiff mit allen Bedingungen eines Schiffes machen zu können, – werde sein Haus beim dritten Stocke im Stiche, sein Schiss unvollendet bei der großen Stenge lassen.

So wäre es aber beim armen Ange Pitou , hätte der Leser im Ernste das Wort Ende genommen, welches er gerade bei der interessantesten Stelle des Buches fand, nämlich da, wo der König und die Königin sich anschicken, Versailles zu verlassen, um nach Paris zu ziehen; wo Charny zu bemerken anfängt, daß eine reizende Frau, der er seit fünf Jahren nicht die geringste Aufmerksamkeit geschenkt hat, erröthet, sobald sein Blick ihren Augen begegnet, sobald seine Hand ihre Hand berührt; wo Gilbert und Billot mit einem düsteren, aber entschlossenen Auge in den revolutionären Abgrund schauen, der sich vor ihnen öffnet, ausgegraben durch die monarchischen Hände von la Fayette und Mirabeau, von denen der Eine die Popularität, der Andere den Geist der Zeit repräsentirt; wo endlich der arme Ange Pitou, der demüthige Held dieser demüthigen Geschichte, über seinem Schooße, aus dem Wege von Villers-Coterets nach Pisseleu, Catherine hält, welche ohnmächtig geworden beim letzten Lebewohl ihres Liebhabers, der querfeldein galoppirend mit seinem Bedienten der Straße nach Paris zueilt.

Und dann finden sich noch andere Personen in diesem Roman, allerdings untergeordnete Personen, denen aber unsere Leser dennoch, wir sind dessen sicher, eine gewisse Theilnahme geschenkt haben, und es ist unsere Gewohnheit, das weiß man wohl, sobald wir einmal ein Drama in Scene gebracht haben, nicht nur unsere Haupthelden, sondern auch die secundären Personen, auch die geringsten Comparsen bis in die dunstigsten Fernen des Theaters zu verfolgen.

Da ist der Abbé Fortier, dieser strenge Monarchist, der sich gewiß nicht in einen constitutionellen Priefter verwandeln will, und die Verfolgung dem Eide vorziehen wird.

Da ist der junge Gilbert, zusammengesetzt aus zwei um diese Zeit im Kampfe begriffenen Naturen, aus zwei seit zehn Jahren sich verschmelzenden Elementen, dem demokratischen Elemente, mit welchem er durch seinen Vater verwandt, dem aristokratischen Elemente, dem er durch seine Mutter entsprossen ist.

Da ist Frau Billot, die arme Frau, Mutter vor Allem, welche, blind wie eine Mutter, ihre Tochter auf dem Wege gelassen hat und allein nach dem Pachthose zurückkehrt, selbst schon so vereinzelt seit dem Abgange von Billot.

Da ist der Vater Clouis, in seiner Hütte im Walde, der noch nicht weiß, ob er mit der Flinte, die ihm Pitou für diejenige gegeben, welche ihm ein paar Finger der linken Hand genommen hat, hundert und zweiundachtzig Hasen und hundert und zweiundachtzig Kaninchen in den gewöhnlichen Jahren und hundert dreiundachtzig Hasen und hundert dreiundachtzig Kaninchen in den Schaltjahren schießen wird.

Da sind endlich Claude Tellier und Désiré Maniquet, diese Dorfrevolutionäre, welche nur darnach trachten, den Spuren der Pariser Revolutionäre zu folgen, denen aber, wie man hoffen darf, der ehrliche Pitou, ihr Kapitän, ihr Commandant, ihr Oberster, als Zaum und Gebiß dienen wird.

Alles, was wir hier gesagt haben, kann das Erstaunen des Lesers in Betreff des Wortes Ende nur erneuern, dieses Wortes, das so seltsam unten an das Kapitel, welches es schließt, gesetzt ist, daß man glauben sollte, es sei ein am Eingange seiner Höhle auf der Straße nach Theben liegender Sphinx, der den böotischen Reisenden ein unauflösbares Räthsel ausgebe.

Wir wollen also die Erklärung geben.

Es war eine Zeit, wo die Jorunale gleichzeitig die Geheimnisse von Paris von Eugène Sue, die Generalbeichte von Soulié, Mauprat von Madame Sand, Monte-Christo , den Chevalier von Maison-Rouge und den Frauenkrieg von mir veröffentlichten.

Diese Zeit war die schöne Zeit des Feuilleton, aber die schlechte der Politik.

Wer bekümmerte sich damals um die Leitartikel von Herrn Armand Bertin, von Herrn Doctor Véron und vom Herrn Abgeordneten Chambolle? Niemand.

Und man hatte sehr Recht; denn da nichts von diesen unglücklichen Leitartikeln übrig geblieben ist, so waren sie nicht werth, daß man sich um sie bekümmerte.

Alles, was einen Werth hat, schwimmt obenauf und kommt irgendwo ans Land.

Es gibt nur ein Meer, welches Alles verschlingt, was man hineinwirft, das ist das todte Meer.

Es scheint, man warf in dieses Meer die Leitartikel von 1845, 1846, 1847 und 1848.

Sodann, mit diesen Leitartikeln von Herrn Armand Bertin, vom Herrn Doctor Véron und vom Herrn Abgeordneten Chambolle, warf man noch unter einander die Reden von Herrn Thiers und von Herrn Guizot, von Herrn Odilon Barrot und von Herrn Berryer, von Herrn Molé und von Herrn Duchatel hinein, was die Herren Duchatel, Mole, Berryer, Barrot, Guizot und Thiers wenigstens eben so sehr als den Herrn Abgeordneten Chambolle, den Herrn Doctor Véron und Herrn Armand Bertin verdroß.

Es ist wahr, daß man dagegen mit der größten Sorgfalt die Feuilletons der Geheimnisse von Paris , der Generalbeichte , von Mauprat, von Monte-Christo , vom Chevalier von M a i s o n-Rouge und vom Frauenkrieg abschnitt; daß man dieselben, nachdem man sie am Morgen gelesen, am Abend auf die Seite legte; es ist wahr, daß dies den Journalen Abonnenten und den Lesekabinets Kunden brachte; es ist wahr, daß dies die Geschichte die Historiker und das Volk lehrte; es ist wahr, daß dies vier Millionen Leser in Frankreich und fünfzig Millionen Leser im Auslande schuf; es ist wahr, daß die französische Sprache, welche seit dem siebzehnten Jahrhundert die Sprache der Diplomatie geworden war, im neunzehnten Jahrhundert die Sprache der Literatur wurde; es ist wahr, daß der Dichter, der genug Geld verdiente, um sich unabhängig zu machen, dem bis dahin durch die Aristokratie und das Königthum gegen ihn geübten Drucke entging; es ist wahr, daß in der Gesellschaft ein neuer Adel und ein neues Reich entstanden: das waren der Adel des Talents und das Reich des Genies: es ist wahr, daß dies so viele für die Individuen ehrenvolle und für Frankreich glorreiche Resultate herbeiführte, daß man sich ernstlich damit beschäftigte, den Zustand der Dinge, welcher diese Umwälzung veranlaßte, aufhören zu machen, daß die ansehnlichen Männer eines Königreichs wirtlich die angesehenen Männer waren, und daß der Ruf, der Ruhm und sogar das Geld eines Landes denen zufielen, welche Alles dies wahrhaft verdient hatten.

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