„Er ist über den Balkon geflohen!“, rief Laura ihnen zu, rappelte sich hoch und rannte selber hinaus, um zu sehen wo der Mann hingelaufen war.
Dylan hatte sich inzwischen wieder gefangen und lief ihr, gemeinsam mit den Sicherheitsleuten, auf den Balkon nach. Als er den Einbrecher quer über die Rasenanlage laufen sah, kletterte er kurz entschlossen über das Geländer, sprang ebenfalls nach unten und lief ihm wütend nach, als ob sein Leben davon abhängen würde, den Mann zu fassen. Der Einbrecher lief auf die offene Seite des Parks zu, in Richtung Straße und er versuchte, ihn einzuholen. Als Dylan an der Straße angekommen war, konnte er gerade noch sehen, wie der Mann auf die Beifahrerseite eines Autos hechtete und dieses sofort, mit quietschenden Reifen, anfuhr. Der Mann am Steuer gab Vollgas und er raste direkt auf Dylan zu, der mitten auf der Straße zu stehen gekommen war. Panisch sprang er dem flüchtenden Wagen aus dem Weg, um nicht überfahren zu werden. Gerade konnte er noch das Nummernschild erkennen, als das Auto auch schon um die nächste Straßenecke verschwunden war.
Zwei Männer vom Sicherheitsdienst waren inzwischen zu ihm auf die Straße gelaufen.
„Er ist weg. In ein Auto gesprungen und abgefahren“, schnaufte Dylan.
„Kommen Sie, gehen wir zurück nach oben in die Suite“, sagte einer der beiden Männer.
Gemeinsam gingen sie zurück ins Hotel, die Treppen hinauf in die Suite, wo Dylan auf einen dritten Sicherheitsmann traf, der schon die Polizei verständigt hatte. Er saß bei Laura auf der Couch und sah kurz auf, als sie eintraten.
„Die werden gleich da sein. Sie waren ohnehin schon hier in der Nähe unterwegs“, sagte der Mann gerade.
Laura gestikulierte immer noch wild und aufgeregt, während der Sicherheitsbeamte beruhigend auf sie einredete.
„Zuerst klaut man mir heute Nachmittag in Aquas Calientes die Handtasche und jetzt das!“, schimpfte sie wie ein Rohrspatz.
Dylan ging zur Couch und setzte sich zu Laura. Beruhigend legte er den Arm um sie und sie drehte sich ihm zu.
„Ist dir auch nichts passiert Dylan?“, wollte sie mit besorgter Stimme wissen.
Dylan verneinte und erzählte: „Der Mann ist unten an der Straße in ein wartendes Auto gesprungen. Die Autonummer habe ich allerdings noch erkennen können. Vielleicht hilft die weiter.“
Bald darauf betrat ein Polizeibeamter das Zimmer und stellte sich den beiden vor: „Mein Name ist Teniente Filipe Mantigo. Guten Abend.“
Er schüttelte ihnen die Hände und Dylan lud ihn mit einer einladenden Geste ein: „Setzen sie sich doch Teniente Mantigo.“
„Was ist gestohlen worden?“, wollte der Teniente wissen.
Dylan und Laura sahen sich um.
„Der hat auch wieder meine Börse einfach liegen gelassen“, stellte sie überrascht fest und griff nach der Geldtasche, die immer noch mitten am Couchtisch lag.
Dylan war aufgestanden und zur Kommode an der Wand gegangen, auf der Laura am Abend die kleine Schatulle mit ihrem Schmuck gestellt hatte. Er sah, dass er nicht angefasst worden war.
„Dein Schmuck ist auch unangetastet“, wunderte er sich.
Laura hob einige Papiere auf, die der Einbrecher aus ihrer Aktentasche gezogen und zu Boden geworfen hatte.
„Hier scheint auch nichts zu fehlen“, stellte sie fest.
„Haben Sie irgendetwas bei sich, dass der Einbrecher haben hätte wollen? Wenn Sie sagen, dass ihre Wertsachen noch alle da sind, hört sich das für mich nach einem gezielten Einbruch an.“
Dylan konnte sich nicht erklären, was der Mann gesucht haben könnte und zuckte mit den Schultern: „Ich kann mir nicht vorstellen, was der Mann wollte. Außer meinem Buchmanuskript, das sie seit gestern in jeder Buchhandlung kaufen können, haben wir nichts bei uns.“ Er wendete sich an seine Frau: „Laura hast du irgendwelche wichtigen Akten eingepackt?“
„Nein, ich habe keine heiklen Arbeitsunterlagen mitgenommen. Ich kann mir auch nicht erklären, was der gesucht haben könnte“, schüttelte sie den Kopf.
Ein weiterer Mann von der Polizei sah sich die Balkontür genauer an und kontrollierte das Schloss auf Beschädigungen.
„Das Schloss ist aufgebrochen worden, aber das ist keine große Kunst. Es ist nicht sehr robust“, stellte er fest.
Der Teniente bat Dylan und Laura um eine Beschreibung des Mannes.
„Na ja, er war relativ groß und eher schlank“, beschrieb ihn Dylan.
„Allerdings war er ganz schön kräftig. Ich hatte ganz schön zu tun ihn am Boden zu halten, bevor er mich mit dem Kerzenleuchter k.o. geschlagen hat“, seufzte er bedauernd.
„Er hatte dunkle Haare unter seiner Kapuze“, fügte Laura seiner Beschreibung hinzu.
Dylan, der ein ungewöhnlich gutes Gedächtnis für Zahlen und Kombinationen hatte, erwähnte: „Die Autonummer habe ich mir gemerkt. Es war ´14NMS78´.“
Der Teniente versprach ihm: „Wir werden die Nummer sofort überprüfen lassen.“
Nachdem man ihnen versichert hatte, dass ein Mann vom Sicherheitsdienst die ganze Nacht im Garten Wache schieben würde, ließ man die beiden alleine.
Der Teniente gab Dylan an der Tür noch seine Visitenkarte und verabschiedete sich mit den Worten: „Momentan können wir leider nicht mehr für Sie tun, aber vielleicht bringt uns ja deren Wagen weiter. Ich wünsche Ihnen trotzdem noch eine gute Nacht“, lächelte er den beiden aufmunternd zu und verließ, mit seinem Kollegen, die Suite.
Laura und Dylan blieben ratlos zurück und sie fragte ihn: „Was wollte der Kerl nur von uns, wenn er weder Geld noch Schmuck stehlen wollte?“
„Keine Ahnung“, war auch Dylan verwirrt.
„Wozu hat er meine Aktentasche ausgeleert? Hat er nach irgendwelchen Papieren gesucht? Ich hab doch keine wichtigen Verträge dabei und arbeiten tue ich derzeit auch an keinem besonders brisanten Fall“, führte Laura weiter aus.
„Ich weiß es nicht Laura. Vielleicht hat er etwas anderes gesucht, aber was?“, fragte sich Dylan.
Er zerbrach sich den Kopf darüber, was der Mann gesucht haben könnte, kam aber auf keinen grünen Zweig.
Laura riet weiter ins Blaue: „Vielleicht hat er uns auch mit jemandem verwechselt und er wollte von einem anderen ausländischen Paar etwas?“
„Ich habe keine Ahnung Laura. Gehen wir ins Bett. Heute wird wohl nichts mehr passieren“, gähnte er resignierend und müde.
„Na hoffentlich. Auf noch so einen nächtlichen Besuch hab ich wirklich keine Lust. Der hätte dich ernsthaft verletzen können“, schaute Laura Dylan ernst an.
„Ja, ich weiß, aber ich wollte den Typen nicht einfach davon kommen lassen“, zuckte dieser mit den Schultern.
Es war ihm zuwider, dass der Mann ihm entwischt war und ihn und Laura so verunsichert zurückgelassen hatte.
Er schaltete das Licht im Wohnzimmer ab und sie gingen zurück ins Schlafzimmer. Laura schmiss ihren Bademantel zurück auf den Sessel und krabbelte ins Bett. Dylan legte sich auf seine Seite, schaltete das Licht aus und rollte sich zu Laura hin. Ein wenig Licht von draußen erhellte ihr Gesicht. Er spürte, wie sich an ihn kuschelte und zärtlich strich er ihr über die Wange, beugte sich zu ihr hin und küsste sie auf die Stirn. Sie schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn noch enger ans sich. An Laura geschmiegt schlief er, durch ihre Wärme eingelullt, bald wieder ein.
In einer anderen Ecke der Stadt fuhr ein Auto mit zwei Männern auf ein kleines Firmengelände und parkte in einer leeren Lagerhalle. Sie stiegen aus und gingen in Richtung eines Bürogebäudes.
„Da war nichts. Ich schwöre, ich hab alles durchsucht. Nichts“, jammerte einer der beiden.
„Irgendwo muss es doch sein. Der Alte kann es nur den beiden irgendwie zugesteckt haben.“
Sie betraten das Gebäude und schlossen die Türe sorgfältig hinter sich ab.
Читать дальше