„Wir sind von Lima direkt nach Cusco geflogen und von dort sofort, mit dem Hubschrauber, weiter nach Machu Picchu gereist. Wir haben nirgendwo etwas gekauft und außer mit den Zollbeamten bei der Einreise und mit dem Mann, der uns abgeholt hat, mit niemanden gesprochen oder Kontakt gehabt“, führte sie aus.
„In Aquas Calientes ist Laura auch noch die Tasche gestohlen worden. Inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher, dass das nur ein Zufall war“, erzählte Dylan dem Polizisten.
Teniente Filipe Mantigo nahm die neuen Vorkommnisse in Sacsayhuamán zu Protokoll.
„Das passt genau zu den Angriffen hier in Cusco“, rieb er sich das Kinn. Er riet ihnen: „Denken Sie alles noch einmal durch. Vielleicht fällt Ihnen doch noch etwas ein. Eventuell ist es etwas, das sie gar nicht weiter beachtet hatten. Ich werde den Mann nach ihrer Beschreibung zur Fahndung ausschreiben, möchte Ihnen hier aber keine großen Hoffnungen machen, dass wir ihn finden und festnehmen können.“
Mit diesen Worten verabschiedete der Polizist sich und ließ sie alleine zurück.
„Ob der Typ in Aquas Calientes dieses ominöse Buch in meiner Handtasche vermutet hat?“, warf Laura in den Raum.
Dylan dachte darüber nach und mutmaßte schließlich: „Schon möglich. Du hattest ja deinen Krimi eingepackt und vielleicht hat er das bemerkt. Das ist jedenfalls alles ziemlich merkwürdig. Zuerst die Sache mit Professor Martinez, der mit mir reden will und dann einfach verschwindet und dann diese Überfälle auf uns.“
„Glaubst du, das hängt zusammen?“, sah Laura ihn überrascht an.
Dylan hob unwissend die Hände und meinte: „Ich werde versuchen den Professor noch einmal anzurufen.“
Er stand auf und holte sein Mobiltelefon von der Kommode. Mit dem Telefon in der Hand, setzte er sich wieder zurück auf die Couch und suchte in seinem Adressenverzeichnis nach der Nummer vom Professor. Er wählte und wartete auf ein Freizeichen. Sofort kam eine Bandansage, dass der Teilnehmer derzeit nicht erreichbar ist. „Der Professor hebt immer noch nicht ab“, seufzte er und fragte sich, wo der ältere Gelehrte seit gestern abgeblieben war.
Laura erwiderte: „Ruf doch seinen Assistenten an. Wie hieß der noch gleich?“
„Santiago Cruz. Das ist eine gute Idee“, lächelte er seine Frau an und suchte wieder in seinem Mobiltelefon nach der Nummer.
Santiago hob, fast als ob er das Telefon schon in der Hand gehalten hätte, sofort ab.
„Hola, Mr. Huntley. Was kann ich für Sie tun?“
Dylan bemerkte sofort die leichte Unsicherheit, die in Santiagos Stimme schwang.
„Ich kann Professor Martinez nicht erreichen. Er war gestern auf der Buchpräsentation in Machu Picchu, aber bevor ich mit ihm sprechen konnte, ist er mit zwei Männern weggefahren und seither nicht mehr zu erreichen“, klärte Dylan ihn auf.
„Hmmm“, brummte Santiago nachdenklich. „Ich suche selber seit gestern nach ihm. Und Sie sagen, er war bei Ihnen in Machu Picchu?“
„Ja und er wirkte irgendwie nervös, aber wir hatten leider keine Zeit uns vor der Veranstaltung zu unterhalten.“
„In letzter Zeit war der Professor etwas merkwürdig“, setzte Santiago an, ihm zu erzählen, „Als ob er vor irgendetwas oder irgendjemanden Angst hätte. Er war schon fast paranoid. Jedes Mal, wenn ich ihn darauf angesprochen habe, hat er nur abgewunken und meinte, er wolle mich damit nicht belasten.“
„Sehr seltsam. Seit wir hier sind, wurden meine Frau und ich drei Mal überfallen. Zuerst hat man ihr die Handtasche in Aquas Calientes gestohlen und gestern ist hier in Cusco jemand in unser Hotelzimmer eingebrochen. Zum krönenden Abschluss hat mich heute, während der Besichtigung von Sacsayhuamán, ein weiterer Mann überfallen und mich bedroht. Er wollte ein Buch von mir, aber ich habe absolut keine Ahnung, welches er meinen könnte“, erzählte Dylan dem Assistenten von Professor Martinez.
„Das ist mehr wie seltsam. Das kann doch kein Zufall sein, oder? Und sie haben wirklich keine Ahnung, welches Buch er haben wollte?“, fragte Santiago.
„Nein, ich kann mir nicht vorstellen, was die alle von uns wollen“, gab Dylan ratlos zurück.
„Ich versuche weiterhin, den Professor zu finden. Wenn Sie etwas von ihm hören sollten, rufen Sie mich an, Mr. Huntley? Ich werde Ihnen Bescheid geben, wenn ich etwas in Erfahrung bringe“, versprach der Assistent.
„Ja das können wir gerne so machen. Wenn wir beide nichts hören, telefonieren wir morgen Vormittag noch einmal miteinander?“
„Ja, ich rufe Sie an“, antwortete der Peruaner und ergänzte: „Hoffentlich ist ihm nichts passiert. Normalerweise hat er sein Telefon immer eingeschaltet und wenn er einen Anruf verpasst, ruft er immer zurück.“
„Hoffen wir das Beste“, versuchte Dylan, ihn aufzumuntern.
„Ja, dann bis spätestens morgen.“, verabschiedete sich Santiago.
„Bis morgen.“ Dylan legte nachdenklich auf.
„Der Professor scheint wirklich verschwunden zu sein“, sprach er, immer noch auf sein Telefon starrend.
Laura nickte und meinte: „Vielleicht hat das wirklich mit diesem Buch zu tun, das der Typ heute wollte?“
„Ja, wer weiß. Keine Ahnung. Aber der Professor hat mir nichts gegeben“, gab Dylan zu bedenken.
„Irgendwie hat sich dieser Urlaub zu einem Desaster entwickelt“, stöhnte Laura.
„Wohin könnte Martinez mit diesen Männern gefahren sein? Die sahen nicht sehr freundlich aus“, rätselte Dylan. Er fragte sich inzwischen ernsthaft, in was für eine Situation der Professor da hineingekommen war.
„Ist er vielleicht in irgendeine illegale Geschichte verstrickt?“, riet Laura ins Blaue.
„Das kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht wirklich vorstellen. Der Professor wirkte immer sehr korrekt und anständig. Ich kann nicht glauben, dass er mit Verbrechern zusammenarbeiten würde“, erklärte er.
„Ein Buch, das kann alles enthalten. Aufzeichnungen, die diesen Leuten schaden könnten, Zahlen, Kontodaten, belastende Dinge und was weiß ich noch alles“, stellte Laura fest.
„Irgendwie fischen wir komplett im Trüben“, gab Dylan zu.
„Die ganze Geschichte könnte auch mit seinem Job als Professor zu tun haben. Vielleicht ist er bei Ausgrabungen über diese Typen gestolpert und hat sie gegen sich aufgebracht. Du weißt ja, wie es zum Teil hier in Südamerika zu geht. Man muss ja nur nach Mexiko schauen, wo täglich unbequeme Menschen aus dem Weg geschafft werden“, wurde Dylan nachdenklich.
„Hoffentlich hat man ihm nichts angetan. Ich mache mir allmählich wirklich ernsthaft Sorgen“, meinte Laura traurig.
Er legte den Arm tröstend um ihre Schultern und sie ließ ihren Kopf auf seine Schulter sinken.
„Hoffentlich probiert nicht noch einmal jemand, hier einzubrechen“, seufzte sie. „Langsam habe ich davon wirklich genug.“
Dylan musste innerlich grinsen, als er feststellte, dass die Gefahr ihr egal zu sein schien, es war ihr nur lästig.
Laut sprach er jedoch aus: „Der Sicherheitsdienst wird das Gelände schon sichern. Ich glaube nicht, dass sie riskieren wollen, so ein Problem ein zweites Mal ins Haus zu bekommen“, und zwinkerte ihr zu, wurde aber gleich wieder ernst: „Dieser Mann heute, in Sacsayhuamán, geht mir nicht aus dem Kopf. Plötzlich war der da und so schnell konnte ich gar nicht schauen, wie ich ein Messer unter der Nase hatte“, schüttelte er den Kopf.
„Gar nicht auszudenken, wenn er es auch noch benutzt hätte“, drückte Laura sich näher an ihn.
Er strich ihr besänftigend übers Haar und hielt sie fest.
„Vielleicht sollten wir den Urlaub einfach abbrechen und nachhause fliegen“, schlug sie nun doch vor.
„Und den Professor hier im Stich lassen?“, war er gar nicht erfreut.
„Vielleicht ist er nur mit Bekannten weggefahren und hat keinen Telefonempfang“, mutmaßte Laura.
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