„Ein Signal dafür, wie selten blöd du manchmal sein kannst!“
Also, das verstand ich nun nicht. Chrissi konnte aber auch immer so direkt sein. Ich verschanzte mich hinter meinem Schreibtisch und öffnete den Deckel des Laptops. Meines neuen Laptops.
Nur, das nützte mir recht wenig, denn schon stand meine Sekretärin hinter mir: „Chef, das ist der älteste Schrotthaufen, den ich seit langem gesehen habe. Von deinem Auto einmal abgesehen. Ich denk’ du wolltest dich beraten lassen? Diese Dinger gibt es seit - lass’ mich überlegen - ja seit zirka Neunzehnhundertfünfundachtzig nicht mehr. Diskettenlaufwerk, ja hallo! Nicht einmal USB Anschlüsse hat das Ding.“ - „USB? Was ist denn das?“ Was sollte ich machen? Ich drückte den Einschalter. Nichts. Dann tippte ich auf der Tastatur herum. Auch nichts.
Kurzentschlossen nahm Chrissi mir das Gerät fort. „So, da kümmere ich mich jetzt drum. Gib mir doch mal die Quittung, Chef.“ Quittung? Quittung bekam ich keine. Stattdessen schaffte es der Verkäufer, seine schmierige Hand in meine zu drücken und mich aus dem Laden zu schieben. Natürlich, nachdem ich meine Geldscheine auf den Tresen blätterte.
„Keine Quittung? Mensch, Jonathan, Jonathan! Wie viel hast du für den Schrott denn bezahlt?“ Ich nannte den Preis. Ungläubig schüttelte Chrissi den Kopf. Dann sah sie auf die Uhr: „Das klär’ ich gleich heute Nachmittag. Und als kleines Dankeschön lädst du mich jetzt zum Mittagessen ein.“ Dankeschön? Noch hatte sie doch gar nichts getan? Und was wollte Chrissi da eigentlich klären? Offensichtlich war ich von dem Verkäufer hereingelegt worden, es gab keine Quittung und über einen Rechtsanspruch verfügte ich somit kaum. Ich nickte ergeben. Nur - für mehr als einen schnellen Imbiss bei Curry - Erwin würde sie mich nicht begeistern können.
Auf Curry - Erwin ließ Christine sich gar nicht erst ein. Also doch ins ‚Chez Duedo’. Leider nahm sie keine Rücksicht auf meine desolate finanzielle Situation und auf gelegentliche Anspielungen reagierte sie mit ‚Einsparungen’, die ich durch sie haben würde.
Jetzt wartete ich hier im Büro auf ihre Rückkehr. Viel versprach ich mir von Chrissis Aktion nicht ...
Ich nahm mir meine Notizen vor. Das Hotel. Hoffentlich handelte es sich bei ‚H Pa’ wirklich um ein Hotel. Sonst könnten wir uns tot suchen. Genau zwölf Hotels, deren Name mit ‚Pa’ begann, waren heute Vormittag von Christine notiert worden. Ich wollte mich erst einmal auf die in der näheren Umgebung zum Tatort konzentrieren. ‚Hotel Paradies’, ‚Hotel am Park’, ‚Hotel Palmenstrand’, ‚Hotel Pagode’, ‚Hotel Patschek’, ... Ich trug die Standorte in meine Karte ein. Zwölf Hotels in und um Mönchengladbach herum, davon sechs in der näheren Umgebung zum Tatort. Ich würde mir diese sechs einmal aus der Nähe ansehen müssen.
Chrissi blieb übermäßig lange fort. Die würde diese Gelegenheit doch nicht zum ausgiebigen Shoppen nutzen? Ich schaute auf die Uhr. Eigentlich schon Feierabend. Meine Konzentration ließ nach. Christine war doch wohl nichts passiert? Der kleine Verkäufer sah zwar nicht sonderlich gefährlich aus, aber man konnte ja nie wissen. Sollte ich vielleicht ...
Aber da öffnete sich die Ladentür und grinsend kam meine Sekretärin in das kleine Büro. Unter dem Arm ein riesiges Paket in einer Plastiktüte. Ich wusste es ja! Keine Chance. Mit dem Verkäufer ließ sich nicht verhandeln. Ich grinste zurück.
„Alles klar, Chef. Hier.“ Sie zog einen Karton aus der Tüte. ‚Netbook’ stand darauf. Es handelte sich eindeutig nicht um das Gerät, das ich in dem Laden kaufte. Ehrfürchtig blickte ich Christine an. Teufelsweib!
„Hast du das alte weggeschmissen und ein neues gekauft?“ - „Umgetauscht Chef, das Männeken war ganz schnell von einer ‚Geld zurück Aktion’ zu überzeugen. Obwohl er sich anfänglich die ersten dreißig Sekunden sträubte. Dann sah er aber recht schnell ein, dass es für ihn und seine Gesundheit das Beste wäre, einem Umtausch zuzustimmen.“ - „Und dieses Gerät?“ Hecktisch öffnete ich den Karton; leider zerriss ich ihn auch ein wenig dabei. Irgendwie ging es mir nicht schnell genug.
„Das ist von Saturn. Du solltest nur den Karton nicht so zerfleddern. Drei Jahre Garantie. Das neueste Gerät auf dem Markt. Und hier“, sie legte mir einen Packen Hunderter auf den Schreibtisch, „das ist das Rückgeld. Das neue Gerät hat nur gut ein Drittel deiner Errungenschaft gekostet!“
Ich staunte. Liebevoll strich ich über die glatte Fläche des Computers. Dann klappte ich den Deckel hoch. Sogleich leuchtete der Bildschirm auf und zeigte mir eine Programmauswahl an. „Toll.“
„Aber das Beste kommt noch“, Christine war kaum zu stoppen, „hier - dafür hat das Geld auch noch gereicht.“ Sie schob mir noch ein kleines Päckchen hin.
Was war das jetzt wieder? Pralinen? Als kleines Dankeschön, dass ich so ein guter Chef war? Und so nett eingepackt. In Geschenkpapier! Chrissi war doch meine Lieblingssekretärin - und meine einzige.
Rasch riss ich die Verpackung auf. Der Karton eines Handys blickte mir entgegen. „Ein Handy!?“
„Fast richtig, Chef. Ein Smartphone. Damit kannst du alles machen ...“ - „Auch telefonieren?“ - „Auch. Telefonieren, ins Internet, fotografieren und kleine Filmchen aufnehmen. Damit bist du mit der Technik auf dem neuesten Stand. Lies die Bedienungsanleitungen. Dann kannst du in kürzester Zeit Computer und Handy bedienen. Ich mach’ jetzt Schluss für heute.“ Christine wandte sich zum Gehen. „Moment!“, rief ich ihr hinterher. Dann nahm ich einen der Hundert - Euro - Scheine und reichte ihn ihr. „Ich glaube, das hast du dir verdient.“
Über den Bedienungsanleitungen - die ich wirklich las - vergaß ich fast die Zeit. Das Handy, oder besser Smartphone, stellte sich als ein kleines Wunderding heraus. Da kam mein altes Gerät natürlich nicht mit. Auch der Computer ließ sich recht einfach bedienen. Plötzlich machte es mir richtig Spaß, mit den Geräten zu arbeiten. Sogar Datum und Uhrzeit wurden am Bildschirm angezeigt. Achtzehn Uhr. Da war doch noch etwas? Ach ja - wie gut, dass ich nicht mehr in dieses Karv Dong Heisters, dieses dämliche Sportstudio, gehen wollte. So gewann ich heute richtig Zeit.
Ich fuhr meinen Rechner herunter - ja, soviel hatte ich schon gelernt: der Rechner musste ‚heruntergefahren’ werden - und überlegte: Sollte ich mal wieder zu Ernie ins PUB INN gehen? Zur Feier des Tages einen - oder zwei - echt irische Whiskey zu mir nehmen?
Eine hervorragende Idee. Hier war es heute so gut gelaufen, dass ich mir ruhig etwas gönnen sollte. Rasch schloss ich den Laden ab und schon stand ich in meiner kleinen Wohnung.
Achtzehn Uhr dreißig. Halb sieben. Um sieben würden die mit ihrem Training anfangen. Aber ohne mich. Da stand die Sporttasche. Sollte sie ruhig! Die brauchte ich nicht mehr. Im Vorbeigehen gab ich ihr einen leichten Tritt. Eigentlich könnte ich die Tasche ja auch auspacken und die Sachen wegräumen ... Ich hob die Tasche hoch. Wieder ein Blick zur Uhr. Zum Sportstudio war es nicht weit. Ich könnte noch pünktlich dort sein ... Energisch schüttelte ich den Kopf. Nie und nimmer!
Als ich mit leicht überhöhter Geschwindigkeit auf den Parkplatz des Sportstudios ‚Krav Maga Heisters’ einbog, dachte ich noch, dass Ernie heute bestimmt ohne mich auskommen würde, irischer Whiskey hin oder her.
„Hallo Jonathan.“ Jennifer blickte mir strahlend entgegen. Eine Gruppe von uniformierten Polizisten strebte Richtung Ausgang und unterhielt sich lautstark dabei. Wie ich ausmachen konnte, befanden sich auch Frauen darunter. Jennifer sah meinem Blick hinterher: „Ja, wir bilden hier auch Polizisten aus. Schön, dass du wieder da bist.“ Sie reichte mir eine kleine Karte. „Die ist für deine persönlichen Spinde hier im Haus.“ - „Spinde? Wieso mehrere?“ - „Du findest in allen Bereichen kleine Schränke, die du nutzen kannst. Auf der Karte ist eine Nummer. In der Bibliothek sind darin - zum Beispiel - schon alle notwendigen Bücher für dich. Natürlich kannst du sie mit nach Hause nehmen. In der Umkleide findest du verschiedene Trainings- und Kampfanzüge. Wir haben für alles gesorgt.“
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