„Vor allem dann, wenn wir ihn ohne Burka erwischen“, fügte Samira an. Die Burka dient ihm als Schutz vor Belästigung und sexueller Misshandlung. Alis Verhüllung sagt uns “
Elke legte den Stift zur Seite und betrachtete ihre Mitschrift. „So, jetzt fasse ich zusammen: Unser Ali wird die meiste Zeit im Haus als Küchenhilfe, als Putzkraft und beim Wäschewaschen verbringen, wohnen wird er in der Dachkammer, beim Essen kommt er als Letzter dran, außerhalb seines Zimmers muss er immer Burka tragen, Freizeit ist gestrichen, unsere Anweisungen hat er strikt zu befolgen, sein Zimmer darf er nur mit Genehmigung verlassen, von den Frauen hat er sich fernzuhalten.“
„Und“, ergänzte Gerda, „wenn er diese Regeln nicht befolgt, haben alle Frauen das Recht, ihn sexuell zu belästigen oder zu misshandeln.“
Inzwischen hatte Erika wieder den Raum betreten. „Hast du alles verstanden?“, fragte sie Ali harsch.
„Verstanden schon, aber einverstanden bin ich damit nicht,“ entgegnete dieser leise. Die geballte weibliche Aggressivität hatte ihn völlig eingeschüchtert.
„Du lässt dich auf das Rollenspiel ein!“, blaffte Lydie los. „Denkst du, wir haben dich durch ganz München gekarrt und uns deinem dämlichen Gequatsche ausgesetzt, damit du dich weigerst, diesen Unterschlupf hier anzunehmen?“
„Wenn wir gewusst hätten, was da auf uns zukommt, hätten wir dich in der Klapse gelassen“, ergänzte Helga.
Ali drehte den Kopf zur Seite und murmelte: „Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt, wäre ich gar nicht mitgekommen.“
„Er ziert sich“, meinte Samira verächtlich. „Obwohl wir ihn wesentlich besser stellen, als die Frauen in meiner Heimat. Er muss weder Angst vor einer Vergewaltigung haben, noch davor, dass er der Ehre wegen getötet wird.“
Erika trat an Ali heran. „Sollen wir dich vergewaltigen, damit du dich fügst? Auch wenn es bei euch Männern nicht so einfach geht, wir kriegen das schon hin!“
Alis Widerstand gegen die weibliche Übermacht war nun völlig gebrochen. Dutzende Schweißperlen auf seiner Stirn bahnten sich ihren Weg nach unten. „Nein, bitte, bitte nicht!“ bettelte er. „Ich werde hier leben wie eine orientalische Frau und bin gehorsam.“
„Okay“, meinte Erika, „obwohl es bei dir als Mann etwas länger dauert, ist der Groschen jetzt gefallen. Wenn Irmi und die Hausbewohnerinnen zustimmen, bleibst du eine Zeit lang hier.“
„Gott sei Dank!“, entfuhr es Helga.
Lydie atmete laut aus und sagte: „Na endlich – länger hätte ich den Kerl nicht ausgehalten!“
„Hoffentlich überfordern wir ihn nicht“, warf Elke ein. Seine patriarchale Sozialisation hat sich sicher tief in seine Persönlichkeit eingegraben.“
„Für ihn ist es ganz einfach“, entgegnete Samira: „Er muss immer nur daran denken, er wäre eine seiner Schwestern, wir Hausbewohnerinnen wären die familienfremden Männer seines Dorfes und Ihr Mitarbeiterinnen wäret seine männlichen Familienangehörigen. Wenn er sich so verhält, wie sich die Schwester verhalten sollte, bekommt er keine Probleme.“
„Hast du das kapiert?“, fragte Erika.
Ali nickte gehorsam und dachte: ´Welch eine Schande! Jetzt soll ich leben wie meine Schwestern. Das hat mir der Erzengel aber nicht gesagt! Leider habe ich keine andere Wahl. Sobald ich dieses Horrorhaus verlassen habe, werde ich umso aufrechter das Leben eines geachteten muslimischen Mannes führen.`
„Übrigens“, sagte Erika nach kurzem Schweigen, „ich habe Irmi erreicht. Sie hat gleich verstanden, dass dieser Fall eine dringende Angelegenheit ist, und beeilt sich.“
In diesem Moment klingelte Helgas Handy. Am anderen Ende meldete sich Volker: „Ja, wir sind noch im Verhandeln“, sagte Helga. „Das Ganze ist recht kompliziert geworden, der Ali hat sich extrem dämlich angestellt und ist aufgeflogen - aber wir scheinen Glück zu haben; so wie es aussieht, darf er, als Burkafrau verkleidet, im Haus bleiben. ... Ja, er muss sich auch wie eine Burkafrau verhalten. ... Sein Jungfrauengequatsche haben sie ihm schon ausgetrieben. ... Wie lange es noch dauert? Kann ich nicht genau sagen. Eine halbe, eine ganze Stunde? ... Ihr wollt nicht auf uns warten? ... Da kann ich nichts ändern. ... Nein, den Bus kriegt ihr nicht; wenn es euch pressiert, könnt ihr mit den Öffentlichen zurückfahren. ... Dann geht halt in ein Lokal. Wenn wir soweit sind, rufen wir euch an, okay? ... Ja, ohne den Verrückten, ich denke, das wird schon klappen. Tschau!“
„Das waren unsere beiden Begleiter, die auf der Straße stehen“, erklärte Helga. „Die haben gefragt, wo wir bleiben und was mit dem Ali ist. Denen dauert es schon zu lange.“
„Da hast du genau richtig reagiert“, meinte Erika. „Männer haben stundenlang Zeit, vor einem Bildschirm zu sitzen und nackte Frauen anzuschauen, da können sich die Herrschaften auch mal gedulden, damit wir Frauen alles in Ruhe klären können.“
„Ich will nicht hierbleiben, ich möchte lieber zu den beiden Männern, die im Bus sind“, sagte Ali zaghaft. „Selbst wenn dort keine wunderschönen Jungfrauen auf mich warten.“
Erika riss die Augen auf. „Jetzt reicht es uns mit deinem Gefasel! Du gibst unaufgefordert keinen Ton mehr von dir, sonst kleben wir dir den Mund zu.“
Lydie nahm die durchnässte Burka aus dem Wasserbottich. „Du bist jetzt wieder die stumme Burkafrau! Los zieh dir das Ding über und setz dich abseits von uns auf einen Stuhl!“
Ali hob abwehrend die Hände. „Ich will die Burka nicht anziehen, sie ist nass und kalt! Ich möchte lieber trockene Kleidung, mich friert.“
„Von wegen!“ schaltete sich Samira ein. „In meiner Heimat wurden Frauen, nur weil sie keine Burka trugen, vergewaltigt und du regst dich auf, weil du wegen ein paar nasser Klamotten einen Schnupfen bekommen könntest!“
Helga blickte Ali mitleidig an und sagte: „Ach seid halt nicht so garstig zu ihm, er hat euch doch nichts getan!“
„Nichts getan?“, fuhr Sabine hoch. „Seine Besessenheit nach Jungfrauen beinhaltet Gewalt pur!“
„Genau so ist es!“, sagte Erika und richtete ihren strengen Blick auf Ali. „Zieh dir deine Burka über und setz dich auf den Stuhl! Wenn ich von den Bewohnerinnen komme und du bist noch immer ohne, helfe ich mit dem Elektroschocker nach! Nur dein Gesicht darf ausnahmsweise frei bleiben!“
„Los steh endlich auf und nimm die Burka!“, sagte Lydie.
Mühevoll erhob sich Ali vom Boden und nahm das nasse Teil entgegen. Erika ging auf die Türe zu und sagte: „Ach übrigens, du setzt dich ohne Kissen auf den Stuhl, nicht dass du es noch einnässt.“
Unterstützt von Helga zog sich Ali wieder das triefende Gewand über. Zitternd trat er an einen freien Holzstuhl, entfernte das Kissen und nahm Platz.
„So machst du das richtig“, kommentierte Lydie mit zufriedener Mine, worauf Ali sie im Stillen verfluchte.
Nach kurzem Schweigen fragte Elke: „Ali, wieso sprichst du eigentlich so gut Deutsch?“
„Ich spreche fließend Deutsch, weil, äh, weil ich in meiner Heimat deutsche Touristen betreut habe.“
„Aber weshalb bist du geflüchtet? Das mit dem Ehemann, der zum Christentum übergetreten ist, kann wohl nicht stimmen.“
Schweigend überlegte Ali, was er sagen sollte.
„Los, antworte!“, drängte Gerda. „Jetzt darfst du reden, wir erlauben es dir. Aber nimm nicht mehr das Wort Jungfrau in den Mund!“
Während Ali weiter nachdachte, was er sagen sollte, ergriff Helga das Wort: „Er hat die Regierung seines Landes kritisiert und ihr vorgeworfen, eine Marionette der US-Regierung zu sein. Als er erfuhr, dass ihn deshalb die Geheimpolizei verhaften wollte, ergriff er die Flucht.“
„Stimmt das?“, fragte Gerda und blickte Ali misstrauisch an.
„Genau so war es“, antwortete dieser, froh darüber, dass er nicht mehr selbst antworten musste.
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