Aber der Bach in Zabelkau: Am mittleren oberen Ende des Baches im Dorfe war die Metzgerei und Gastwirtschaft von Hermann Ritzka. Die Abfälle beim Schlachten der Tiere flossen ungeklärt in den Bach. Hier konnte man im Umkreis des Abfalleinflussbereichs die zweitbesten Fische im Bach fangen. Die besten Fische konnte man mit dem Kartoffelkorb im Einflussbereich der zweiten Metzgerei, etwa 600 m unterhalb der Metzgerei der Familie Ritzka, die dem Herrn und Frau Kosubek Ludwig gehörte, vielleicht, weil der Einflussbereich dieser Metzgerei von Eschen überwachsen war und am Ende des Dorfes im Wasserablauf des Mühlteiches des Müllers Oletzki in den Bach. Hier beim Ablauf des Mühlteichs in den Bach, der nebenbei das Wasserrad der Mühle antrieb, hat der Müller aufgepasst, dass ihm keiner die beflossenen und beschuppten schwimmenden Brocken aus dem Bach holte. Und zu dem Wasser im Bach sei noch gesagt: Im Sommer, wenn wir beim Herumtollen Durst bekamen, ist keiner von uns Kindern heimgegangen um etwas zu trinken; da gab es auch nur Wasser aus den Brunnen vor dem Lehrerwohnhaus. Was taten wir, wir gingen runter an den Bach und schöpften mit unseren beiden Händen das dahinfließende Wasser und tranken es. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein Bachwassertrinker krank oder irgendwie zum Allergiker wurde. Ich denke heut noch oft an das gute und erfrischende Wasser im Bach, besonders wenn ich heute am Ende unserer Wiese unten am Mühlbach stehe und das langsam dahinfließende Wasser beobachte.
1942,wieder im neuen Ratiborer Domzil:
Eines Tages in den Sommerferien kam ich auf die Idee, Schwester Janne und Bruder Kalle zu überreden, dass wir nach Zabelkau wandern. Also fragten wir Mama, ob sie was dagegen hätte, wenn wir morgen nach dem Mittagessen losmarschieren dürfen. Mutter war zunächst mit unserm Ansinnen gar nicht einverstanden, fragte aber Bruder Franz, was er darüber denke. Bruder Franz sagte Mama: „Wenn Felix der Urheber dieser fixen Idee ist, dann kannst du sie ruhig gehen lassen, denn so wie ich ihn kenne, gehen sie mit ihm nur bis zur Herz Jesu Kirche, da hinein und kommen in ein bis zwei Stunden wieder nach Hause.“ So weit war alles klar. Wir durften am nächsten Tag gegen 14.30 Uhr losmarschieren, denn so dachte Mutter, wir sind spätestens um 16.30 Uhr, wie Bruder Fanz sagte, wieder zurück. Es wurde 19 Uhr und wer war immer noch nicht zu Hause?, die drei Wanderer. Nachdem Bruder Franz festgestellt hat, dass niemand in der Herz Jesu Kirche ist , hat Vater kurz nach 19 Uhr, wir gehen gerade an der Post in Zabelkau vorbei, angerufen. Am Fenster des Postamtes steht die Posthalterin, Frau Fukas, mit dem Telefonhörer in der Hand. Wie ich später von Vater erfahren habe, hat er gerade um diese Zeit von Ratibor angerufen und gefragt, ob sie vielleicht etwas über uns wüsste. Und sie, die Posthalterin, hätte gesagt, dass wir gerade unten auf der Straße vorbei gehen. Wir gingen schnurstracks zum Lehrer Karsten, der auch im großen Lehrerwohnhaus im Erdgeschoss wohnte, bei dem wir übernachteten. Vor dem Schlafengehen haben Richard, Lehrer Karstens Sohn, Kalle und ich Zabelkau unsicher gemacht. Am nächsten Morgen, kurz nach dem Frühstück kam Vater mit der Bahn nach Zabelkau, bedankte sich bei der Lehrerfamilie wie auch wir uns bedankten und ab ging’s nach Annaberg, das jetzt Ruderswald 3 hieß, zum Bahnhof, um mit der Eisenbahn nach Ratibor zurückzufahren. Mutter hätte am liebsten uns allen den A.... versohlt, vom Vater bekamen wir für die Leistung, so glaube ich jeder eine Mark Belohnung; aber wir mussten ihm fest versprechen, so etwas nie wieder zu tun. 1943 durfte ich zum Zabelkauer Ablass, nachdem ich mich schriftlich bei Familie Soloich Franz selbst eingeladen habe mit der Eisenbahn früh hinfahren. Vater kam am Abend nach Zabelkau, hat mich abgeholt und sich für ihre Gastfreundschaft seinem Sohne gegenüber bedankt, was auch ich tat.
Kalle und ich hatten schon 1942 so skurrile Einfälle. Auch aus Kanthölzern, etwa 5 cm Durchmesser und etwa 5 bis 6 cm Länge machten wir uns Tabakpfeifen. Wir bohrten von oben in diese Kanthölzerstücke Löcher, die ca. 2cm breit und 3 cm tief waren. In das untere Ende des gebohrten Loches bohrten wir von außen nach innen ein etwa 3 mm Loch, in das wir dann ein Glasröhrchen steckten, das wir wiederum Bruder Klaus aus seinen Chemiekeller, der sich rechts vom Fahrradkeller befand, heimlich stibitzten. Als Tabak diente der Russische Tee, den Muttern im nicht verschlossenen Glasschrank rechts an der Wand zur Straße guckend, in der Festtagsstube aufbewahrte. Mutter musste es bemerkt haben, denn sie machte da hin und wieder so ihre Bemerkungen über den Russischen Tee, der heute auch nicht mehr das sei was er früher mal war, denn der heutige Tee scheint, obwohl er in einer Dose luftdicht verpackt ruht, dass ihr Tee, der kaum weggekocht wurde, immer mehr in seiner Substanz zusammenschrumpfte. Jedenfalls, eines Nachmittags, Kalle und ich saßen am Dach auf dem Brett am Schornstein angelehnt, auf dem normalerweise der Schornsteinfeger stand, wenn er den Schornstein von oben reinigte und rauchten genüsslich unser mit Russischem Tee gefülltes Pfeifchen. Da wir ja rücklings am langen und breiten Schornstein zum Garten saßen, folglich nicht sehen konnten, dass unser Vater unten im Garten seine Runden drehte, was er immer tat, wenn bei seinen Unterrichtsvorbereitungen ein kniffliges Ding anstand. Bei seinem Rundgang musste ihm aufgefallen sein, das es links und rechts am unteren Ende des Schornstein qualmte; aber zuweilen qualmte, es auch schwach über den Schornstein hinaus, obwohl in unserem einzigen Feuerofen in der Waschküche kein Feuer brannte. Neugierig geworden woher der Rauch wohl kommen könne, kam Papa über den Dachboden auf das Dach; und nicht nur der Rauch hinter dem Schornstein war aufgeklärt, sondern auch Mutters Wehklagen über das vermeintliche Zusammenschrumpfen des Russischen Tees. Der Glasschrank in der guten Stube war ab sofort abgeschlossen und der Russische Tee war wieder das was er früher mal war, nicht mehr selbst auflösend.
Hochsommer 1942 u. 43. An den warmen klaren Sommernachmittagtagen saßen Mama, Papa und einige von uns Kindern oft auf der Terrasse, oder wir Buben spielten mit eingewickelten Socken bar Fuß auf ihr Fußball. Manchmal gab es zur Kaffeezeit einen Nachtisch, der aus einer Magerquarkspeise, schichtweise gefüllt mit gerösteten Haferflocken, Quark und Schattenmorellen bestand. Mir fiel damals auf, dass unsere Eltern des öfteren ihre Nasen hoben und in der Luft herumschnupperten und sich entsetzt anschauten. Da ich gern den Nachaffen spielte, machte ich es ihnen nach, ohne zu ahnen, was es da zu schnuppern gab. Es roch manchmal so komisch, besonders wenn der Ostwind stärker blies als sonst; ich aber mit diesem Geruch damals nichts anfangen konnte. Heute weiß ich, dass es der Geruch von Verbranntem war; denn keine 70 km Luftlinie nach Osten von uns entfernt war das Lager Auschwitz. Dieser Duft, der so nach Verbranntem roch, kam vermutlich aus den Krematorien, die mit dem Verbrennen der vergasten Leichen kaum noch nachkamen. Ich habe auch darüber mit Mutter beim Frühstücken Anfang der fünfziger Jahre über ihr, für uns damals recht komisch wirkendes Schnuppern in der Luft gesprochen. Mutter meinte, dass sie damals, obwohl sie regelmäßig um 19 Uhr die Londoner Nachrichten hörten, auch nichts Genaueres über die Herkunft des komischen Geruches wussten, aber eine so vage Vorahnung hatten. Die Rationen auf den Lebensmittelkarten wurden langsam immer, immer weniger. Ja, ja wenn, ja wenn es nicht da und dort die guten Geister gegeben hätte, besonders Tante Rut in Kosel, Tante Hedwig und die Bauern in Zabelkau aber auch in Reigersfeld oder später in Wernersdorf !?! 1943, in den Sommerferien wurde es behördlich genehmigt auf den Feldern Ähren zu sammeln. Und, wenn der Eigentümer dieser abgeernteten Felder das Ährensammeln genehmigt und hinterher bescheinigt hat, durfte der nächste Müller dieses Getreide, zusätzlich zu den Brotmarken mahlen. Auch Herr von Rudzinski, der in Dirschel nicht nur eine Gipsgrube besaß, sondern auch einen Hof von gut 100 Morgen, sehr fruchtbares Land bewirtschaftete, hat uns zum Ähren lesen auf seine Felder eingeladen. Opa, Kalle und ich sind mit dem Postbus nach Dirschel gefahren. Ob Schwester Janne dabei war weiß ich nicht. Wir drei haben jedenfalls zwei Nächte bei Herrn von Rudzinski übernachtet und wurden auch da beköstigt. Besonders gut schmeckte zum Nachtisch ein Glas frische, nicht zu laue Kuhmilch, an die ich mich besonders gern erinnere. Wir haben ziemlich viele Weizenähren gesammelt, die wir gleich auf dem Felde vom Strohhalm abpetzten und in einem normalen Sack verstauchten. Ich glaube, dass es etwa zweieinhalb gestampfte Säcke Weizenähren waren, die wir bei Herrn v. Rudzinski gleich gegen guten Weizen eintauschten. Da Herr von Rudzinski in seiner Bescheinigung nicht nur uns Dreie erwähnte, sondern von Kleinchristian bis hinauf zum Bruder Franz alle hochrechnete, waren es mehr als vier Zentner guten Weizen; knapp drei davon haben wir gesammelt, den Rest haben wir, wie es hieß, fürs Dreschen nur bezahlen müssen. Mit dem Postbus, vormittags hin und abends zurück, haben wir den Weizen in Rucksäcken in Dirschel geholt und um immer für alle Eventualitäten (Polizeikontrollen) gewappnet zu sein, haben wir Herrn v. Rudzinskis Bescheinigung immer dabei gehabt. Ich weiß noch, dass wir einen Zentner davon in der Dampfmühle auf der Troppauerstraße, schon hinter der Pschinna, haben mahlen lassen. Mit dem Mehl wurde die „Schrotmehlsuppe“ verfeinert, mit der Kleie und gekochten Kartoffelschalen die „Stopperl“ für Tante Ruts und Tante Hedwigs Gänse gebacken oder um sie, die Gänse, fett zu machen. Ich weiß, dass das Stopfen der Gänse eine Tierquälerei war; ich weiß aber auch, dass es damals keine Tierquälerei zum Vergnügen war, denn ich weiß auch nicht, ob wir alle Geschwister ohne dem zusätzlichen Löffel Gänsefett in der Einbrennsoße zu dem geworden wären was wir heute sind. Bestimmt haben die von uns gestopften Gänse im Gänsehimmel einen besonderen Platz in der ersten Logenreihe! Dazu noch bisschen mehr auf der nächsten Seite!!
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