"Dass wir die Fahne dort oben aufgepflanzt haben, Mister Knatchbull. In unserer Lage gibt es nur eins: Auf den gegebenen Zustand einrichten, als gäbe es vorläufig kein Entrinnen."
Sundström hatte so sicher gesprochen, dass ihm unwillkürlich einige vom Gefolge des USIC-Präsidenten zunickten. Strong vergaß sich sogar. "Bravo, Herr Sundström!" Dann sah er, über sich selbst erschrocken, zu Knatchbull hinüber und begann verlegen seine Brille zu putzen.
Als sie zu dritt wieder zum Delphin hinüberruderten, sagte Strong zu Sundström: "Ich wollte, Sundström, Sie verständen sich besser mit Mister Knatchbull. Einesteils betrachte ich Sie als vom Himmel gesandt, andernteils empfinde ich, es als Unglück, dass auf dieser kleinen Insel zwei solche Menschen zusammentreffen mussten."
Der Reverend tat Sundström leid. "Wie heißt das schöne Wort, Strong?" fragte er. "Mit 'einesteils und andernteils', erklimmt man immer neue Weils, bemogelt uns ums klare Wort, schiebt die Entscheidung von sich fort."
Strong ließ nicht von seinem Konzept. Weil er die Welt so endgültig absolut sah, wie man es ihn gelehrt hatte, weil er die Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Kräfte und Gegenkräfte nicht kannte, meinte er, solche Auseinandersetzungen seien lediglich Fragen der verschiedenen Charaktere, und glaubte, es würde seiner seelsorgerischen Beharrlichkeit gelingen, diese beiden Männer zu lieben Freunden zu machen. "Bester Herr Ingenieur", sagte er, "Sie tun Philipp Knatchbull manchmal Unrecht ..."
"Aber bloß manchmal", warf Pete ein.
"Auch das ist nicht gut", der Reverend verstand den Witz nicht, "denn Sie sehen zu sehr den Präsidenten der USIC, das große Gesellschaftstier. Bemühen Sie sich doch ein klein wenig, den privaten, den wirklichen Knatchbull hinter der rauen Schale zu finden. Ich kenne keinen aus meiner großen Bekanntschaft, der so wahrhaft uneigennützig beträchtliche Summen für Wohltätigkeitszwecke stiftet, keinen ..."
"Dass wir nicht am Kern vorbeireden, Reverend: Natürlich sehe ich Mister Knatchbulls Qualitäten, Führungsqualitäten in Reinkultur. Er muss führen. Die USIC, ihre Tochter- und Enkelgesellschaften, Amerika, jetzt unsre Insel, und möglichst die ganze Welt. Und wenn diese Welt nicht will, dann mag sie seinetwegen zum Teufel gehen. Eine Welt, in der Mister Knatchbull nicht führen, das heißt bedingungslos diktieren kann, ist für ihn hassenswert."
"Sie sehen das so", sagte Strong ergeben, "aber gäbe es diese Naturen nicht, dann würde die Menschheit ihre Geschicke nicht meistern."
"Oder besser", sagte Pete.
"So ist's", fuhr Sundström fort, "es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Wenn Knatchbull nicht auf der Insel wäre, würden wir wie im Paradies leben. "
Sie hatten sich jetzt durch die Brandung zu arbeiten. Als es ihnen wiederum geglückt war, nicht allzu nass hindurchzukommen, sagte Strong mit artigem Lächeln: "Das Gleiche kann er von Ihnen auch behaupten."
"Nicht ganz", warf Pete ein, "denn ohne Sundströms Talente wären wir aufgeschmissen. Aber was hat uns Knatchbull schon genützt?"
"Hat er nicht am meisten gegeben?" fragte Strong sanft. "Er ist doch der Besitzer des Delphins."
Die beiden Freunde kicherten, und Hawk rief belustigt: "Der Delphin würde mit Niet und Nagel ohne den kleinsten Vorteil für uns untergehen, wenn wir alle nach Knatchbulls Pfeife tanzen wollten."
"Nun, man sollte nicht alle seine Worte auf die Goldwaage legen", versuchte der Reverend einzulenken.
"Deshalb sind wir ja auch hier", erwiderte Sundström und schwang sich an Deck des Delphin. Sie begannen zu wuchten und zu hämmern, zu tragen und zu verstauen, und bald war die Schaluppe gefüllt. Ein Zeichen zum Strand, und die Schaluppe glitt zum Land. Im Heck stand, wie immer, Strong.
"Endlich allein", sagte Pete und grinste hinterhältig.
Sundström verstand ihn. "Dieser verflixte Sekretär. Wir können doch nicht kostbare Stunden vertrödeln, um sein Geheimfach zu finden."
"Und vielleicht hat er nicht mal eins."
"Möglich, aber ich glaub's nicht. Wir müssen das Ding wohl oder übel an Land bringen und Knatchbull zu beobachten suchen, wenn er ans Geheimfach geht."
Pete streichelte gedankenschwer seine Schifferkrause. "Schwacher Trost. Müssten wir ja tolle Glückspilze sein. Aber es nutzt nichts. Mich reizt nämlich auch noch was anderes. Wir müssen so bald wie möglich Aufbauten und Deck über der Kombüse einreißen."
"Allerdings, wenn wir Wert auf die Einrichtung legen."
"Und ob, Knut. Das ist doch bald das Wichtigste vom Delphin."
Die blitzblanken Eimer, Pfannen und Kasserollen Wan-hei-tschungs sind die Arbeit schon wert."
Als sie Strong wieder zurückgehievt hatten, sagte Sundström zu ihm: "Bringen Sie beim nächsten Mal bitte den Oberst mit, Strong. Dann können sie beide den Kahn beladen, Pete und ich legen die Kombüse frei. Knatchbull, Emerson und die Frauen müssten am Strand genügen."
Die beiden Freunde werkten mit Beil und Säge, Hammer und Schraubenschlüssel, ihre nackten Oberkörper glänzten vom Schweiß. Gegen die stechenden Sonnenstrahlen hatten sie aus dem Bestand des Delphins zwei riesige Basthüte entnommen und sahen chinesischen Reisbauern ähnlich. Trotz der schweren Arbeit verrann schnell die Zeit bei dem Bemühen, recht bald die Schätze der Kombüse zu heben.
Sie waren erstaunt, als die Schaluppe wieder anlegte. Downburn war mitgekommen und wurde in die Arbeit eingewiesen. Strong, nun schon eingespielt, packte, und der Oberst reichte zu. Wären die Freunde nicht so in ihre Arbeit versunken gewesen, hätte ihnen die Einsilbigkeit der beiden auffallen müssen. Als Sundström das Zeichen zum Strand gab, wunderte er sich, dass Downburn in die Schaluppe sprang. Ehe er fragen konnte, übergab ihm der Oberst einen Brief mit den Worten: "Von Mister Knatchbull an Sie beide. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch sollte ich ihn erst bei der Abfahrt überreichen.- Tut mir leid, Sundström - tut mir leid!" Downburn zuckte die Schultern wie ein Mann, der von der Richtigkeit seines Tuns nicht sehr überzeugt ist.
"So, Pete, setz dich vorsichtshalber erst mal hin. Wenn da keine Überraschung drinsteckt, dann sind wir auch nicht schiffbrüchig geworden." Sundström ließ sich ebenfalls auf einen Stapel nieder, entfaltete das Schreiben und las halblaut vor:
"Meine Herren! Ich fordere Sie auf, sofort die Zerstörungsarbeit an meiner Jacht einzustellen. Anstatt anzuerkennen, dass ich weitgehende Einwilligungen gab, gehen Sie dazu über, den Delphin vollends zu zerstören. Ich gestatte Ihnen das nicht, weil ich die Hoffnung auf baldige Rettung und die Instandsetzung des Delphins nicht aufgeben werde. Zum Zeichen Ihres Einverständnisses, meiner Aufforderung nachzukommen, schwenken Sie ein weißes Tuch oder dergleichen. Ich schicke die Schaluppe nicht eher zu Ihnen, bis Sie das Zeichen gegeben haben als Versprechen, sich meinem Wunsche zu fügen. Machen Sie sich keine Illusionen. Ich bin entschlossen, meinem Recht als Eigentümer der Jacht und allem, was mit ihr zusammenhängt, Nachdruck zu verleihen. In der Hoffnung, dass Sie klug genug sein werden, den Verhältnissen entsprechend zu handeln, grüßt Sie freundlichst
Ihr Philipp Knatchbull."
Die beiden Freunde sahen sich einen Augenblick sprachlos an, dann lachten sie schallend.
"Dieser Giftzahn wartet ab, bis er denkt, er hat uns in der Falle, und dann stellt er Bedingungen", erboste sich Pete.
"Aber erst, nachdem wir ihm brav alles an Land gebracht haben, was er zu seiner Bequemlichkeit braucht. Na warte, der soll seine Antwort haben. Wir werden - Teufel - jetzt ist guter Rat teuer." Sundström setzte sich in den Schatten und begann sich eine Zigarette zu drehen. "Zum Rufen ist es zu weit. Fahnenwinken wird er uns als das verlangte Zeichen unterschieben."
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