Sundström nickte, und sie machten sich beide an die Demontage. So hatten sie lange nicht geschuftet. Endlich lag das Präzisionswerkzeug wohlverwahrt in der Mitte des Bootes.
Der Ingenieur schüttelte einen Schweißtropfen von der Nasenspitze und ächzte: "Ein Glück, dass der Delphin keinen Hochofen an Bord hat."
'"Freu dich nicht zu früh", warnte Pete, "wir nehmen vom Schiffsmotor, was wir schaffen können. Auf jeden Fall die Lichtmaschine."
"Aber nicht heute", maulte Sundström.
"Nee, leider. Dann wird es uns zu spät." Diese Tatsache schien Pete ehrlich zu betrüben.
Zum Schluss hievten sie noch eine längliche Kiste voller Elemente und Trockenbatterien in die Schaluppe; dann verstaute Pete den Derrick wieder an unzugänglicher Stelle.
Sie stießen ab und nahmen zuerst Kurs nach Westen auf das offene Meer hinaus, um die Klippe gefahrlos zu umschiffen. Die Höhle lag auf der dem Strandungspunkt abgewandten Seite der Klippe. Das Boot hatte ziemlichen Tiefgang, und bei stärkerer Dünung hätten sie sich diese Belastung nicht erlauben dürfen. Darum ruderte Pete allein, während Sundström wieder die Pinne führte. Nur durch die Brandung, nahe vor dem Korallenfelsen, ruderten sie zu zweit. Dieses Wagnis misslang beinah. Sie nahmen so viel Wasser über, dass sie dicht vor dem Absinken standen. Geistesgegenwärtig schrie Sundström: "Hopp, über Bord, Prinz!" und wies auf das Wasser. Der Hund gehorchte und hielt sich schwimmend so lange neben dem Boot, bis die Freunde das Wasser ausgeschöpft hatten.
Hinter der Brandung war das Meer spiegelglatt. Sie fanden eine günstige Anlegestelle, machten die Schaluppe fest und gingen, die Höhle zu suchen. Der geräumige Felsenraum lag trocken, vor allen Winden geschützt, und man musste schon Erfahrung und die scharfen Augen eines Pete haben, um ihn zu entdecken. Jetzt galt es, das Boot so nahe wie möglich an das Versteck heranzubringen, Sie gingen zurück, machten los, und Sundström steuerte dicht an der Klippe entlang, unter Überhängen hindurch, an labyrinthartigen Buchten und Einschnitten vorüber. Plötzlich wurde es dunkel. Sie befanden sich in einer Wasserhöhle. Laut hallte das Klatschen der Ruderschläge von den Wänden wider. Es roch stark nach Meerwasser. Der Ingenieur zündete eine Fackel an. Beinahe andächtig betrachteten die Freunde den eigenartigen Dombau, den die Kräfte der Natur geschaffen hatten. Dieser überwölbte Naturhafen war eine Wasser-Sackgasse. Das flackernde Licht der Fackel zauberte groteske Gebilde auf die bizarren Formationen aus Korallenkalk. Ähnlich dem Summen in einer großen Muschel, tönte von draußen das Geräusch der Brandung. Trotzdem hörte man das Fallen jedes Wassertropfens.
"Schade, wir müssen zurück", sagte Pete,
"Nicht so voreilig." Sundström befahl Prinz, die Fackel mit den Zähnen zu halten, dann steuerten sie eine Uferbank an, so günstig gelegen, als wäre sie von Menschen geschaffen. Sie nahmen noch eine Reservefackel und machten sich, Prinz voran, an die Untersuchung des über dem Wasser gelegenen Teils. Sie merkten bald, dass der viel größer war, als es zuerst den Anschein hatte. Aus Nebenhallen, durch winklige Grotten zurückkehrend, gelangten sie, meist bergauf steigend, immer weiter fort von dem praktischen Naturhafen. Plötzlich sahen sie in der Ferne einen schwachen Schimmer. Erregt schritten sie darauf zu. Durch einen türbreiten Durchgang tretend, befanden sie sich in einem einladenden Raum, dessen Eingang ins Freie führte. Die Männer traten mit dem Hund hinaus und musterten das Vorgelände.
"Wir Ochsen", stellte Pete selbstkritisch fest, "den Umweg über die Klippe brauchten wir nicht zu machen, wenn wir vorhin den Durchgang gefunden hätten."
Sie standen vor ihrer Höhle.
"Lass gut sein", beschwichtigte Sundström, "die Entdeckung eines so idealen Geheimausgangs war die kleine Mühe wert." Er sah besorgt zum Mond, der schon bedenklich tief über den Palmen stand. "Es genügt, wenn wir heute Nacht unsere Siebensachen in der unteren Höhle abstellen. Ich möchte nicht ohne Fisch nach Hause kommen."
Pete stimmte ihm zu. Eilig wanderten sie den Höhlengang zurück und machten sich ans Ausladen. Was sie auf der Rückfahrt fingen, ergab am nächsten Tag ein Gericht, das als schmackhafte Abwechslung das Lob der meisten Inselbewohner fand.
Satt und ein wenig müde, lehnten sich alle in ihre bequemen Sessel zurück.
"Wann fangen wir an zu bauen?" fragte Rose Taylor.
"Wahrscheinlich übermorgen", antwortete Sundström. "Jedenfalls, sobald wir mit dem Ausschlachten des Delphin fertig sind."
Das Mädchen wollte noch mehr wissen. "Und wer macht den Bauleiter?"
"Natürlich Herr Sundström", sagte Ellen Knatchbull.
" Vielleicht ist jemand da, der sich dazu für befähigter hält?" forschte Sundström.
"Absurd, wenn wir einen Ingenieur unter uns haben", warf der Oberst ein.
"Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass außer Fachkenntnissen auch Organisationstalent dazugehört." Knatchbull glaubte, seinem Ansehen diesen Einwurf schuldig zu sein.
"Das besitzt ja Herr Sundström zweifellos", meinte Joan Knatchbull. Dafür bekam sie einen ärgerlichen Blick ihres Gatten.
"Sie sind also auf Biegen und Brechen zum Oberbaurat bestimmt, Herr Sundström", erklärte Ellen Knatchbull.
"Auf Biegen und Brechen war nicht schlecht gesagt", erwiderte Sundström, "ich verbürge mich für das Gelingen, stelle aber einige Bedingungen: Meinen Anordnungen beim Bauen muss Folge geleistet werden. Dazu gehört: Um halb acht Beginn der gemeinsamen Arbeit. Von halb zehn bis zehn Uhr Pause. Dann bis dreizehn Uhr Arbeit, zwei Stunden Mittag, und von fünfzehn bis siebzehn Uhr noch einmal Arbeit. Das sind sieben Stunden Pflichtarbeit, bei dieser Hitze angemessen. Der Rest des Tages bleibt dem Einzelnen überlassen, darf aber gern zu freiwilliger Arbeit verwendet werden, bis wir aus dem Gröbsten heraus sind. Je zwei Frauen versehen den Küchendienst, während die beiden andern zu leichteren Arbeiten eingeteilt werden. Die jeweiligen Köchinnen haben für pünktliches Essen und Trinken in den Pausen zu sorgen. Nörgeleien und dergleichen sind bei der Arbeit zu unterlassen. Vorschläge werden allabendlich an der gemeinsamen Tafel vorgebracht und durch Abstimmung entschieden. Sind alle damit einverstanden?" Sundström schaute einen nach dem andern an.
"Sind das nicht ein bisschen viele Vollmachten, die Sie sich da eingeräumt haben, Sundström?" Knatchbull bemühte sich, seinen Worten einen harmlosen Klang zu geben.
"Das mag vielleicht so aussehen, aber anders wird es kaum gehen. Außerdem", Sundström neigte lächelnd den Kopf zu Knatchbull hin, "steht es Ihnen frei, beim abendlichen Forum Übergriffe des Bauführers anzuprangern und sich gegebenenfalls an seine Stelle wählen zu lassen."
Knatchbull trat einen vorsichtigen Rückzug an, als er merkte, dass sein Einwand nirgends Sympathie erweckte. "Na, wir werden sehen."
Pete Hawk machte es ein heimliches Vergnügen, die Inselpartner jetzt zu einer förmlichen Abstimmung zu bringen. Außer Knatchbull stimmten alle für den Ingenieur.
Emersen hatte die Reaktion seines Herrn abgewartet und behielt ebenfalls den Arm unten.
In das peinliche Schweigen fielen Hawks Worte: "Mit sieben Stimmen angenommen, bei zwei Stimmenthaltungen. Ich danke."
Der König als Holzfäller Spaziergang aus Rache Die Schüsse und die Amazonen
Nach kurzer Beratung war beschlossen worden, das große Haus dicht neben dem alten Lagerplatz aufzubauen. Sundström zeichnete die Grundrisse auf, Pete stellte Lote und mehrere Maßstöcke her. Man wollte mit Einheitsgrößen arbeiten. Alle Fenster und Türen sollten die gleichen Abmessungen haben.
Die vier andern Männer fällten besonders ausgesuchte Palmen für Eckpfosten, während zwei Frauen mit dem Entlauben der vom Hurrikan gefällten Palmen beschäftigt wurden. Die Naturgewalten hatten den Inselbewohnern beschwerliche Arbeit abgenommen. Bald ähnelte die Lagerstätte dem Zimmerplatz einer Bau- und Nutzholzhandlung.
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