Antje Marschinke
Felsentochter
Ruan: Aus dem Zeitalter des Chydors, 1. Buch
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Inhaltsverzeichnis
Titel Antje Marschinke Felsentochter Ruan: Aus dem Zeitalter des Chydors, 1. Buch Dieses ebook wurde erstellt bei
Ruan
Felsentochter
Der Geschichtenerzähler
Die Sucherin
Sonnenfinderin
Eine Helferin
Die Gedankenleserin
Ein Führer
Eine Reiterin
Bergier
Eine Freundin
Eine Verdächtige
Eine Retterin
Ein Intrigant
Feueratem
Drachenflug
Molgula
Die Beratung
Kràs
Der Schwertwächter
Eine Kämpferin
Schicksalswege
Vorschau 2. Buch: Zweigesicht
Historie von Ruan
Namen von Personen, Völkern und Städten
Mein Dank
Impressum neobooks
Am Anfang erschufen die Götter das Wasser, die Felsen, die Erde, Pflanzen und Tiere
Dann vergaben sie Intelligenz.
Aus dem Wasser den Nyrphiden, zart und schwebend, voll Eleganz und Magie.
Aus dem Felsen den Ardruan, grau und stark, verwurzelt im Gestein.
Aus der Erde den Menschen, vielfältig, veränderlich, voller Neugier.
Und damit begann Geschichte. Die Geschichte von Ruan
Hört meine Worte, denn sie erzählen von Ruan.
Ruan, dem Land der vielen Zeitalter
Ruan, dem Land unzähliger Völker
Ruan, dem Land voller Geschichten
Ruan, bestehend aus gut und böse, aus schwarz und weiß, beständig im Wechsel, doch immer dasselbe
Hört meine Worte, denn sie erzählen von dem Zeitalter in dem das Böse erwachte, das Böse wuchs und das Böse geschlagen wurde; doch nicht für immer, so wie in jedem Zeitalter. Denn das Böse gehört zu dem Guten, bildet mit ihm das Gleichgewicht, doch ist ständig bemüht zu siegen.
Hört die Geschichte von dem Zeitalter in dem das Böse Chydor hieß.
Hört, dass er nicht geboren wurde wie ein sterbliches Lebewesen.
Er entstand durch Magie, gewirkt aus den unendlichen Tiefen Ruans durch Menschenhände.
Es waren ihrer sieben, ein jeder mächtig in seinem Volk und kundig der Magie.
Ihre Namen waren verloren, als Chydor entstand. Ihre Körper vergingen, als Chydor geboren wurde. Ihr Geist verschmolz, als Chydor zum Leben erwachte. Ihre Macht war vereint in Chydor.
Chydor, der Körperlose, geboren durch Magie, gefangen in Magie, unsterblich durch Magie.
Chydor, der Unersättliche, getrieben von seiner Gier nach Macht, getrieben von seiner Gier zu herrschen, getrieben von seiner Gier zu besitzen. Er verbreitete Furcht und Schrecken, bis man ihn vertrieb. Nach Norden floh er, über das Gebirge hinweg, wo niemand ihn fand, wo niemand ihn störte. Sein Name war bald vergessen, aber seine Gier war wie ein brennendes Feuer.
Die Jahre zogen ins Land, Jahrhunderte vergingen, doch Chydor verging nicht. Seine Gier wuchs, wie auch seine Macht. Denn er war unsterbliche Magie, schwarze Magie, böse.
Und er wartete.
Hart wie Stein im Felsgebein,
fröhlichen Herzens im Sonnenschein.
Zeit, Zeit verrinnt. So endlos langsam. Sie vergeht, und vergeht doch nie. Tage des Wartens, wie Sandkörner aneinander gereiht. Scheinbar unendlich vorbei geronnen. Tage so zäh und doch voll steigender Spannung.
Tag für Tag. Jahr um Jahr. Die Tage vergangen, aber der Hass gewachsen. Ein brodelndes Meer voller Zorn und Verachtung. Ungeduld. Ist die Zeit gekommen?
Wer soll sich entgegenstellen? Alle Späher berichten dasselbe. Die weißhäutigen Zauberer: Ein aussterbendes Volk; die Ardruan: Verschwunden; und die Menschen: Zerstritten, unwissend und voller Misstrauen gegenüber Magie.
Nein, niemand würde sich entgegenstellen. Dies ist die Zeit Chydors!
Magische Sinne richten sich nach Süden, aus der Kälte der Kaarst, der nördlichen Wüste. Sie tasten sich durch das Nordgebirge, langsam, aber zielstrebig. Sie bündeln, sammeln und rufen Diener des Schreckens, geboren aus Alptraum und Magie, Chydors Kinder: Dies ist die Zeit Chydors, eure Zeit.
Horcht und seht!
Bald dürft ihr spielen.
Das Nordgebirge war kalt. Kalt und unberechenbar für seine Bewohner. Karst und grausam zu jedwedem Leben. Kaum etwas vermochte zu wachsen, denn das Gebirge bestand aus hartem Gestein: Hart, undurchdringlich, grau. Sein Fundament lag in den tiefsten Tiefen Ruans, seine Spitzen ragten unüberwindlich hoch in den Himmel, die Berggipfel ganzjährig mit Schnee bedeckt. Es erstreckte sich von der West- zur Ostküste, durchzogen von tiefen Schluchten, Gletschern und eisigen Gebirgsbächen. Aber auch durchzogen von Höhlen, Gängen und Räumen, die kein Mensch jemals zu Gesicht bekommen hatte: Dunkle Kammern, tief unten im Gestein, Heimat eines verlorenen und sterbenden Volkes: Die Heimat der Ardruan. Sie waren nur noch wenige, graue Gestalten, die ihre Heimat im Licht kleiner Flammen erblickten. Denn es gab keinen Weg nach oben. Er war ihnen versperrt. Nur noch wenige Kammern waren bewohnt und sie wussten, es würden immer weniger werden. Denn die Zeit der Ardruan war schon lange vorbei, und sie waren vergessen.
Der alte Weise saß in der ewigen Dämmerung an seinem Heimfeuer und erzählte Geschichten. Seine graue Haut war durchzogen von unzähligen Falten, die sein Gesicht wie einen verwitterten Stein erscheinen ließen. Kantig und starr wirkte es und kaum eine Regung war ihm zu entnehmen. Doch die grauen Augen funkelten und strahlten eine Weisheit aus, die von vielen Lebensjahren zeugten. Um ihn herum hockten acht Kinder und lauschten. Sie waren barfüßig und in wenige Kaninchenfelle gekleidet. Graue Haarsträhnen fielen über große graue Kinderaugen. Auch ihre Haut war grau, doch heller und nicht verwittert. Ihr Mienenspiel zeigte Neugier und Lebendigkeit. Aufmerksam horchten sie auf die Erzählung des alten Mannes, der mehr von einem Stein in sich trug als alle anderen seines Volkes. Er war der Lehrer und Geschichtenbewahrer seines Volkes, und alle noch lebenden Ardruan kannten seine sanfte, aber eindringliche Stimme.
„Nun, damals, als unser Volk noch groß und mächtig war, da tanzten sie auf der Oberfläche Ruans wie das Menschengeschlecht auch und badeten sich im Licht der strahlenden Sonne. Natürlich kannten sie auch die Dunkelheit, welche sich im regen Wechsel mit der Sonne befindet.“
„Was ist die Sonne?“ piepste ein dünnes Stimmchen. Das Mädchen, zu dem diese Stimme gehörte, war mit seinen fünf Jahren die Jüngste unter den kleinen Zuhörern. Zum ersten Mal durfte es dabei sitzen und Fragen stellen. Bisher hatte es die Stimme des weisen Lehrers nur wie ein stetes Hintergrundgemurmel vernommen, ab und zu etwas aufgeschnappt, was es nicht verstand. Doch nun war es alt genug, um den weisen Worten zu lauschen und zu lernen.
Der Weise nickte bedächtig. Sie sahen ihm an, wie er in tiefe Erinnerungen versank.
„Die Sonne,... ah, sie muss wundervoll sein. Groß. Warm. Hell. Ein Segen für alle Geschöpfe und alles Leben auf Ruan.“
„Können wir sie nicht auch mal sehen?“
Der Weise schüttelte traurig den Kopf.
„Nein, kleine Ari. Dieser Weg ist unserem Geschlecht für immer versperrt.“
„Aber warum...“
„Lass ihn doch weiter erzählen“, zischte ein älterer Junge und knuffte sie in die Seite. Ari verstummte sofort.
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