7. Der Rosenkranz ist eine sehr nützliche Gebetsform, vorausgesetzt, daß du ihn richtig zu beten verstehst. Bediene dich dazu einer guten Anleitung. Es ist auch gut, die gebräuchlichen Litaneien und andere mündliche Gebete zu beten. Hast du aber die Gabe des innerlichen Gebetes, so soll dieses den Vorrang haben. Kannst du danach wegen deiner vielen Arbeit oder aus einem anderen Grund keine mündlichen Gebete mehr verrichten, so mach dir darüber keine Sorgen, sondern begnüge dich mit einem Vater unser, dem Gegrüßt seist du Maria und dem Glaubensbekenntnis vor oder nach der Betrachtung.
8. Fühlst du dich während des mündlichen Gebetes zum inneren Gebet hingezogen, dann sträube dich nicht dagegen, sondern laß deinen Geist sich ruhig dorthin wenden und sei unbesorgt um dein unvollendetes mündliches Gebet, denn das Geistesgebet ist Gott angenehmer und deiner Seele nützlicher. Ich nehme freilich das kirchliche Stundengebet aus, wenn du dazu verpflichtet bist, denn diese Pflicht hat den Vorrang.
9. War es dir morgens wegen zu vieler Arbeit oder aus einem anderen Grund nicht möglich, deine Betrachtung zu halten (was möglichst selten vorkommen soll), dann hol es im Laufe des Nachmittags nach - aber nicht gleich nach dem Essen; während der Verdauungszeit könnte dich der Schlaf überwältigen, auch deiner Gesundheit wäre das nicht förderlich. Ist es dir den ganzen Tag nicht möglich, die Betrachtung nachzuholen, dann ersetze sie durch häufige Stoßgebete und durch die Lesung eines frommen Buches. Lege dir eine Bußübung auf, um in Zukunft diesen Fehler zu vermeiden, und sei fest entschlossen, am nächsten Tag die Betrachtung bestimmt einzuhalten.
Kurze Betrachtungsmethode.
Erster Teil der Vorbereitung: sich in Gottes Gegenwart versetzen.
Du weißt vielleicht nicht, wie du das innerliche Gebet pflegen sollst; leider verstehen das heute nur wenige. Ich will dir eine kurze Anleitung dafür geben. Später wirst du ja durch Bücher, die davon handeln, und besonders durch die Übung deine Kenntnisse vervollständigen.
Die Vorbereitung besteht aus zwei Teilen: 1. sich in Gottes Gegenwart versetzen; 2. um seinen Beistand bitten.
Um sich in Gottes Gegenwart zu versetzen, schlage ich hauptsächlich vier Mittel vor, die dir für den Anfang dienen können.
1. Das lebendige und aufmerksame Erfassen der Allgegenwart Gottes. Gott ist ja in allem und überall; es gibt keinen Ort und kein Ding, wo er nicht wirklich gegenwärtig wäre. Wohin die Vögel auch fliegen, sie finden ihr Element, die Luft, in der sie sich bewegen; so finden auch wir, wohin immer wir gehen mögen, Gott überall gegenwärtig. Jeder kennt diese Wahrheit, aber wie viele gibt es, die sie wirklich erfassen? Blinde sehen den Fürsten nicht, der vor ihnen steht, aber sie nehmen eine ehrfürchtige Haltung an, wenn man ihnen sagt, daß er zugegen ist. Da sie ihn aber nicht sehen, vergessen sie leicht auf seine Gegenwart und lassen sich dann auch in der Haltung gehen. Wir sehen den allgegenwärtigen Gott nicht; obwohl uns der Glaube dessen versichert, vergessen wir auf seine Gegenwart oft und benehmen uns, als wäre Gott weit entfernt von uns. Denn obwohl wir Gott überall gegenwärtig wissen, denken wir nicht daran und tun, als wüßten wir es nicht.
Deshalb müssen wir vor dem Gebet in unserer Seele das Bewußtsein der göttlichen Gegenwart erneuern. David verstand das, als er ausrief: ³Steig ich zum Himmel hinauf, so bist Du auch dort, mein Gott; steig ich hinab zur Hölle, so bist Du auch dort" (Ps 139,8). Machen wir uns die Worte Jakobs zu eigen: ³Wie erschütternd ernst ist dieser Ort! Wahrhaftig, Gott ist hier, und ich wußte es nicht" (Gen 28,16ff). Er wollte sagen, daß er nicht daran dachte. Wenn du dich also zu beten anschickst, dann sag von ganzem Herzen zu deiner Seele: Wahrhaftig, Gott ist hier.
2. Das zweite Mittel, sich in seine heilige Gegenwart zu versetzen, ist der Gedanke, daß Gott sich nicht nur am gleichen Ort mit dir befindet, sondern noch auf besondere Weise in deinem Herzen, auf dem Grunde deiner Seele, die er durch seine göttliche Gegenwart belebt, gleichsam als Herz deines Herzens, als Seele deiner Seele. Wie die Seele den ganzen Leib durchdringt, in allen Teilen des Leibes gegenwärtig ist und doch ihren besonderen Sitz hat, so ist Gott überall gegenwärtig, er steht aber in besonderer Weise unserer Seele bei. Deshalb nannte ihn David den Gott seines Herzens (Ps 73,26) und der hl. Paulus sagte: ³ln Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir" (Apg 17,28). Bei der Betrachtung dieser Wahrheit wirst du in deinem Herzen eine große Ehrfurcht vor Gott erwecken, der in dir so innig gegenwärtig ist.
3. Das dritte Mittel ist, den Heiland zu betrachten, der in seiner Menschheit vom Himmel her auf alle Menschen blickt, besonders aber auf die Christen, die seine Kinder sind, und noch mehr auf die Betenden, deren Handeln und Verhalten er sieht. - Das ist keine bloße Einbildung, sondern die reine Wahrheit; wenn auch wir ihn nicht sehen, er betrachtet uns doch von oben, - der hl. Stephanus sah ihn im Augenblick seines Martertodes - so daß wir mit der Braut des Hohen Liedes sagen können: Er ist hinter der Wand, er schaut durch das Fenster, er blickt durch die Gitter."
4. Die vierte Art ist, sich der Einbildungskraft zu bedienen und sich den Heiland in seiner heiligen Menschheit als bei uns gegenwärtig vorzustellen, wie wir unsere Freunde uns vorzustellen gewohnt sind, und zu sagen: Ich glaube zu sehen, wie er dies oder jenes macht, es scheint mir, ich sehe ihn, usw. Sind wir aber vor dem allerheiligsten Altarsakrament, dann ist diese Gegenwart Jesu wirklich und nicht nur in unserer Phantasie, denn die Brotgestalten sind wie ein Schleier, hinter dem der Herr wirklich gegenwärtig uns sieht und betrachtet, obwohl wir ihn nicht in eigener Gestalt sehen.
Bediene dich also eines dieser vier Mittel, um deine Seele vor dem Gebet in Gottes Gegenwart zu versetzen. Es ist nicht notwendig, alle vier anzuwenden; nimm nur eines davon, kurz und einfach.
Zweiter Teil der Vorbereitung: die Anrufung.
Die Anrufung geschieht folgendermaßen: Fühlt sich die Seele in Gottes Gegenwart, dann wirft sie sich ehrfurchtsvoll vor der göttlichen Majestät nieder im Bewußtsein ihrer Unwürdigkeit, vor Gottes Hoheit zu verbleiben. Da sie aber weiß, daß Gottes Güte dies will, bittet sie um die Gnade, in dieser Betrachtung ihm einen wohlgefälligen Dienst, eine würdige Anbetung zu erweisen.
Wenn du willst, kannst du dich dabei kurzer und feuriger Gebete bedienen, wie der Worte Davids: ³Verwirf mich nicht, o mein Gott, von Deinem Angesicht, nimm mir nicht die Gunst Deines heiligen Geistes!" (Ps 51,13). ³Laß leuchten Dein Antlitz über Deinem Diener" (Ps 31,17; 119,135). lch werde Deine Wunder betrachten" (Ps 119,18). ³Gib mir Einsicht, und ich werde Dein Gesetz betrachten und von ganzem Herzen bewahren" (Ps 18,34). Ich will Dir dienen, gib mir Deinen Geist!" (Ps 119,125), und ähnlicher.
Es wird dir von Nutzen sein, auch deinen Schutzengel anzurufen und die Heiligen, die am Geheimnis teilnehmen, das du betrachtest. So kannst du vor der Betrachtung des Todes Jesu Unsere liebe Frau anrufen, den hl. Johannes, die hl. Maria Magdalena und den guten Schächer, damit die Gefühle und Herzensregungen, die sie dabei empfanden, auf dich übergehen. Bei der Betrachtung über den Tod rufe den Schutzengel an, der dann auch bei dir sein wird; bitte ihn, daß er dir die geeigneten Erwägungen einflöße. So geh auch bei anderen Geheimnissen vor.
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