Noch einmal frage ich: Wie kann eine hochherzige Seele Gefallen daran finden, Gott zu mißfallen? Wie kann sie es lieben, ihm weh zu tun? Wie kann sie etwas wollen, was er verabscheut?
Wir müssen uns von der Anhänglichkeit an Unnützes und Gefährliches reinigen.
Spiele und Tänze, Gastmähler, Festlichkeiten und Schauspiele, dies alles ist seiner Natur nach nicht schlecht, sondern gleichgültig; es kann zum Guten wie zum Bösen gebraucht werden. Eine gewisse Gefahr steckt aber immer in diesen Dingen; besonders gefährlich ist die Liebe zu ihnen. lch sage also: Wenn es auch erlaubt ist, zu spielen, zu tanzen, sich zu putzen, anständige Schauspiele anzusehen, an einem Festessen teilzunehmen, so ist es doch der Frömmigkeit abträglich, ja äußerst schädlich und gefährlich, eine Vorliebe dafür zu haben. Es ist nicht schlecht, dies alles zu tun, aber es ist schlecht, daran zu hängen. Unser Herz ist zu kostbar, um auf seinem Boden solch eitle und dumme Liebe zu säen. Sie nimmt guten Eindrücken den Raum und hindert uns, die ganze Kraft unserer Seele auf gute Neigungen zu verwenden.
Die alten Nasiräer enthielten sich nicht nur berauschender Getränke, sondern auch der Trauben, ja sogar unreifer Trauben; nicht etwa weil reife oder unreife Trauben berauschen könnten, sondern weil zu befürchten ist, daß das Verkosten unreifer Trauben das Verlangen nach reifen Trauben weckt, der Genuß der Trauben aber Appetit nach Most und Wein hervorruft.
Ich sage nicht, daß der Gebrauch jener gefährlichen Dinge unerlaubt sei, wohl aber, daß wir keine Vorliebe für sie haben können, ohne die Frömmigkeit in Frage zu stellen.
Ist der Hirsch zu feist geworden, so birgt er sich im Gebüsch; er fühlt, daß bei einer Verfolgung ihm das Fett im Laufen hinderlich wäre. Wird das Herz mit der Liebe zu unnützen, überflüssigen und gefährlichen Dingen belastet, dann kann es gewiß nicht mehr rasch, leicht und beweglich seinem Gott entgegeneilen; gerade darin aber besteht die Frömmigkeit.
Kleine Kinder laufen geschäftig und voll Eifer hinter Schmetterlingen her. Daran stößt sich niemand; es sind eben Kinder. Aber ist es nicht lächerlich, ja beklagenswert zu sehen, wie erwachsene Menschen sich um solcher Kleinigkeiten willen ereifern? Sie sind nicht nur unnütz, sondern setzen uns außerdem der Gefahr aus, daß wir die Grenzen überschreiten, wenn wir hastig hinter ihnen her sind.
Ich sage dir, du mußt dich von solchen Anhänglichkeiten reinigen, denn sie sind immer von Nachteil für die Frömmigkeit, mögen auch die Handlungen im einzelnen ihr nicht direkt entgegengesetzt sein.
Wir müssen uns von Charakterfehlern läutern.
Wir haben gewisse natürliche Anlagen, die zwar nicht sündhaften Ursprungs und daher weder schwere noch läßliche Sünde sind. Wir müssen sie aber Unvollkommenheiten nennen; ihre Wirkungen sind Fehler und Verfehlungen. So war die hl. Paula nach Hieronymus sehr zur Trauer und Schwermut veranlagt, so daß sie beim Tod ihres Mannes und ihrer Kinder Gefahr lief, vor Gram zu sterben. Das war eine Unvollkommenheit, keine Sünde; es geschah ja gegen ihren Willen und ohne ihre Zustimmung.
Der eine ist von Natur aus leichtfertig, der andere mürrisch, ein dritter unnachgiebig; andere neigen zum Zorn, zur Verdrossenheit, zu Liebeleien... Es gibt jedenfalls ganz wenige Menschen, an denen man nicht irgendeine schlechte Anlage entdeckte.
Zwar scheinen diese Anlagen zu unserer Natur zu gehören und unsere Eigenart zu bilden, man kann sie aber mildern und mäßigen, wenn man sich Mühe gibt, die entgegengesetzten Tugenden anzustreben. Man kann sich sogar ganz davon freimachen und reinigen, und ich sage dir: Das muß man tun. Man hat ein Mittel gefunden, den bitteren Mandelbaum in einen süßen umzuwandeln; man schneidet an seinem Fuß eine Kerbe in die Rinde und läßt den Saft abfließen. Warum sollten wir nicht auch unsere schlechten Anlagen entfernen und besser werden können? Es gibt keinen so guten Charakter, daß er durch schlechte Gewohnheiten nicht verdorben, - und keinen so schlechten, daß er nicht durch die Gnade Gottes und eifriges Bemühen in Zucht genommen und überwunden werden könnte.
Ich werde dir nun Ratschläge geben und Übungen vorschlagen, mit deren Hilfe du deine Seele von jeder gefährlichen Vorliebe, von den Unvollkommenheiten und von der Anhänglichkeit an läßliche Sünde reinigen kannst. So wirst du dein Gewissen mehr und mehr gegen die Todsünde sichern. Möge Gott dir die Gnade geben, sie gut zu verwerten.
Verschiedene Ratschläge, um die Seele durch das Gebet und die Sakramente zu Gott zu erheben. Notwendigkeit des Gebetes.
1. Nichts ist geeigneter, unseren Verstand von Unwissenheit und unseren Willen von seinen verderbten Anhänglichkeiten zu reinigen, als das Gebet, das unseren Verstand in die Helle göttlichen Lichtes rückt und unseren Willen der Wärme göttlicher Liebe aussetzt.
Das Gebet ist die segensreiche Quelle, deren belebende Wasser die Pflänzchen unserer guten Wünsche zum Grünen und Blühen bringen, jeden Makel von unserer Seele hinwegspülen und das von Leidenschaft erhitzte Herz abkühlen.1
2. Vor allem aber empfehle ich dir das Gebet des Geistes und des Herzens, ganz besonders jenes, das zum Gegenstand das Leben und Leiden des Heilands hat. Wenn du ihn oft betrachtest, wird deine Seele von ihm erfüllt, du lernst seine Art und Weise kennen und deine Handlungen nach den seinen formen.
Er ist das Licht der Welt. In ihm, durch ihn und für ihn müssen wir folglich erleuchtet werden. Er ist die sprudelnde Jakobsquelle (Joh 4,6), die uns von jedem Makel reinwäscht.
Kinder lernen sprechen, indem sie der Mutter zuhören und alles nachzusprechen versuchen; so werden auch wir, wenn wir durch die Betrachtung beim Heiland weilen, seine Worte und Handlungen, sein Denken und Fühlen beobachten, bald durch seine Gnade reden, handeln und wollen lernen wie er selbst.
Glaube mir, wir können zu Gott dem Vater nur durch diese Pforte (Joh 14,6) gehen; denn wie der Spiegel unser Bild nicht auffinge, hätte er nicht eine Schicht Zinn oder Blei auf seiner Rückseite, so können auch wir auf Erden nicht die Gottheit betrachten, wäre sie nicht mit der heiligen Menschheit des Heilands verbunden, dessen Leben und Sterben der geeignetste, schönste und nützlichste Gegenstand für unsere gewöhnliche Betrachtung ist.
Der Heiland nennt sich nicht ohne Grund das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist (Joh 6,1); denn wie das Brot zu jeder Speise genossen wird, so sollen auch wir den Heiland in all unseren Gebeten und Handlungen betrachten, ansehen und suchen.2 Sein Leben und Sterben wurde von verschiedenen Schriftstellern in Betrachtungen vorgelegt, so von Bonaventura, Bellintani, Bruno, Capiglia, Granada, de Ponte.3
3. Verwende darauf täglich eine Stunde vormittags, womöglich am Morgen; nach der Nachtruhe ist dein Geist beweglicher und frischer. Verwende nicht mehr als eine Stunde darauf, außer dein geistlicher Vater bestimmt es ausdrücklich anders.4
4. Kannst du diese Übung in der Kirche halten und findest du dort genug Ruhe, dann wird dies am leichtesten und bequemsten für dich sein, denn dort kann dich niemand stören, nicht Vater, Mutter, nicht Gattin oder Gatte, noch sonst jemand, während du zu Hause wohl kaum eine ruhige Stunde finden wirst.
5. Beginne jedes Gebet, das innerliche wie das mündliche, damit, dich in Gottes Gegenwart zu versetzen. Daran halte dich ausnahmslos, du wirst bald sehen, wie nützlich dir dies sein wird.
6. Lerne das Vater unser, Gegrüßt seist du Maria und das Glaubensbekenntnis auch lateinisch beten. Du mußt aber zugleich sehen, daß du die Worte auch verstehst, die du betest; so mußt du beides vereinen: das Beten in der Sprache der Kirche und das Verkosten des wundersamen und erquickenden Sinnes dieser heiligen Gebete. Dringe beim Beten mit deinem Geist tief in diesen Sinn ein, begleite es mit innigen Bewegungen des Herzens. Bete nicht hastig, um recht viel beten zu können, sondern bemühe dich, was du betest, von Herzen zu beten. Ein Vater unser innig gebetet ist mehr wert, als viele rasch und eilfertig heruntergeleiert.
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