Ich wende mich nun dem Thron der unendlichen Barmherzigkeit Gottes zu. lch verabscheue von ganzem Herzen und aus allen Kräften die Sünden meines bisherigen Lebens. lch bitte demütig um Gnade, Barmherzigkeit und Verzeihung, um vollständige Vergebung meines Verbrechens, kraft des Leidens und Todes Jesu, des Herrn und Erlösers meiner Seele. Auf diese einzige Grundlage stütze ich meine Hoffnung. So erneuere ich das heilige Treuegelöbnis, das ich am Tage meiner Taufe abgelegt habe: Ich widersage dem Teufel, der Welt und dem Fleisch. Ich verabscheue ihre unseligen Ratschläge, ihre Eitelkeiten und ihre Lust für mein ganzes Leben und für alle Ewigkeit.
Ich wende mich meinem gütigen und barmherzigen Gott zu und bin unwiderruflich entschlossen, ihm zu dienen und ihn zu lieben, jetzt und ewig. Ich weihe ihm zu diesem Zweck meinen Geist mit all seinen Fähigkeiten, meine Seele mit all ihren Kräften, mein Herz mit all seiner Liebe, meinen Leib mit all seinen Sinnen. Ich erkläre hiermit, daß ich nie mehr eine meiner Fähigkeiten gegen seinen göttlichen Willen und seine alles überragende Majestät mißbrauchen will. Im Geiste bringe ich mich ihm zum Opfer. Auf ewig will ich ihm treu und als Geschöpf redlich ergeben sein. Nie mehr will ich mich von ihm abwenden oder meine Hingabe bereuen.
Sollte ich jemals durch Versuchung des Teufels oder durch menschliche Schwäche irgendwie gegen diesen Entschluß und diese Weihe verstoßen, so erkläre ich hiermit feierlich: Ich bin entschlossen, mit der Gnade des Heiligen Geistes davon abzulassen, sobald ich es bemerke, um mich sogleich ohne Zögern und Zaudern der göttlichen Barmherzigkeit zuzuwenden.
Dies ist mein Wille, meine Absicht, mein unabänderlicher und unwiderruflicher Entschluß, den ich hiermit bekunde, und bekräftige, ohne Ausnahme und Vorbehalt. Ich erkläre ihn im Angesicht Gottes, der triumphierenden und der streitenden Kirche, meiner Mutter; sie nimmt diese Erklärung in der Person dessen entgegen, der mich als ihr Vertreter bei diesem Akt anhört.
Möge es Dir gefallen, ewiger, allmächtiger und allgütiger Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, diesen Entschluß in mir zu stärken und dieses Opfer meines Herzens und meiner Seele gütig anzunehmen. Du hast mir durch Deine Eingebung den Entschluß geschenkt, gib mir auch die Kraft und Gnade, es zu vollziehen. O Gott, Du bist mein Gott (Ps 16,2), der Gott meiner Seele und meines Geistes. So will ich Dich sehen und anbeten jetzt und in alle Ewigkeit. Es lebe Jesus!
Abschluss dieser ersten Seelenläuterung.
Hast du diese Erklärung abgegeben, dann öffne Sinne und Herz, um das Wort deiner Lossprechung aufzunehmen; der Heiland deiner Seele spricht es im Himmel auf dem Thron seiner Barmherzigkeit, während es der Priester auf Erden in seinem Namen sagt: Die Gemeinschaft der Heiligen teilt deine Freude, stimmt ein Jubellied an und begrüßt mit dem Friedensgruß deine Seele, die nunmehr im Besitz der Gnade und Heiligkeit ist.
O Gott, welch wunderbarer Vertrag! Er hat dich in glücklicher Weise Gott verbunden; du gibst dich ihm, dafür gewinnst du ihn und dich selbst für das ewige Leben. Nun brauchst du nur noch die Feder zur Hand nehmen, entschlossen deine Erklärung unterzeichnen und an den Altar treten; dort wird Gott seinerseits deine Lossprechung und seine Verheißung des ewigen Lebens bestätigen und besiegeln, indem er sich selbst wie ein heiliges Siegel auf dein wiedergeborenes Herz legt (Hld 8,6). So scheint es mir, daß damit deine Seele von der Sünde und von jeder Anhänglichkeit an die Sünde gereinigt wird.
Sie kehren aber leicht wieder in die Seele zurück infolge unserer Schwachheit und durch die Begierlichkeit; diese kann wohl niedergehalten werden, aber sie stirbt nicht, solange wir in diesem Leben wandeln. Deshalb will ich dir nun Ratschläge geben, die dich in Zukunft vor der Todsünde und vor jeder Anhänglichkeit an sie bewahren können. Wenn du sie genau beachtest, werden sie nie mehr Macht über dein Herz gewinnen.
Diese Ratschläge sollen aber zugleich einer vollkommenen Reinigung dienen, darum will ich zuvor noch von dieser tieferen Läuterung der Seele sprechen, zu der ich dich führen möchte.1
Wir müssen uns von der Anhänglichkeit an läßliche Sünden reinigen.
Je heller es wird, desto deutlicher sehen wir im Spiegel Flecken und Unsauberkeiten an unserem Gesicht. Ebenso sehen wir in dem Maße, als das innere Licht des Heiligen Geistes unser Gewissen erleuchtet, an ihm deutlicher und klarer Sünden, Neigungen und Unvollkommenheiten, die uns daran hindern können, die wahre Frömmigkeit zu erlangen; und dasselbe Licht, das uns diese Mängel und Schwächen zeigt, erwärmt unser Herz, daß es seine Reinigung und Läuterung anstrebe.
Durch die bisher behandelten Übungen bist du von der Todsünde und von der Anhänglichkeit an sie gereinigt. Du wirst aber in deiner Seele außerdem noch verschiedene Neigungen und Anhänglichkeiten an läßliche Sünden entdecken.
Ich spreche nicht davon, daß du läßliche Sünden in dir vorfindest, sondern ich sage: Du wirst Anhänglichkeiten und Neigungen finden. Das ist nicht dasselbe. Wir können nie ganz frei von läßlichen Sünden sein, jedenfalls können wir es nicht lange bleiben. Aber von der Anhänglichkeit an sie können wir wohl frei werden. Es ist gewiß ein Unterschied, ob ich das eine oder andere Mal freiwillig in einer unwichtigen Sache lüge oder ob ich am Lügen Freude habe und an dieser Sünde hänge.
Ich sage also, man muß sein Herz von jeder Anhänglichkeit an läßliche Sünden reinigen.1 Das heißt, man darf nicht freiwillig die Absicht hegen, irgendeine läßliche Sünde weiter zu begehen und in ihr zu beharren. Es wäre doch wahrhaftig eine gefährliche Lauheit, wollte man wissentlich etwas Gott so Mißfälliges in seinem Herzen bestehen lassen, wie es der Wille ist, ihm zu mißfallen.
Die läßliche Sünde, so gering sie auch sein mag, mißfällt Gott, freilich nicht so sehr, daß er uns dafür verdammen und verderben will. Mißfällt sie ihm aber, so ist das freiwillige Festhalten an ihr nichts anderes als der Entschluß, der göttlichen Majestät zu mißfallen. Ist es denn möglich, daß eine wohlgestaltete Seele Gott nicht nur mißfallen will, sondern noch Freude daran hat, ihm zu mißfallen?
Solche Anhänglichkeit widerspricht der Frömmigkeit genau so, wie die Anhänglichkeit an Todsünden der Gottesliebe. Sie schwächt die Seelenkräfte, behindert die Freude am Göttlichen, öffnet der Versuchung Tür und Tor; die Seele stirbt zwar nicht an ihr, aber sie wird doch schwerkrank.
Tote Mücken", sagt der Weise (Koh 10,1), zerstören und verderben den Wohlgeruch der Salben." Er will sagen: Mücken, die nicht auf der Salbe sitzen bleiben, sondern nur im Vorübergeben davon naschen, verderben nur das, was sie nehmen; bleiben sie aber an der Salbe hängen, so daß sie zugrunde gehen, dann wird diese verdorben und unbrauchbar. So schaden auch läßliche Sünden einem frommen Menschen wenig, wenn er nicht an ihnen hängt; schlagen sie aber in der Seele Wurzeln, indem man sie lieb gewinnt, dann verderben sie die heilige Frömmigkeit.
Die Spinnen töten nicht die Bienen, wohl aber verderben sie den Honig. Wenn sie im Bienenstock bleiben, dann überziehen sie die Waben mit ihrem Gewebe, und die Bienen können nicht mehr arbeiten. So tötet auch die läßliche Sünde nicht das Leben der Seele, sie verdirbt aber die Frömmigkeit und behindert die Seelenkräfte so sehr durch schlechte Gewohnheiten und Neigungen, daß die frische Tatbereitschaft, darin die Frömmigkeit besteht, lahmgelegt ist; dies allerdings nur, wenn die läßliche Sünde durch die Anhänglichkeit dauernd im Herzen wohnt.
Es hat nicht viel zu bedeuten, wenn einem eine kleine Lüge unterlaufen ist oder wenn man einen kleinen Fehler in Worten, Handlungen, Blicken, in Kleidung, Schmuck, Spiel oder Tanz begangen hat, - vorausgesetzt, daß wir die Spinnen des Geistes sofort nach ihrem Eindringen aus dem Herzen verjagen und entfernen, wie es die Bienen mit den Spinnen machen. Denn gestatten wir ihnen, in unserem Herzen festen Fuß zu fassen, ja halten wir sie freiwillig fest und nähren sie, dann werden wir bald unseren Honig verdorben, unser Gewissen verpestet und zerstört sehen.
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