So oder so erfreute sich die Bald größter Beliebtheit bei der Bevölkerung Ardavils.
»Wer kann das schon mit Sicherheit sagen? Ich bin nur der Prophezeiung gefolgt und nun bin ich hier, pünktlich zu Eurer Ankunft.«
»Dann wisst Ihr gewiss auch den Grund für mein Erscheinen.«
»Nur, dass es um die verflixte Schatulle geht. Es war der Abschluss des Artikels, nicht die Einleitung«, gestand der Zwerg.
»Nun, ich muss alles über diesen Kasten in Erfahrung bringen, was Ihr wisst. Ihr habt ihn im Dunkelmoor ausgegraben?«
»Oha, immer langsam. Jahrelang hat sich niemand dafür interessiert und ihr Zauberer konntet mir auch nicht helfen, aber kaum gebe ich das unselige Ding diesem Antiquitätensammler aus Palmenhain, kommt einer von euch angelaufen. Das hätte ich wohl viel früher machen sollen.«
»Versteht mich nicht falsch. Ich befürchte, ich kann Euch weit weniger helfen, als Ihr hoffentlich mir. Für mich ist es aber von enormer Bedeutung, dass ich das Rätsel dieser Schatulle löse.«
»Mehr habe ich doch nie verlangt«, grinste der Zwerg, wurde jedoch sofort wieder Ernst, als er die Verzweiflung im Gesicht des Zauberers wahrnahm und er fragte mit belegter Stimme: »Was ist passiert? Hat jemand das Ding geöffnet?«
»Mein Sohn«, sagte Wulfhelm düster.
»Ui, nicht gut.«
»Ich hatte gehofft, so etwas nicht hören zu müssen.«
»Dann tun wir doch einfach so, als hätte ich es nicht gesagt. Kommt erstmal herein, im Flur lässt sich so ungemütlich reden«, mit diesen Worten führte Falgrim den Zauberer in sein Wohnzimmer. Wulfhelm war erstaunt, so viele Bücher im Besitz eines Zwergen zu sehen. Mehrere Regale mit dicken Folianten säumten die Wände. In der Mitte stand eine Sitzgruppe um einen schweren Tisch, daneben ein ungemein behaglich aussehender Ohrensessel.
»Ihr scheint sehr belesen, Falgrim«, brachte er staunend hervor.
»Nun, ich benötige die meisten Bücher für meine Arbeit.«
»Ihr seid Schatzsucher …«, begann Wulfhelm, doch der Zwerg winkte ab.
»Ja, aber auch Archäologe. Ich beschäftige mich mit der Geschichte der Fundstücke. Wenn es etwas zu verdienen gibt, umso besser.«
»Nicht mein Fachgebiet«, gestand Wulf und fügte hinzu: »Was diesen goldenen Kasten angeht …«
»Ihr wollt sicher meine Aufzeichnungen sehen.«
»Ja, man sagte mir, Ihr hättet Zeichnungen angefertigt.«
»Das ist richtig. Wartet, ich hole mein Notizbuch.« Falgrim öffnete eine verzierte Truhe in der Ecke und holte ein abgegriffenes Buch im Ledereinband hervor.
»Ich habe die Abbildungen von allen Fresken an dem Grabmal oder Schrein kopiert.« Der Zwerg legte das Buch vor Wulfhelm auf den Tisch und strich mit einer Geste über den Buchdeckel, als ob er verhindern wollte, dass dieser aufsprang und etwas in den Raum entließ.
»Wisst Ihr, damals waren Orks aufgetaucht, die in das Gebäude hineingegangen sind. Ich konnte sie von außen belauschen und aus ihrem Gespräch ging hervor, dass sie die Schatulle öffnen wollten. Dann war plötzlich Ruhe, und als ich hineinging, war nicht ein einziger verlauster Ungeheuerpelz zu sehen. Nur die Kiste, die im Boden steckte, als wäre sie überraschend fallen gelassen worden.«
»Als mein Sohn verschwand, war da ein gleißend helles Licht, dann war er ohne Spuren fort.«
»Richtig! Ein helles Licht drang auch aus dem Gebäude und Ihr werdet sehen, auf den Fresken war eine entsprechende Abbildung.« Falgrim schlug das Buch auf und blätterte zu der gemeinten Skizze. Sie zeigte eine Gruppe von Gestalten mit schützend emporgerissenen Armen, die den Deckel des Kästchens angehoben hatten, von dem Sonnenstrahlen ausgingen.
»Ich halte dieses Ding für eine Art von Waffe, seht hier«, der Zwerg blätterte zu einer anderen Skizze, die zwei Armeen im Hintergrund zeigte, die sich gegenüberstanden und einen Herrscher auf einem Thron im Vordergrund, der die Schatulle von einer Frau entgegennahm.
»So wie es aussieht, wurde die Truhe Königen zum Geschenk gemacht. Hier auch.« Falgrim zeigte Wulfhelm eine ähnliche Skizze.
»Die Soldaten, die hinter dieser Frau stehen, halten Krummschwerter in den Händen«, bemerkte Wulf, der sich die Bilder sehr aufmerksam ansah.
»Das war der einzige Hinweis, der mich schließlich zu einem Reisebericht eines Scherbenkundlers in der Bibliothek der Akademie führte. Vermutlich stammt diese Schatulle aus den Südlanden, zumindest hat der Kasten etwas mit deren Geschichte zu tun. Ich bin der Sache aber noch nicht nachgegangen, weil ich die dortige Sprache nicht verstehe und mir die ganzen Zusammenhänge nicht klar sind. Der Bericht spricht von einem Volksfest zu Ehren dieser Frau und dem Kästchen.«
»Wer könnte diese Frau sein? Ich meine, sollte tatsächlich etwas Schlimmes passieren, wenn die Schatulle geöffnet wird, dann wäre sie doch auch in Gefahr, meint Ihr nicht? Sie müsste doch damit rechnen, dass der König hier sie sofort öffnet.«
»Zweifellos. Dieses Frauenzimmer hat mir selbst schon Kopfzerbrechen bereitet, weitergebracht hat es mich leider nicht. Die Chroniken zu den Ereignissen der umgebenden Länder sind überaus dürftig, da ist dieser Bericht einer Scherbenumseglung bereits die große Ausnahme.«
»Ich lasse mir diesen Reisebericht heraussuchen und werde morgen wohl einige Zeit in der Bibliothek verbringen. So wie die Dinge bis jetzt stehen, muss ich wohl in die Südlande reisen, wenn ich der Sache auf den Grund gehen möchte.«
»Sollte dem so sein, dann meldet Euch doch bitte vorher bei mir. Falls es keine Umstände macht, würde ich Euch gerne bei dieser Unternehmung begleiten.«
»Ihr wollt mitkommen?«, fragte Wulfhelm überrascht.
»Ja. Ich bin ein Mann der Tat und diese Geschichte verfolgt mich schon eine ganze Weile. Allein aus beruflicher Neugier heraus möchte ich gern daran beteiligt sein, wenn sich neue Erkenntnisse ergeben.«
»Ich habe nichts dagegen«, lächelte Wulfhelm.
Der besagte Reisebericht war eine herbe Enttäuschung für Wulfhelm, unterstrich jedoch deutlich, warum Falgrim in dieser Sache nicht weitergekommen war. Ein gewisser Olin von Havor hatte in einer mehrere Monate andauernden Reise die Südlande und Harpienfels besucht und dabei die gesamte Scherbe Famirlon mit einem Schiff umrundet. Dabei strich er insbesondere die Eigenheiten der unterschiedlichen Völker heraus, ging am Rande sogar auf einige nichtmenschliche Rassen, wie die Elfen und Zwerge ein. An und für sich ein sehr interessanter und informativer Text, nur absolut nicht das, wonach Wulf suchte. Einzig dieser Abschnitt erregte sein Interesse:
Von Hachnasim aus stechen wir in See, um das Kap der Könige zu umrunden, einer zerklüfteten Steilküste, die fast die gesamte Halbinsel umschließt. Der Landweg durch die Dschinnwüste wäre zwar wesentlich kürzer und ungefährlicher, läuft aber meinem Plan zuwider, ganz Famirlon mit dem Schiff zu umsegeln.
Der Kapitän der »Marti« ist ein erfahrener Seemann, dem dieses Unterfangen schon mehrfach glückte. Er soll einer der trinkfestesten Männer der Südlande sein, die Alkohol ja sonst eher meiden.
Viele Schiffe sind bereits an den Klippen zerschellt und auch mir schwirrt schon bald der Kopf. Es scheint, dass die Steilküste Aufwinde begünstigt, die die Ausdünstungen des Ozeans heftiger emporträgt, als ich es von meinen bisherigen Fahrten gewohnt bin. Die brütende Sonne tut ihr Übriges und aufsteigende Übelkeit treibt mich unter Deck.
Ich leide! Ich sterbe tausend Tode. Mir ist speiübel, ich kann keine Nahrung bei mir behalten und werde immer betrunkener und schwächer. Wir müssen schon Tage unterwegs sein, so genau kann ich es gar nicht sagen, weil ich ständig wieder in seligen Schlaf falle. Ich vermeide es nach oben zu gehen und habe mir einen feuchten Lumpen vors Gesicht gebunden, um den allgegenwärtigen Whiskygeruch loszuwerden. Als ich heute kurz an Deck war, um mein karges Frühstück mit den Fischen zu teilen, sah ich den Kapitän am Ruder stehen. Groß, mit einem Turban und Pluderhosen bekleidet, einen enormen Krummsäbel hinter eine Schärpe gesteckt. Ihm scheint das Meer nichts auszumachen und auch die Mannschaft ist guter Dinge. Wie machen sie das bloß?
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