»Sehr schlau«, pflichtete Harika ihm bei.
»Leider hatte ich nichts bei mir, was diesem Gewicht entsprochen hätte. Am Schwersten waren wohl mein Fausthammer und meine getreue Streitaxt, aber die ist ein Familien-Erbstück«, Falgrim tätschelte die seltsame Klinge an seiner Seite. »Ich nahm also meinen Meißel und brach ein großes Stück Sandstein aus dem Gemäuer. Ich schätzte und wog, bearbeitete das Stück und schätzte wieder. Schließlich hielt ich einen Steinblock in Händen, der mir das richtige Gewicht zu haben schien. Innerhalb eines aufgeregten Herzschlags hatte ich den Stein gegen die Skulptur ausgetauscht, als das Unglück über mich hereinbrach.«
»Was ist passiert?«, fragten Harika und Wulfhelm wie aus einem Mund.
»Betrug! Verrat! Abscheuliche Täuschung ehrlicher Schatzjäger! Das Ding war hohl und federleicht. Die Platte im Sockel senkte sich ab und es klickte Unheil verkündend. Im nächsten Moment surrten mehrere Pfeile aus Löchern in der Wand. Mit einem Hechtsprung versuchte ich aus der Nähe des Podestes zu kommen, als auch schon ein gewaltiges Axt-Blatt von der Decke schwang und den Sockel spaltete, wo ich gerade noch gestanden hatte. Die Pfeile schwirrten dicht an meinem Gesicht vorbei und zu allem Überfluss sah ich, wie sich die Eingänge langsam schlossen. Ein Mechanismus zog im Boden versenkte Steinwände nach oben; bereits zu hoch, um sie noch überspringen zu können. In einer Nische entdeckte ich eine Winde, auf die sich eine starke Kette aufwickelte, und stürmte darauf los, in der Absicht die Mechanik aufzuhalten. In der gebotenen Eile nahm ich das Erste, was mir in die Hand kam, oder besser, was sich bereits darin befand: die unselige Skulptur. Es gelang mir, damit die Winde und die Kette zu verkeilen. Die Steinblöcke stoppten. Es war auch noch genug Platz, um sie zu erklettern und die Kammer zu verlassen.«
»Puh, da habt Ihr aber Glück gehabt.« Harika atmete hörbar auf und stutzte dann: »Das kann jedoch nicht das Ende der Geschichte sein. Was ist mit dem Bart?«
»Ganz recht. Das ist noch nicht das Ende, dazu komme ich nun. Als ich mich gerade dem Ausgang zuwenden wollte, machte es ein Geräusch, als wenn ein Harnisch zerdrückt wird und mit einem Ruck lief die Winde wieder los. Dabei muss sich irgendwie mein Bart in der Kette verfangen haben und wurde nun aufgespult. Alles Zurren und Zerren war vergebens und mein Kopf wurde immer dichter zur Winde gezogen und zweifellos bald von der Kette zerquetscht, wenn es mir nicht gelang, mich zu befreien. Ich zog meine Axt aus dem Gürtel und begann, meine geliebten Zöpfe abzusägen , ja, ich glaube so kann man es nennen. Für einen kurzen, schnellen Axthieb fehlte mir der Platz. Ich weiß nicht, ob Ihr je versucht habt mit einer Axt etwas zu schneiden. Das ist ziemlich mühselig und zudem sehr schmerzhaft, wenn es an die Manneszier geht. Als ich endlich freikam, dachte ich mein Gesicht würde in Flammen stehen. Mir blieb aber keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn die Winde drehte sich unablässig weiter und langsam wurde der Türspalt schmal. Erbstück, oder nicht, ich nahm die Axt zum Verkeilen und suchte dann meinen Hammer, den ich unvorsichtigerweise mit dem Meißel auf dem Podest liegen gelassen hatte. Beim Zusammentreffen mit der Riesen-Axt waren sie durch den Raum geschleudert worden. Ich schnappte mir die Werkzeuge und trieb den Meißel durch eine Öse der Kettenglieder tief in die Wand. Dann griff ich die Axt und sah zu, dass ich zu so einer Türöffnung hinaufkam, wobei mir die Fresken von lachenden Gesichtern Tritt boten. Der Spalt war bereits zu klein, als dass ich mich mit meinem Gepäck hätte hindurchzwängen können. Ich schwang ein Bein hindurch, hakte mich damit unter und nahm den Rucksack vom Rücken, um ihn durch die Öffnung auf die andere Seite zu schleudern. Gerade als ich mich selbst durch den Spalt winden wollte, fiel der Meißel mit einem klirrenden Scheppern zu Boden und die Tür begann sich weiter zu heben. Hastig rollte ich mich hindurch und fiel auf der anderen Seite sehr unsanft zu Boden. Wie gewonnen so zerronnen. Ich war froh, mit heiler Haut und nur wenigen verbogenen Knochen davongekommen zu sein.«
»Da habt Ihr aber mächtig Glück gehabt, Falgrim. Denkt Ihr nicht es wäre ungefährlicher, wenn Ihr nicht allein …«, begann Harika, wurde jedoch vom Lärm des Smutjes unterbrochen, der mit einem großen Topf die Treppe heraufpolterte. Der Schiffsjunge folgte ihm mit einem Korb und beide stellten ihre Last auf einem Tresen an der Seite der Messe ab. Der Smutje läutete eine Glocke und nach und nach fanden sich die Seeleute ein und holten sich die Verpflegung ab. Wulfhelm sprang auf und freute sich: »Endlich Futter! Mir hängt der Magen in den Kniekehlen.« Sie hatten am frühen Morgen zuletzt etwas gegessen und machten sich hungrig über eine Bohnensuppe mit Zwieback her.
Nach dem Essen stopfte Falgrim sich eine Pfeife und sah Harika und Wulfhelm durchdringend an. »Morgen müsst ihr mir von euren Abenteuern berichten, einverstanden? Für heute wollen wir es bei den Erzählungen belassen. Würfelt ihr?«
Sie nickten eifrig und auch zwei Seeleute auf Freiwache schlossen sich ihrer Gesellschaft an.
Widerwillig öffnete Wulfhelm ein Auge und schmatzte. Es fühlte sich an, als hätte er ein totes Eichhörnchen im Mund, dabei hatte er weder etwas getrunken, noch einen Nussbaum angenagt. Nach dem Würfelspiel war er in seine Koje gestiegen, nichts weiter. Er streckte den Kopf über seinen Kojenrand und schaute nach Harika, die unten selig schlummerte. Es gab keinerlei Anzeichen für ein Unwohlsein der Kriegerin und Wulfhelm empfand dies als ziemlich ungerecht. Nur weil man es geistige Getränke nannte, hieß das doch nicht, dass davon jene stärker betroffen waren, die ihren Geist zu benutzen verstanden, oder?
Zerknittert rollte er sich aus seiner Koje und begab sich an Deck. Die Sonne brannte schon hell vom wolkenfreien Himmel und vom Achterkastell erklang die Stimme des Kapitäns, nicht frei von Schadenfreude: »Das Frühstück habt Ihr verpasst! Wie gefällt Euch die Seereise, bisher?«
»Ich würde mich wohler fühlen, wenn ich etwas Wasser hätte, glaube ich.«
Torben lachte dröhnend: »In der Messe ist ein Wasserfass, bedient Euch. Der Herr Zwerg steht übrigens am Bug und genießt die Aussicht.«
Wulfhelm füllte sich einen Becher mit Wasser und leistete Falgrim Gesellschaft, der auf dem Vorderkastell stand und aufmerksam die Küstenlinie beobachtete.
»Guten Morgen, Wulfhelm. Ist heute nicht ein herrlicher Tag?«
»Guten Morgen, Falgrim. Euch scheint die Seeluft ja gar nichts auszumachen«, antwortete der Zauberer. »Wonach haltet Ihr Ausschau?«
»Wir müssten bald in die Gegend kommen, wo Euer Turm steht. Ich hatte gehofft, einen Blick darauf werfen zu können.«
»Das würde ich auch gern sehen, aber ich befürchte er steht zu weit landeinwärts. Habt Ihr schon einmal darüber nachgedacht, wie es in Hachnasim weitergeht? Ich frage mich, wie wir dort von den Menschen empfangen werden. Was, wenn sie uns feindselig gesinnt sind?«
»Nach allem, was ich bisher über die Südländer hörte, sind sie ein durchaus freundliches Volk. Allerdings sollen sie eine sehr kurze Lunte haben.«
»Wie meint Ihr das?«, fragte Wulfhelm, der befürchtete, nun würde irgendeine zotige Zwergenposse kommen.
»Ich meine, dass sie schnell in die Luft gehen, wenn sie gereizt werden. Das habe ich zumindest gelesen.«
»Warum hat mich niemand geweckt?«, fragte Harika und kam die Stiege zum Vorderkastell hinauf. Sie sah frisch und ausgeruht aus, wie Wulfhelm neidisch feststellen musste. »Ihr scheint ja alle ganz wunderbar geschlafen zu haben«, maulte er.
»Wie ein Baby«, gestand die Kriegerin. »Kein Wunder, wenn das Bett so sanft hin und her schaukelt.«
Falgrim schätzte die Tageszeit. »Es ist noch etwas Zeit bis zum Mittag. Ich schlage vor, bis dahin genießen wir die warme Brise und am Nachmittag erzählt ihr mir von euren Abenteuern.«
Читать дальше