1 ...6 7 8 10 11 12 ...33 Der Kloß in meinem Hals nahm langsam ab und ich versuchte meiner Stimme einen ehrlichen und festen Klang zu geben, auch wenn es in mir drinnen ganz anders aussah. „Tötet uns, wenn ich mich irre.“ Wir hatten sowieso nichts mehr zu verlieren. Mutter war tot, Vater war fort. Was hätte ich sonst tun sollen, um unser Leben zu retten?
Konzentriert ließ der Major den Revolver sinken, sah mir forschend in die Augen. „Du wirst uns also zu ihm bringen.“
Ich nickte und hoffte, dass er mir diese Lüge glaubte, denn es war ab sofort unsere einzige Möglichkeit.
Er ließ seinen Blick über die um uns herumstehenden Kerle gleiten und steckte seine Waffe weg. „Männer. Wir haben ab sofort weibliche Gäste.“
Zu meinem Entsetzen jubelte die Menge lauthals los, als hätte ihr Anführer ihnen ein Geschenk gemacht. Mir wurde klar, dass die nächsten Tage, Wochen oder vielleicht sogar Monate die schlimmsten meines Lebens werden würden. Ich hatte keine Ahnung, wo ich sie hinführen sollte, denn ich wusste nicht, wo Vater war, ich wusste nur, dass ich meines und Katharinas Leben retten wollte.
Katharina und ich sahen uns verunsichert um, als die Gruppe sich auflöste und die Männer sich in lockerer Stimmung verteilten. Was würde bloß auf uns zukommen?
„Wir schlagen hier unser Lager für kommende Nacht auf, holt alles her was wir brauchen. Dann verbringen wir erst mal die Nacht hier“, befahl der Major mit zur Schau gestellter guter Laune. „Los, hopp, hopp, ich habe Hunger!“
Katharina sah mich an und flüsterte zu mir hinauf und flüsterte: „Anne, was hast du getan?“
Ich traute mich nicht, sie anzusehen. „Ich weiß es nicht.“
John Montgomery
Ich entriss mich Walt und Pete, die mich laut Befehl von Pattons noch festhielten und konnte meinen Augen nicht trauen, als ich zusah, wie er gelassen Dorners Terrasse hinauflief und im Haus verschwand. Einige Männer folgten ihm, wahrscheinlich in der Hoffnung gutes Essen zu finden und vielleicht auch die ein oder andere Schnapsflasche. Ich presste, vor Wut so abgekanzelt worden zu sein, den Kiefer aufeinander.
Es machte mich verrückt so elendig machtlos zu sein. Für mich machte es keinen Sinn die Dorners Töchter mit uns nehmen, da es für mich offensichtlich war, dass die Ältere log. Sie wusste ganz und gar nicht, wohin ihr Vater geflohen war. Was wollte Pattons mit ihnen anfangen? Sie waren Last, die wir nicht gebrauchen konnten, doch ich war nur ein Rekrut, was sollte ich schon sagen?
„Flipp nicht aus“, unterbrach James meine Hasstiraden im Kopf, während ich meinen Mitsoldaten nachsah, die Pattons aufs Wort gehorchten, als hätten sie keinen eigenen Kopf zum Denken. James schien meinen Groll zu spüren und kam einen Schritt auf mich zu. „Du weißt doch, Wut hat selten etwas besser gemacht.“
Mir blieb nichts anderes übrig, außer meine rechte Faust noch mehr zu ballen, bevor ich explodierte. „Ich bringe ihn um“, presste ich durch meine Zähne. „Wenn er denkt, dass er …“
„Jonathan.“ James legte seine Hand ruhig auf meine Schulter und ich sah ihn böse an. Sein Ausdruck war sanft, so wie immer, wenn er mir helfen wollte, mich nicht in den Zorn hineinzusteigern. „Er ist nicht Pepper. Beruhige dich.“
Ich entriss ihm unsanft meine Schulter und ging hinter das Haus, wo wir unser Marschgepäck abgelegt hatten. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die zwei Mädchen in das Haus gebracht wurden. Sie weinten, aber es war klar, dass sie sich selbst in diese vertrackte Lage gebracht hatten. Sie hätten einfach nur ihren Mund halten sollen, dann wären sie mit Sicherheit davongekommen. Nun würden beide erfahren, was sie davon hatten.
„Komm schon“, mischte sich nun auch Theo ein, der mir genauso wie James gefolgt war, doch ich ignorierte alle beide, während ich mir meine MG und meine Tasche schnappte. „Was ist das Problem? Es sind nur irgendwelche Mädchen und außerdem ist ein bisschen Abwechslung in unserem Haufen, auch nicht schlecht.“
„Gott, Theo, nimm dich zurück“, mahnte ihn James in seiner typischen Art und ich ging an beiden vorbei, nicht ohne Theo absichtlich anzurempeln, um meinen Standpunkt klarzumachen. Ich war wütend und das musste raus. Egal was meine Freunde davon hielten.
„Führ dich nicht so auf“, rief mir James hinterher. „Sie werden ja nicht ewig bei uns bleiben und dann läuft alles sowieso wieder wie geplant.“
Ruckartig drehte ich mich um und trat James einen Schritt entgegen, worauf er und Theo stehenbleiben mussten. „Wie geplant?“, knurrte ich. „Absolut gar nichts läuft wie geplant .“ Ich zeigte auf das große Haus, aus dem schon das Gegröle der Männer kam, die sich amüsierten. „Dieser Kerl da drin, der war nicht Teil des Plans.“ Ich kam James noch einen Schritt näher und versuchte nicht mal ruhiger zu werden. „Er sagt uns nicht, was wir hier suchen oder was wir von Dorner wollen. Er sagt uns ausschließlich, was wir tun sollen und benimmt sich wie das letzte Arschloch. Und jetzt? Jetzt sollen wir für ihn springen, damit er was ? Damit er … Ich will mir gar nicht ausmalen, was die Männer mit ihnen anstellen!“ Schnaubend drehte ich mich weg und lief die Treppen der Veranda nach oben. „Er hätte sie einfach erschießen sollen, das wäre das leichtere Übel für sie gewesen.“
„Dann sollten wir auf sie aufpassen“, sagte James während er mir ins Haus folgt.
Ich lief durch die große Eingangshalle, in der mir ein Kronleuchter in die Augen blendete und sah links in einem großen Raum, wie sich alle um den Major versammelten. Sie lachten und rauften sich beinahe um die Essensvorräte in der Küche. Sie benahmen sich wie eine Horde Wilder, die tagelang nichts Gescheites zu essen bekommen haben. Es war absurd hierzubleiben, aber ich hielt meinen Mund. Es hatte keinen Zweck mit Pattons zu diskutieren.
Ich ging den Flur weiter nach hinten in Haus, öffnete die Tür irgendeines Zimmers, in dem man das Gegröle der Mannschaft nicht so deutlich hörte und sah, dass sich Walt und einer der Javad hieß, es sich gerade bequem machen wollten, doch ich machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. „Raus. Das Zimmer ist für mich reserviert.“ Mein Ton musste die Drohung, die sich dahinter verbarg, ganz deutlich machen, denn Javad ging einfach ohne große Worte hinaus. Ihm war es egal, er würde irgendwo anders in diesem großen Haus einen Schlafplatz finden.
Walt, der sich gerade sein Unterhemd ausziehen wollte, blitzte mich sauer an. „Was? Angekratztes Ego, nur weil dich der Major dumm dastehen lassen hat?“
Ich atmete gestresst durch. „Walt, verpiss dich.“
Walt holte Luft, um mir etwas zu entgegnen, aber als er den Zorn in meinen Augen sah, wollte er lieber doch den drohenden Streit vermeiden, nahm, vor sich hin murrend, seine Jacke vom Stuhl, blieb aber nochmal stehen. „Übrigens sind wir glücklich darüber, dass uns Pattons weibliche Gesellschaft verschafft hat. Halt dich also zurück, ansonsten hast du nicht mehr nur Pattons als Feind, klar?“
Ich ignorierte sein Geschwätz und wand mich endlich aus meiner Jacke. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Walt mir noch einen verachtenden Blick zuwarf und dann verschwand. Er und ich hatten schon oft Meinungsverschiedenheiten, denn auch er war in Peppers Platoon, doch wir versuchten uns aus dem Weg zu gehen. Zumindest meistens.
„Die haben echt eine noble Hütte“, stellte Theo fest, während er sich im Zimmer umsah. „Dorner ist war wohl ein gut betuchter Mann.“
„Natürlich, schließlich ist er einige Ränge über uns. Im deutschen Offiziersrang“, meinte James und schloss die Tür hinter sich, weil die Lautstärke im Haus immer penetranter wurde. „Schade nur, dass immer die Falschen den Reichtum bekommen. Es sei ihm gegönnt, wenn er den Menschen helfen würde. Wenn er zum Beispiel Arzt geworden wäre.“
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