Aber bei Ehen oder ähnlichen Partnerschaften blickt man als Außenstehender nicht durch! Bei Dir wusste ich wirklich nicht, was Du nun eigentlich wolltest. Du warst zu wankelmütig! Noch vor vier Wochen habe ich gedacht: die Alte weiß selbst nicht was sie will. Die wird wohl nie wach werden. Als ich dann von der Geschichte hörte, habe ich mich gleich auf den Weg gemacht, um Dir meine Hilfe anzubieten. Mal im Ernst, Ruth. Ich muss Dir sagen, dass das ganze Theater kein Vorteil für Dein Geschäft ist. Dass der Laden so dünn besucht ist, ist der Beweis dafür. Den ganzen Ärger, den Dein Schnulli-Bulli hier wochenlang veranstaltet hat, haben sicher auch die Spieler mitbekommen. Deine Leibwächter tragen auch dazu bei, dass die Leute Angst haben. Ich weiß, dass die Bodyguards im Moment eine Beruhigung für Dich ist. Nur für das Geschäft ist die Leibgarde nicht gut. Das sollte Dir zu denken geben. Wenn Du meinen Rat hören willst, mach den Laden vierzehn Tage zu. Häng ein Schild an die Tür: wegen Renovierung geschlossen! Renoviere die vergammelte Bude, hat die sowieso nötig. Fahr in der Zeit in Urlaub und Du wirst sehen, danach brummt der Laden wieder. Wenn Du so weiter machst, bewacht wie die Queen, dauert es lange, bis die Spieler ihre Angst verloren haben und wieder hierhin kommen. Glaube meiner Casino-Erfahrung, das ist der schnellste und beste Weg um Vergessen zu erzeugen. Bisher hab ich Dich doch nicht schlecht beraten, oder?“
Schweigend hatte ich mir seinen Vortrag angehört, dann antworte ich leicht aufbrausend: „Du hast gut reden! Bin ich Onassis Tochter? Leider nicht! Renovierungs-Urlaub, Geschäft abschließen, von was? Was glaubst du, was es mich gekostet hat Franco loszuwerden? Ich habe für Deine guten Ratschläge kein Geld. Bin froh, dass ich noch die Kassen-Lage habe. Es darf schon kein Größerer Verlust-Tag kommen, dann kann ich schon nicht mehr nachfassen. Ich wäre dann gezwungen, einen Partner zu nehmen, aber das will ich im Moment nicht. (So, nun weißt Du es. Mach Dir also keine unnötigen Hoffnungen) Ich weiß, Du meinst es gut, Freddi. Ich danke dir für Deine Anteilnahme, aber leider kann ich mir das alles nicht erlauben.“
Abwehrend hebt er die Hand und sagt ärgerlich: „Was glaubst Du eigentlich, warum ich hier bin? Um Dir kluge Vorträge zu halten bestimmt nicht. Hältst Du mich für so dumm, dass mir Deine Probleme nicht klar sind? Pass auf, was wird die Renovierung kosten? Ich schätze zehn- bis fünfzehn Mille. Die leihe ich Dir. Nein warte, lass mich ausreden. Die scheußliche alte Theke muss auch auf den Müll. Das ist kein Problem. Ich habe noch eine schöne Mahagoni-Theke in Holland auf Lager stehen. Mit Überbau, mit eingebauten Messinglampen. Die passt gut in den hohen Raum hier, macht etwas gemütlicher. Die kannst Du Dir abholen. Schenk ich Dir, ich brauch sie sowieso nicht mehr. Das Geld kannst Du mir zurückgeben, wie Du es hast. Damit kannst Du Dir Zeit lassen. Also ist das ein Angebot? Hör auf mich, Ruth. Du machst einen so gestressten Eindruck, Du brauchst dringend Erholung. Musst abschalten, das kann man am besten im Urlaub. Nun sieh mich nicht so an, ich leihe Dir auch noch das Geld dafür, wenn Du es nicht hast. Was aber noch wichtiger ist, das Casino braucht neuen Aufschwung. Es ist doch eine Schande um diesen Laden, Du bist hier konkurrenzlos, da muss doch mehr rauszuholen sein. Guck Dir doch dieses dünne Gelutschte an. (‚Daran bist Du doch mit Schuld. Noch vor fünf Monaten, als ich hier alleine Regie führte, sah es anders aus. Da war der Laden proppenvoll. Mit Deinem ‚Wiener’ hat der Rücklauf angefangen.’) Davon kannst Du doch kaum die Kosten bezahlen, geschweige denn verdienen. Ich helfe Dir aufgrund unserer langjährigen Freundschaft. Dabei habe ich keinerlei geschäftliche Interessen. („Dass ich nicht lache. Ich kenne Dich.’) Andere schon gar nicht, das weißt Du. („Jetzt nicht mehr. Nachdem Du Dir mehrere Körbchen eingefangen hast. Früher schon.’) So, ruf mich an, wenn Du es Dir überlegt hast. Jetzt muss ich wieder weiter. Ich bin mit Ede im ‚Hotel Luisa’ verabredet. Bis dann.“
Mir freundlich die Hand reichend steht er auf. „Du hast wahrscheinlich recht.“ sage ich, während ich ebenfalls aufstehe. „Ich rufe Dich an. Erst mal danke ich Dir für Deine Hilfsbereitschaft. Und grüß Ede von mir.“ Während er in den Spiel-Saal geht, bleibe ich im Durchgang stehen. Obwohl während unseres Gespräches mehrere Gäste gekommen sind, können diese den geräumigen Saal nicht füllen. Gähnend leer sieht es mit den wenigen Anwesenden aus. Es gibt nichts langweiligeres, als ein leeres Casino. Freddi hat sich zu Manuel gesellt, der vor dem Kessel steht und den Lauf der Kugel sowie die Spiel-Gewohnheiten der Gäste aufmerksam zu beobachten. Die beiden sprechen leise miteinander. (‚Beratschlagt ihr schon, wie ihr die Lage hier ändern könnt? Diese Überlegung könnt ihr Euch sparen’.) Auf der linken Seite des Raumes sitzt der „Wiener Dieter’ mit zwei Jungens meiner Bodyguard auf der grün-braun gestreiften Polster-Garnitur. Lachend diskutieren die Männer. Wahrscheinlich mal wieder über die neuesten Disco-Eroberungen. Die Teenies! Außer Sport, Weiber und Geld haben die eh kein Thema.
Die Gemeinsamkeit das Zocken hatte sich durch des Reutlingers Eingreifen ja vor Kurzem erledigt. Recht hat der Reutlinger ja, denke ich. Für die ‚Soliden’ unter den Zockern, die hier verkehren, sind meine Leibwächter sicher ein beängstigender Anblick. Kerle wie Bäume, können vor Kraft kaum gehen. Deshalb sind auch nur die ‚Unverwüstlichen’ übrig geblieben. Leider sind das die Leute, deren Geldbeutel durch die jahrelange Zockerei sowieso nur noch dünn gefüllt sind. Freddi hatte absolut recht. Ich musste mir etwas einfallen lassen, um die miese Lage zu ändern. Aber was? Möglichkeiten gäbe es mehrere. Nicht nur die Vorschläge des Reutlingers. Ich könnte Anteile verkaufen. Aber an wen? Freddi würde sich bestimmt gerne wieder beteiligen. Deshalb hatte er sicher den Holländer mitgebracht. Scheinheiliger Hund, als ob ich Dich nicht durchschauen würde. Logisch bist Du aus geschäftlichem Interesse gekommen! Die Freundschaft kommt bei Dir immer an zweiter Stelle. Und ob Du wusstest, dass Manuel und ich uns mögen. Das weißt Du noch aus der Zeit in Amsterdam. Denke ich. Vielleicht wäre er ja wirklich mit seiner liebenswürdigen, freundlichen Art der richtige Geschäftsführer für mein Publikum. Auch seinen holländischen Dialekt mochten die Rheinländer sicher. Mit mir sprach er zwar immer nur ‚Neederlands’, wenn wir uns begegneten, aber er konnte recht gut Deutsch. Sein Charme würde bei unseren ‚Omis’ bestimmt gut ankommen. Die ‚Rostigen’ stehen auf Charme. Aber der Versuch einer geschäftlichen Partnerschaft mit dem Reutlinger war vor vier Wochen durch Franco Eingreifen, nach drei Monaten ‚saure Gurkenzeit’ beendet worden. Der geringe Erfolg unserer Zusammenarbeit lag eindeutig an der falschen Besetzung des Geschäftsführer-Postens. Mehr als einmal, in diesen drei Monaten, hatte ich dem Reutlinger gesagt, dass der ‚Wiener’ zwar ein Kumpel aber kein ‚Bänker’ und hier deplatziert sei. Für das hiesige Spieler-Potenzial, hauptsächlich aus Rentnerinnen, kleinen Geschäftsleuten und ruhigen Ausländern bestehend, also einem zivilisierten Publikum, war er einfach der falsche Mann. Mit diesen Leuten konnte er nicht umgehen. Er wäre für einen ‚Räuberzock’ der Richtige! Da Freddi jedoch, trotz mehrfachen Bitten meinerseits, keinen anderen Mann geschickt hatte, ging das Geschäft mehr und mehr bergab. Aus dieser Erfahrung heraus wollte ich vorerst von einer neuen Partnerschaft nichts wissen. Sollte allerdings bei dieser dünnen Geschäftslage und meinem finanziellen Engpass bleiben, würde ich dazu gezwungen sein. Dadurch, dass die Freddis Angebot annahm, wollte ich mich ihm gegenüber nicht verpflichten. Nein - das würde ich sicher nicht annehmen! Bei aller Freundschaft, das war nicht der richtige Weg für mich und meinen Laden.
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