dass er von allen der bunteste ist!“
Die Spannung der Gäste löste sich in brüllendem Gelächter auf. Niemand hatte damit gerechnet, dass Shehera dem Haimamud ausgerechnet mit Versen das Wasser reichen konnte. Wulfiard erkannte, dass es keinen Zweck hatte, mit einem weiteren anzüglichen Reim zu antworten, denn die schöne junge Frau in dem knöchellangen Rock hatte die Gäste auf ihrer Seite. Er verbeugte sich daher vor ihr und spendete als erster Applaus.
Als die Leute sich wieder ihren Gesprächen zuwandten, näherte er sich Shehera. Er sah, wie ihr Vater misstrauisch herübersah, und hielt daher gebührend Abstand. „Einer Frau wie dir begegnete ich nie zuvor“, sagte Wulfiard. Worte, die ihm bei anderen Frauen leicht von den Lippen kamen, schienen ihm auf einmal banal und albern. Zum ersten Mal wusste er nicht, ob er das richtige sagte, aber er fuhr mit leiser Stimme fort. „So anmutig wie eine Lilie. Das … das ist eine Blume aus meiner Heimat. Sicher … sicher hältst du mich für einen Bruder Leichtfuß, aber erlaube mir, dich morgen wiederzusehen, schöne Shehera!“
Während sie sich die langen Haare hinter die Ohren strich, musterte die Batorianerin sein Gesicht. Vielleicht las sie darin, dass seine Worte keine dahingeworfenen Phrasen waren, vielleicht fand sie ihn, den großgewachsenen, blonden Fremden durchaus einen zweiten Blick wert. „Ich hole morgen Wein von einem Bauern an den Hängen des Tengriswalls ab. Du kannst mitkommen, auf dem Eselskarren ist Platz für zwei. Auf dem Rückweg wirst du aber laufen müssen, sonst schafft das alte Grautier es nicht“, sagte sie mit weicher Stimme.
„Ich danke dir! Morgen werde ich zur Stelle zu sein.“ Er würde noch ihren Vater um Erlaubnis fragen - ein Gedanke, der ihm zum ersten Mal im Leben kam. Aber Shehera war auch nicht wie andere Frauen.
Inzwischen waren die drängenden Rufe nach einer weiteren Geschichte wieder lauter geworden. Wulfiard setzte sich wieder auf die Stuhllehne und hob den leeren Humpen. „Wenn mir einer den Durst austreibt, der mich wie ein Damön befallen hat, dann werde ich euch erzählen, wie eine Handvoll Runländer eine zehnfache Übermacht Korsaren besiegte, die ihr Dorf plündern wollten. Und bestellt auch selbst, damit euch der Durst später nicht ablenkt.“
Der Wirt nickte zu diesen Worten, und gleich zwei Gäste waren bereit, für die kriegerische Geschichte zu zahlen. Wulfiard stellte einen Krug zwischen seine Füße auf die Sitzfläche, den zweiten trank er in einem Zug aus. Während er erzählte, verließ der Ssadesti das Betrunkene Kamel , und der sonderbare Schmied vertiefte sich in ein geflüstertes Gespräch mit dem Kesselflicker. Da der Räuber verschwunden war, getraute der Dicke sich wohl, mehr über diese Horde zu erzählen.
Der Abend wurde noch lang und fröhlich, auch wenn Wulfiard traurig war, als sich die schöne Shehera zurückzog. Bis dahin war er mit den Augen unentwegt ihren Bewegungen gefolgt und hatte zu ergründen versucht, warum ihr Anblick solch eine Wirkung auf ihn hatte.
Als die Gäste nach und nach heim gegangen waren, war Wulfiard mit dem Wirt allein. „Hat sich das Geschäft für dich gelohnt, Wirt?“
„Ja, und ich weiß, was du jetzt fragen wirst: Du suchst ein Nachtlager.“
Wulfiard glaubte, eine echte Glückssträhne zu haben. Also wollte er versuchen, noch etwas mehr herauszuschlagen.
„Nun ja, das auch. Aber glaubst du nicht, dass mir ein Lohn dafür gebührt, das ich deine Einnahmen verdoppelt habe?“
„Nun lass mal gut sein, Haimamud. Ich habe doch gesehen, dass du das eine oder andere Bronzestück für deine Geschichten und Verse eingesteckt hast.“
„Na ja.“ Wulfiard grinste. „Einen Versuch war es wert.“
„Dafür biete ich dir ein sauberes Bett. Im linken Zimmer am Ende des Flures schläft zwar schon ein Mann, aber er hat nur für ein Bett bezahlt. Das andere kannst du haben.“
Das ist doch schon etwas , dachte Wulfiard, der gewohnt war, sich das Bett mit vier oder fünf Fremden teilen zu müssen oder im Stall zu schlafen. „Hab´ Dank, äh …“
„Mein Name ist Hodscha ibn Rastu Birscha ibn Melahat. Oder einfach Hodsch“, sagte der Wirt, „und wenn du magst, unterhalte morgen meine Gäste wieder. Solange keine Langeweile aufkommt, soll es mir recht sein. Aber lass deine Finger von meiner Tochter, sonst wird dir das schlecht bekommen. Wie bist du übrigens über den Unsteten Pfad gekommen?“
„Ohne Gefahr, aber hinter mir sind Waffenschmuggler in die Tiefe gestürzt.“
Hodsch nickte. „Ein gerechtes Urteil. Aber wer hat es gesprochen und ausgeführt? Der Berg selbst?“
„Ich weiß es nicht. Vielleicht lebt ja doch ein Zauberer im Tempel über dem Nordtor.“
„Ja vielleicht.“ Hodsch schwieg eine Weile, bis er gähnen musste. „Denk daran: Lass die Finger von meiner Tochter!“
„Natürlich! Nochmals Danke, Hodsch, und eine gute Nacht!“
Das Gästezimmer war leicht zu finden, schließlich hatte das Betrunkene Kamel nicht mehr als fünf davon. Ein Licht hatte Hodsch ihm nicht mitgegeben, und so betrat Wulfiard im Dunkeln das Zimmer. Er hatte die Tür gerade hinter sich geschlossen, als er eine Klinge an seiner Kehle spürte.
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