„Hört, hört!“, rief Nomo anerkennend dazwischen.
„Tom hat mir vorhin den Kopf gewaschen ...“, fuhr Glenn fort und fuhr sich dabei passenderweise durch sein braunes Haar. „Und ich verspreche, an mir zu arbeiten, damit alles wieder ins Lot kommt! Wenn ich mich trotzdem wieder daneben benehmen sollte, dann sagt es mir! Schüttelt mich! Tretet mir in den Hintern! Schüttet mir Eiswasser über den Kopf!“
„Karin könnte ein paar Sahnetörtchen backen, die wir dir ins Gesicht kleistern!“, schlug Hanne vor. „Dann landen sie schon nicht auf meiner Hüfte!“
Glenn starrte die Griechin überrascht aus aufgerissenen Augen an, zögerte einen Moment und brach dann in schallendes Gelächter aus, in das prompt alle anderen ebenfalls einfielen.
„Da … danke Hanne!“, japste der Submaster, als er wieder Luft bekam. „Das habe ich brauchen können!“
„Nun komm schon, alter Brummbär!“, rief ihm Harriet zu. „Wir bekommen das zusammen mit dir wieder hingebogen! Und nun nimm Platz – sonst platze ich noch vor Neugier, welche unglaublichen Neuigkeiten unser allseits geschätzter Commander für uns in petto hat!“
„Das ist ja ganz was Neues ...“, feixte Glenn erleichtert, während er sich zu seinen Kollegen an den Tisch setzte. „Harriet und neugierig ...“
„He!“, protestierte die prompt. „Als wenn ihr nicht auch wissen wolltet, was unser Chef uns zu berichten hat! Also Tom, was liegt an?“
Sechs Augenpaare richteten sich auf den athletischen, schwarzhaarigen Mann am Kopfende des Tisches, der bequem in seinem Sessel lümmelte, während er mit den Fingern der rechten Hand einen schnellen Trommelwirbel auf der Tischplatte vollführte.
„Nun gut ...“, sagte der, setzte sich aufrecht hin und verschränkte seine Hände vor sich auf dem Tisch. „Vor etwas mehr als einer Stunde rief mich unser Bordgehirn in die Zentrale, weil man im HQ dringend mit mir reden wollte. Und das tat ich dann auch ...“
Er schaute leicht amüsiert in die Runde, während in der Bordmesse eine erwartungsvolle Stille herrschte.
„Du bist ein Folterknecht!“, beschwerte sich dann Harriet. „Wenn du nicht gleich mit den Neuigkeiten rausrückst, koche ich das nächste Essen!“
„Uh – lieber nicht!“, wehrte Carna diese düstere Drohung rasch ab. „Mit deiner Lasagne könntest du eine Invasion Außerirdischer abwehren! Sagt euch das Projekt „Ferne Welten“ etwas?“
Es war Karin, die sich sofort zu Wort meldete. „Und ob!“, rief sie. „Das ist das neuartige schnelle Experimentalschiff, das sie jenseits der Mondbahn gerade zusammenschrauben. Wenn man der Berichterstattung Glauben schenken kann, wird es einmal fast 100 Lichtjahre am Tag schaffen!“
„Wow – 100 Lichtjahre?“, staunte Roy Anthony nicht schlecht und zwirbelte sich dabei seinen strohblonden Schnauzbart. „Das ist ja bald zehn Mal so schnell, als die meisten Schiffe derzeit zurücklegen können. Mann, ich wusste von dem Projekt, aber dass der neue Kahn so schnell durchs All flitzen soll, war mir neu!“
„Außerdem soll das ein Riesenkreuzer werden, habe ich gehört“, meldete sich auch Nomo zu Wort. „Aber die lassen die Informationen ja immer nur portionsweise raus, damit die Sponsoren bei der Präsentation auf ihre Kosten kommen.“
„Ich bin tatsächlich schon gespannt, was als Ziel für den Erstflug vorgesehen ist“, sagte Glenn. „Doch was hat das Projekt mit uns zu tun, Chef?“
Carnas Lippen umspielte ein feines Lächeln, als er noch einmal einen bedeutungsvollen Blick in die versammelte Runde warf und dann die Katze aus dem Sack ließ.
„Der Zielstern wird Deneb, der Hauptstern im Sternbild Schwan sein … und ZENTRACOMP hat uns als Kommandocrew für den Testflug dorthin vorgeschlagen!“
Die in neutralem Ton hervorgebrachte Neuigkeit schlug ein wie eine Bombe. Carnas Crew riss fast synchron Augen und Münder auf, als der Inhalt der paar Worte ins Bewusstsein vorgedrungen war – und dann brach schlagartig ein aufgeregtes Stimmengewirr los, als die drei Männer und drei Frauen gleichzeitig los redeten:
„Ich werde verrückt!“ - „Wahnsinn ...“ - „Das darf doch nicht wahr sein!“ - „Wir? Wirklich wir sollen die Expedition befehligen?“
Dies und ähnliches konnte der Commander bunt gemischt durcheinander hören. Angesichts der Dimension des Vorschlag ZENTRACOMPS wunderte sich der smarte Neuseeländer auch nicht eine Minute über die fassungslose Reaktion seiner Leute. Also ließ er sie gewähren, bis sie sich von selbst wieder beruhigt hatten. Roy brachte schließlich die Aufregung der Crew auf den Punkt: „Warum hat ZENTRACOMP ausgerechnet uns vorgeschlagen? Ist es nicht eher ungewöhnlich, einer TESECO-Crew eine solche Aufgabe anzutragen?“
Tom lehnte sich lässig zurück, während seine Finger wieder einen Wirbel auf der Tischplatte vollführten. Das einzig sichtbare Zeiten, dass ihn die mögliche Aufgabe bei Weitem nicht so kalt ließ, wie er bemüht war, es vorzugeben.
„Aufgrund unsere Erfahrung mit Extremsituationen, wie zum Beispiel auf Flashfire im Agena-System, wenn ihr euch erinnert ...“, zählte er auf, was ihm vom HQ mitgeteilt worden war.
„Uh je – erinnere mich bloß nicht daran!“, stöhnte Hanne auf. „Ich hatte noch wochenlang Muskelkater von dieser Mörder-Wanderung quer über den Zentralkontinent. Und man warf mit einem Kopf nach mir!“
„He, übertreib' nicht!“, rief Nomo. „Der stammte schließlich bloß von einem Androiden!“
„Wie er so vor mir lag und mich aus seinen trüben Augen anstarrte, sah er immerhin ziemlich echt aus. Mir hat es gereicht! Davon abgesehen – ich glaube kaum, dass dieses Abenteuer das alleinige Kriterium darstellte, oder?“
„Nein, Hanne, du hast Recht!“, bestätigte Carna die Annahme der TESECO-Agentin. „Es wurde auch berücksichtigt, dass wir als einzige Menschen bisher selbstständig einen erfolgreichen, friedlichen Kontakt zu einer außerirdischen Zivilisation herstellt haben, nämlich AISCHONGAN. Und wir hatten zudem bereits Kontakt mit den Noraki.“
„He, die haben mich entführt!“, protestierte Roy. „Nennen die das 'Kontakt'? Oder meinten die damit, dass ihr euch Zugang zu deren geheimen Tiefseestation und der havarierten Beulenkugel verschafft habt?“
„Also, in dem Punkt ist ZENTRACOMP wohl der Gleiter durchgegangen, wenn er das als Kontakt wertet“, meinte auch Glenn kritisch.
„Wie dem auch sei, offensichtlich ist die terranische Großoptronik der Meinung, dass wir dafür geeignet seien, diese Expedition zu führen“, führte der Commander die Diskussion wieder auf das Wesentliche zurück. „Wir dürfen uns frei dazu entscheiden. Es gibt keinerlei Zwang oder Druck, da dieser Vorschlag noch nicht öffentlich gemacht wurde. Daher stelle ich euch allen die Frage, ob ...“
„Ja! Lasst uns fliegen!“, wurde er von einer enthusiastisch ihren Arm nach oben streckenden Karin Schroeder unterbrochen.
Damit hatte sie schlagartig die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Kollegen, und deren Blicke zeigten eine Mischung aus amüsierter Überraschung.
„He, was denn?“, nuschelte die Ingenieurin rot werdend hervor, und ließ dabei langsam ihre ausgestreckte Hand wieder nach unten sinken. „Wann bekommt man schon mal die Gelegenheit, ein völlig neu entwickeltes Schiff zu fliegen?“
Freundliches Gelächter pflichtete ihr bei und Hanne meinte: „Karin hat recht, Leute! Wir werden die Ersten sein, die so weit weg von der Erde in bisher unbekannte Regionen vorstoßen! Der Deneb … ein astronomisches Sahnehäubchen, den ich unbedingt mit eigenen Augen sehen will. Daher schließe ich mich Karin an, obgleich ich dadurch bestimmt weitere fünf Kilo zunehmen werde!“
Diesmal fiel das allgemeine Gelächter etwas lauter aus, was Hanne veranlasste, ihren Kollegen die Zunge herauszustrecken, doch dann fiel sie in das Lachen mit ein.
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