„Bitte projiziere eine Schallbarriere um uns!“
„Selbstverständlich.“ Gleichzeitig mit der Bestätigung des Rechners leuchtete auf dem Boden eine feine, kreisförmige Linie auf, die den gesamten Tisch mit beiden Personen umschloss. „Abschirmung steht.“
„Danke, SELENE!“
„Keine Ursache Mr. Ültay.“
Der Sekretär wendete sich nun wieder seinem Gegenüber zu. „So, jetzt können wir ...“
„Dass Sie eine Abschirmung errichten ließen sagt mir, dass ihre Informationen wohl nicht einer gewissen Brisanz entbehren“, kommentierte GM Reed das Geschehen mit gerunzelter Stirn.
„Zum Teil trifft das auch zu“, bestätigte ihr Sekretär ihre Mutmaßungen. „Die 'Kinder der Sterne' … unseren eingeschleusten Spion haben wir vor wenigen Tagen tot am Strand von Marthas Vineyard aufgefunden ...“
„Das darf doch nicht wahr sein!“, stöhnte die TESECO-Chefin unterdrückt auf. „Wieder Gift?“
Ültay nickte bestätigend. „Das gleiche unbekannte, exotische Gift, mit dem auch schon unsere beiden vorherigen Agenten ausgeschaltet wurden!“
„Diese Sektenjünger enttarnen unsere Leute in derart kurzer Zeit, dass sich mir ein ungeheuerlicher Verdacht geradezu aufdrängt ...“ Reed warf ihrem engsten Mitarbeiter einen vielsagenden Blick zu.
„Ich fürchte auch, dass wir einen Maulwurf in den eigenen Reihen sitzen haben“, sprach der das aus, worauf seine Chefin anspielte.
Die nickte düster. „Nun, ein ernstes Problem. Wir werden eine interne Ermittlungsgruppe einsetzen müssen, welche wir nur aus besonders überprüften Spezialisten bilden werden.“
„Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen“, meinte Ültay zustimmend nickend. „Und wie verfahren wir mit unseren Ermittlungen bei der Sekte?“
„Da habe ich schon eine Idee im Hinterkopf“, erwiderte GM Reed. „Aber darüber wird niemand etwas erfahren. Das werde ich persönlich in die Wege leiten, und je weniger davon wissen, um so sicherer für den nächsten Agenten!“
Ültay nahm die Info ohne äußerliche Regung auf. Er wusste, dass seine Chefin ihm blind vertraute, doch manchmal war es einfach sicherer, den Kreis der Eingeweihten so klein wie möglich zu halten. Deshalb insistierte er nicht weiter, sondern fuhr mit seinen Informationen fort.
„Wir werden morgen die WITCHCRAFT endgültig und offiziell verloren geben. Selbst eine Ausweitung des Suchbereiches auf einen Radius von 50 Lichtjahren um die vorgesehene Fluglinie des Kolonistenschiffes brachte nicht mal ansatzweise eine Spur. Wenn ein Unfall im Hyperraum die Ursache für das Verschwinden sein sollte, kann das Schiff wer weiß wo sein – bis hin zu seiner vollständigen Vernichtung!“
„Hm ...“, machte GM Reed nachdenklich. „Das wird Präsidentin Loka wirklich nicht gefallen ...“
Ültay zuckte mit seinen Schultern. „Auch, wenn die Tochter der Präsidentin an Bord der WITCHCRAFT war, wird sie nicht umhin kommen, diese Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen. So tragisch das für sie, die Kolonisten und deren Angehörigen im Solsystem auch sein mag.“
„Das sagt sich immer so leicht, wenn man nicht selbst Betroffener in so einer Sache ist“, sagte GM Reed sanft, aber nachdrücklich. „Aber die Präsidentin ist eine vernünftige Frau. Sie wird damit zurecht kommen. Noch was?“
Der Türke nickte. „Wir mussten einen Regionalpolitiker aus Alice Springs festnehmen, der auf einer Wahlveranstaltung seiner Partei „Aufrechtes Ozeanien“ Nicht-Ozeanier beleidigte und gegen sie hetzte!“
Kate Reed schüttelte verständnislos ihren Kopf. „Diese radikal-ideologische Partei wird uns noch viel Ärger bereiten. Es ist mir ein Rätsel, wieso so viele Ozeanier diese Spinner wählen. Nun gut, das werden wir im nächsten Geheimdienstausschuss näher beraten. Gibt es auch irgend etwas Erfreuliches zu berichten?“
„Der Name für das Expeditions-Schiff steht nun fest“, antwortete Ültay.
„Das schnelle Fernflug-Experimentalschiff, welches wir unter Mitarbeit der Noraki und den Erkenntnissen aus den schwarzen Schiffen gebaut haben? Durften nicht die Noraki den Namen bestimmen?“
„Genau dieses“, bestätigte der Sekretär. „Und ja, sie haben den Namen auswählen dürfen!“
„Und?“ GM Reed wirkte ungeduldig. „Mache Sie es nicht so spannend, Engin!“
„Das Schiff wird N'YAN NOR heißen. Das bedeutet 'Ferner Stern'.“
„N'YAN NOR ...“, wiederholte die Irin den Namen des neuen Schiffs. „Das klingt sehr angenehm … doch, gefällt mir gut! Gibt es auch schon Informationen darüber, wer die Besatzung bilden soll?“
„Bis auf die Kommado-Crew wurden schon einige Mitglieder ausgewählt.“ Ültay zog ein Datenpad aus einer der Taschen seiner Dienstuniform und rief eine Datei ab.
„Die Crew soll zum großen Teil aus Angehörigen der USF gebildet werden. Einer aus dieser Besatzung wird stellvertretender Kommandant sein, nämlich Oberst Jeremia Youlou . Als dessen erster Stellvertreter hat man Oberst Younzlong Cha bestimmt. Erfahrene Männer mit einem weiten Horizont und aufgeschlossen für Neues!“
„Ich hätte mich auch sehr gegen sture Kommissköpfe gewehrt“, kommentierte die TESECO-Chefin diese Auswahl. „Wer ist noch dabei?“
„Von den Wissenschaftlern steht Dr. Saroniji Nehru fest. Sie ist Exo-Planetologin, Biologin und promovierte Chemikerin. Außerdem haben wir dann noch den Noraki Thoo-Aran-Akima von der norakischen Integritätsbewahrung und zwei weitere seiner Artgenossen. Wissenschaftler, so weit ich weiß.“
„Na, das wird bestimmt aufregend für sie und die Mannschaft – die erste Expedition, an der mehr als eine raumfahrende Spezies teilnimmt“, bemerkte Reed. „Gibt es schon Vorschläge, wer als Kommandocrew eingesetzt werden soll?“
Ültay zögerte einen Moment, dann rief er rasch eine neue Datei auf. „ZENTRACOMP hat tatsächlich einen Vorschlag erarbeitet, der viele Faktoren berücksichtigt und nach Meinung des Großrechners die beste Möglichkeit von allen darstellt!“
„Machen Sie es nicht so spannend!“, beschwerte sich seine Chefin. „Um wen handelt es sich?“
Als Antwort reichte der Sekretär GM Reed das Datenpad hinüber. Diese nahm es in Empfang und überflog die dort aufgelisteten Namen. Verblüfft rutschten ihre Augenbrauen nach oben, und als sie Engin Ültay wieder anschaute, merkte man ihr das Erstaunen deutlich. „Na, sieh mal einer an ...“
25 Lichtjahre vom Erdmond entfernt war es gerade Mittagszeit in Xorrian, der Hauptsiedlung Xorrs, des siebten Planeten des blauweißen Riesensterns Wega, der gleißend von einem fast weißen Himmel herunterstach und die Temperatur auf schweißtreibende 38 Grad Celsius hoch trieb.
Über dem schwer beschädigten Landefeld des kleinen Raumhafens schwebten die entfernt scheibenförmigen Silhouetten mehrerer Raumschiffe unterschiedlichster Bauart und warfen harte, schwarze Schatten auf das graue Steinmaterial des Untergrunds. Eines der im Sonnenlicht glänzenden Schiffe war der TESECO-Kreuzer PRINCESS II. Die Crew des Schiffes half beim Wiederaufbau der Sicherheitsstrukturen der durch den Angriff der schwarzen Robotschiffe der Keph'Tauren schwer zerstörten Stadt. Die Bewohner konnten sich zum Glück in die tiefen, natürlichen Kavernen unter der Stadt retten und überstanden den Angriff daher lebend. Bei einem dieser Menschen handelte es sich um Derek Mercantos, Werftleiter des Raumhafens von Xorrian und vormaliges Besatzungsmitglied der PRINCESS. Mit ein Grund, warum sich die Crew des Schiffes für diesen Einsatz vor Ort freiwillig gemeldet hatte. Sie kümmerte sich dabei vorrangig um den Wiederaufbau der örtlichen P-Sec-Zentrale, also der planetaren Sicherheit, sowie der Sicherheits-Infrastruktur und sie unterstützte die dortigen Kollegen bei ihrer täglichen Arbeit.
An Bord der PRINCESS befanden sich vier Besatzungsmitglieder, die gerade ihre Freischicht hatten. Einer von diesen kam gerade mit sehr nachdenklichem Gesicht den zentralen Antigravlift aus der Zentrale herunter geschwebt und verließ diesen auf Höhe des B-Decks. Hier befand sich neben der Medostation mit medizinischem Labor und Tiefschlafzellen auch die Bordküche nebst Speiseraum. Kaum, dass Tom Carna aus dem Lift hinaus auf den Korridor getreten war, hörte er Hanne Arminos' Stimme, die im laut klagendem Ton aus der geöffneten Tür zur Bordküche zu ihm heraus drang.
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