„Angst keine ...“, verneinte der. „Aber Respekt!“
„Eine Antwort, die Sie auszeichnet, Glenn“, meinte die TESECO-Chefin anerkennend. Und an Carna gewandt sagte sie: „Und? Habe Sie Ihre Rede vorbereitet?“
Der schüttelte seinen Kopf. „Aber nein, ich rede frei aus dem Bauch heraus. Alles andere würde sich bei mir sonst nur gekünstelt anhören.“
„Bloß gut, dass Tom heute keine Hülsenfrüchte zum Mittag hatte“, flüsterte Hanne ihrer Kollegin Harriet kichernd ins Ohr.
Die prustete los und konnte gerade noch die Hand vor dem Mund halten. Natürlich hatten auch die anderen Hannes Bemerkung mitbekommen, und so ging leises Gelächter durch die Crew. Carna verdrehte dazu seine Augen und schüttelte seinen Kopf, während er aus den Augenwinkeln bemerkte, dass auch GM Reed sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.
„Ich glaube, wir gehen hinüber in die Halle und bringen das Intro hinter uns, bevor meine Leute hier ...“, er warf seiner Crew einen strengen Blick zu, der sie augenblicklich zum verstummen brachte, „... sich noch in Albernheiten verlieren!“
„Wie Sie meinen, Tom ...“, stimmte die Generalmanagerin zu. „Also, ich werde vorausgehen, eine kurze Begrüßung sprechen und sie als Kommandocrew ankündigen. Dann folgt ihr Auftritt. Mr. Ültay wird Ihnen das Signal geben. Alles klar so weit?“
Carna nickte. „Auf das Signal hin erfolgt der Auftritt der Gladiatoren!“, fasst er mit trockenem Humor zusammen.
„Immerhin erwarten Sie auf der anderen Seite keine hungrigen Löwen!“ GM Reed nickte der PRINCESS-Crew noch einmal zu, dann öffnete sie die Tür zum angrenzenden, großen Versammlungsraum, und ließ diese einen Spalt offen stehen, nachdem sie hindurch gegangen war.
„Meine Damen und Herren, werte Kollegen ...“, konnten die Zurückgebliebenen die Worte der Irin hören, „Als Leiterin von TESECO begrüße ich Sie alle recht herzlich in PORT TESECO, wo das Abenteuer „Ferner Stern“ seinen Anfang nehmen soll.
Ganz besonders möchte ich den Minister für extraterrestrische Angelegenheiten, Mr. David Hill, sowie den stellvertretenden Direktor von SADMIT, Janosch Parczin, hier in unserem Raumhafen begrüßen. Als Vertreter der federführenden Behörden wollten es sich beide Herren nicht nehmen lassen, der künftigen Besatzung des ersten Fernraumschiffs der Menschheit, der N'YAN NOR, ihre besten Wünsche mit auf den Weg zu geben.“ Freundlicher Applaus klang auf. Dann setzte Generalmanagerin Reed ihre kurze Ansprache fort. „Noch ist diese Besatzung nicht ganz komplett. Begrüßen Sie daher nun die Mannschaft der PRINCESS II – Crewmaster Tom Carna und seine Truppe – Ihre Kommandocrew!“
Engin Ültay nickte Carna stumm zu. Der holte noch einmal tief Luft, schaute seine Leute noch einmal aufmunternd an, dann straffte er sich und trat als erster durch die Tür, dicht gefolgt von der Mannschaft. Gemeinsam nahmen sie neben Generalmanagerin Reed auf einem kleinen Podest Aufstellung, während die anwesenden Personen sie mit einem lang anhaltenden, freundlichen Applaus empfingen.
„Ach du meine Güte!“, entfuhr es Roy leise und entgeistert, als er ein bestimmtes Gesicht darunter entdeckte. „Da ist ja mein Degen-Opfer aus 'Neptuns Reich'!“, flüsterte er Nomo, der neben ihm stand, ins Ohr.
„Na, das kann ja heiter werden“, kommentiert der diese Entdeckung. „Deswegen meinte er, wir würden ihn noch kennenlernen!“
„Pscht!“, zischte ihnen da Karin zu. „Ruhe jetzt – Tom spricht! Haltung annehmen und lächeln!“
„Meine Damen und Herren, Herr Minister und Herr Direktor, liebe Kolleginnen und Kollegen – zunächst einmal bedanke ich mich auch im Namen der gesamten Kommandocrew für ihren herzlichen Empfang ...“, begann der Kommandant seine Ansprache. „Keine Angst, es erwartet sie keine ausufernde Reden – ich bin eher ein Praktiker, was das angeht ...“
Beifälliges Gemurmel und freundliches Gelächter erklang.
„Ich möchte sagen, dass es uns eine große Ehre und Ansporn zugleich ist, diese erste, große Fernexpedition mit dem Experimentalschiff N'YAN NOR, ein sehr schöner und treffender Name übrigens, zu leiten. Dabei bin ich davon überzeugt, dass die Besatzung aus Noraki, Wissenschaftlern und Technikern, sowie Angehörigen von USF und TESECO Großartiges leisten wird. Heute beginnt unsere zweimonatige Test- und Ausbildungsphase an Bord des Schiffes. Dort werden wir Gelegenheit haben uns näher und besser kennenzulernen und zu einer Mannschaft zusammenzuwachsen. Und das müssen wir – denn dort draußen hört uns niemand schreien, wenn etwas schief läuft. Wir werden so weit von unserer Heimat entfernt sein, wie noch kein Mensch, noch kein Noraki zuvor in unserer Geschichte. Deshalb werden wir uns blind aufeinander verlassen müssen. Meine Kommandocrew und ich werden immer mit offenem Ohr und offenem Herzen für Sie alle da sein, und wir werden alles daran setzen, mit Ihnen zusammen die Mannschaft zu werden, die dieser Testflug zum Deneb braucht! Damit möchte ich schon zum Ende meiner kurzen Rede kommen, denn alles andere bespricht sich leichter und besser von Angesicht zu Angesicht. So lernen wir uns auch am besten kennen. Und damit, liebe Kolleginnen und Kollegen: der Deneb ruft!“
Erneut gab es freundlichen Beifall für die frisch gebackene Kommandocrew. Diese begrüßte die beiden offiziellen Vertreter der Erdregierung und der Raumfahrtbehörde, dann begaben sie sich hinunter zu ihren künftigen Crewkollegen, wo sich sich aufteilten, vorstellten und erste Eindrücke voneinander sammelten.
Carna steuerte als Erstes die marmorhäutigen Noraki an, die ein wenig verloren am Rand der Gesellschaft herumstanden.
Der Commander kreuzte die Händen nach Noraki-Art mit den Handrücken nach vorne vor der Brust, verbeugte sich leicht und begrüßte die drei Abgesandten des raumfahrenden Volkes mit deren traditioneller Grußformel: „Zzdran Nor Dschzass“. Was so viel bedeutete wie 'Mit Dir der gütigen Mutter Fürsorge', wobei die gütige Mutter Versinnbildlichung der Heimatsonne der Noraki, Nor, darstellte.
Die drei Extraterrestrier tauschten überraschte Blicke aus und erwiderten den Gruß dann höflich.
„Sie sprechen Norsch-Um, Kommandant?“, erkundigte sich dann der zuvorderst stehende der Dreiergruppe. „Thoo-Aran-Akima, norakische Integritätsbewahrung“, stellte sich dann vor. „Meine beiden Artgenossen heißen hier links Joop-Ysae-Akima, und hier rechts Roon-Aran-Akima. Beide kommen vom technischen Elitariat.“
„Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen – und nein, von Ihrer Sprache beherrsche ich bedauerlicherweise lediglich ein paar Brocken. Mir scheint, mir fehlen einige wichtige Muskeln im Sprachapparat. Die viele Zisch-, S- und R-Laute haben sich für mich als unbeherrschbar erwiesen. Dafür sprechen Sie TerTa ausgezeichnet, Thoo-Aran-Akima. Und … Sie sind der erste Noraki, denn ich lächeln sehe!“
„Dafür habe ich viele Zählperioden geübt, denn dafür sind die Gesichtsmuskeln unserer Rasse eigentlich nicht ausgelegt“, antwortete der Noraki freundlich. „Ihre Sprache ist für uns relativ leicht erlernbar. Nur die Bildhaftigkeit und die Neigung zu Umschreibungen machen es manchmal schwer, zu verstehen, was denn in bestimmten Fällen gemeint ist. Ich entschuldige mich daher im Voraus für dadurch entstehende Missverständnisse.“
Carna winkte ab. „Halb so wild. Wir werden das Kind schon schaukeln!“
Prompt wirkte der Noraki irritiert. „Kind?“, fragte er deshalb. „Fliegen auch Kinder mit auf der N'YAN NOR mit? Und wieso sollen wir die Kinder schaukeln?“
Carna schüttelte seinen Kopf. „Nein, Kinder fliegen nicht mit. Höchstens ein paar Kindsköpfe – Ups, ich sehe, dass ich gerade das nächste Missverständnis heraufbeschworen habe. Dafür weiß ich aber nun, wo das Problem liegt. Aber die Kniffe unserer Sprache werden wir Ihnen schon noch näher bringen können. Jedenfalls freue ich mich auf unsere Zusammenarbeit! Kommen Sie – mischen Sie sich unter ihre künftigen Kollegen. Ich wette, die sind genauso neugierig darauf, Sie kennenzulernen, wie ich!“
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