Direx ist nun schon 31 Jahre alt, hält sich aber tapfer. Eines Abends wollte ich sie von der Koppel holen. Also nahm ich ihr Halfter vom Haken und begab mich auf den Weg. Bei Direx angekommen, konnte ich mich ihr aber nur bis auf drei Meter nähern. Danach wich sie mir mit angelegten Ohren nach hinten oder zur Seite aus. Auf meine Nachfrage hin wurde mir erklärt, dass sie sich nicht von Männern holen oder anfassen lässt. Direx hatte da wohl irgendwann in grauer Vorzeit ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Näheres darüber konnte mir auch die Besitzerin nicht sagen. Auf meine Aussage hin „Das muss man doch ändern können.“ erntete ich nur ein Lächeln. Hoppla, diese Herausforderung nahm ich gerne an. Ich ging zunächst erst einmal vor wie ein Detektiv - Fakten sammeln.
Also, Fakt war, dass sie vor Männern mit Halfter in der Hand auf der Koppel wegläuft. Fakt war auch, dass sie keine laut sprechenden Männer mag und dann nach hinten wegspringt. In ihrer Box stehend konnte ich sie aber zumindest kurz streicheln. Auch wenn sie mich dabei sehr misstrauisch beäugte. Es halfen hier auch keine „normalen“ Leckerlies. Diese wurden schnell genommen und weg war sie. Dann kam mir „Kommissar Zufall“ zur Hilfe. Beobachtete ich doch eines Tages, wie die Besitzerin ihr eine Banane gab. Direx war sichtlich verrückt darauf. So, so, sagte ich mir lächelnd im Stillen. So eine bist du also… Mein Plan stand nun fest. Hoch lebe Banana-Joe, welcher nun immer abends, wenn Ruhe im Stall war, ganz leise kam. Dieses geschah wahrscheinlich auch sehr zur Freude der Kaufhalle und den Besitzern von einschlägigen Bananenplantagen in Südamerika oder Afrika. Unser wöchentliches Bananenaufkommen stieg gewaltig an. Meine Frau legte schon fast ein wöchentliches „Bananenbudget“ wegen der Haushaltskasse an. Aber Spaß bei Seite, zurück zu Banana-Joe und seiner Mission.
Da ich weiß, dass Pferde auch Gewohnheitstiere sind, rief ich jedes Mal, wenn ich den Stall abends betrat mit gedämpfter Stimme „Hallo Direx – Banana-Joe kommt…“ Dann ging ich zu ihr, pellte voll gemein vor ihrer Nase die Banane ab und biss herzhaft ein Stück ab. Den Rest bekam sie nur stückchenweise, aber auch nur, wenn sie sich kurz von mir streicheln ließ. Dabei blieb ich aber immer außerhalb ihrer Box in der Stallgasse stehen. Dieses Spielchen ging so um die zwei Monate. Dann kam, oh, wer hätte das gedacht, von Direx selbst ein wesentlicher weiterer Schritt. PS: Danke an alle Pferdebremsen und Mücken. Diese setzten allen Pferden im Sommer eines Abends besonders zu. Auch mir. Trotz allem, auf Banana-Joe ist Verlass. Ich pellte meine Banane wieder vor der Box stehend, als ich bemerkte, dass Direx nicht wie gewohnt zu mir kam, sondern mich auffordernd ansehend drei Schritte zurück in ihre Box machte. Als ich trotzdem etwas ungläubig stehen blieb, wiederholte sie das Ganze. So, so, dachte ich mir. Sollte das etwa eine Einladung in ihre heilige (männerfreie) Box sein? Na dann. Boxentür ein Stück auf und rein mit mir in die „gute Stube“. Aber ganz vorsichtig. So verharrte ich dann und wartete auf die kommenden Dinge. Die Banane schmeckte mir Stückchen für Stückchen übrigens hervorragend und wurde auf diese Weise vor Direx Augen immer weniger. Dann kam sie mit langem Hals aber interessierten Ohren auf mich zu, ließ sich am Kopf streicheln und forderte ihr Stück Banane ein. Jetzt wurde ich mutig. Gut, ein Stückchen sei dein, aber für das nächste musst du dich schon an der gesamten Seite von mir anfassen lassen. Sozusagen: „Ohne Bauch- und Rückenkrauli nix Banane“. Ups, zwar wurde ich dabei wieder argwöhnisch beäugelt, aber sie ließ es zu. Dann begann ich die auf ihr sitzenden Bremsen und Mücken vorsichtig abzuklatschen und sie dort zu kraulen. Da es ihr dort wohl juckte, gefiel ihr das immer besser. Schließlich drehte sie mir auch noch die andere Seite von sich aus zu. Ab diesem Tag konnte ich Direx als Mann schon mal überall anfassen und später auch putzen bzw. die Hufe machen. Dann kam der „große Tag“. Jetzt wollte ich es wissen. Also, abends auf die Koppel, aber ohne Halfter zu Direx. Kein Ausweichen mehr. Banane rein ins Pferd, kurz gestreichelt und Tschüss. Nächster Abend, gleiche Veranstaltung. Nur dieses Mal kam sie schon „freudestrahlend“ auf mich zu. Am folgenden Abend rauf auf die Koppel, aber mit Halfter und ohne Umweg direkt zu Direx. Ich wurde von ihr kurz begutachtet, dann, ja dann, oh, Banana-Joe war am Ziel seiner Träume, senkte sie den Kopf und ich konnte ihr das Halfter ohne das geringste Problem anlegen. Kurz nachdem ich den Koppelzaun mit Direx am Führstrick wieder einhakte, als ich mit ihr von der Koppel war, entfleuchte mir ein leises „Jup – Mission siegreich beendet!“ Ein paar Tage später erntete ich erstaunte Blicke einiger Einsteller, als ich wie selbstverständlich aber leise grinsend, mit Direx von der Koppel kam. Nun ja, ein Mann braucht das.
Noch heute kommt, wenn auch nicht mehr ganz so oft, Banana-Joe vorbei und Direx lässt sich ohne irgendwelche Probleme von mir anfassen, putzen, von der Koppel holen usw.
Viele Pferdebesitzer kennen das. Wenn ein junges Pferd mal für längere Zeit in der Box stehen muss ohne groß beschäftigt zu werden, kommen diese Tiere, wenn sie denn gewitzt genug sind, schnell mal auf „Dumme Gedanken“. So auch Levin.
Witterungsbedingt (es war tiefster Winter) konnte er, wie alle anderen Pferde auch, zwei Tage nicht auf die Koppel. Als wir ihn am zweiten Tag besuchten, zeigte er sich von seiner sehr angenehmen Seite und ließ sich von mir ausführlich am Kopf streicheln. Plötzlich aber hatte er wohl anscheinend genug und verzog sich eilends in die Box zurück. Warum das so war, erfuhr ich einen kurzen Moment später, als eine andere Einstellerin, die ihr Pferd gerade in der Nachbarbox putzte, lachend mit meiner Brieftasche in der Hand auf uns zukam und fragte, wem diese denn gehöre. Was war hier passiert? Levin war passiert. Ich hatte meine Brieftasche in die äußere Brusttasche meiner Jacke gesteckt. Das hat er wahrscheinlich beobachtet. Als ich ihn dann am Kopf ausführlich gestreichelt habe, hatte er dabei aber nichts weiter im Sinn, als mir die Brieftasche aus der Jacke zu ziehen. Lustig daran war aber, dass er diese zwischen seinen Lippen haltend der Nachbarin zum Geschenk machen wollte frei nach dem Motto „Schau mal, was ich hier für dich geklaut habe…“. Wir haben später erfahren, dass er so etwas schon öfters gemacht hat. Vielleicht stellen wir mal eine kleine Kiste in eine dunkle Ecke seiner Box und bringen ihm bei, alles Geklaute dort hinein zu legen. Abends ist dann immer „Ausschüttung…“
Er hatte bzw. hat aber noch andere Sachen drauf. Zum Beispiel Hüte vom Kopf klauen. Wenn der nun hutlose Besitzer sich diesen aus der Box zurückholen möchte, den Huf daraufstellen und diesen dann mit einem auffordernden Blick der Marke „Trau dich doch, wenn du kannst…“ anzusehen. Oftmals traute dieser sich dann eben nicht und es musste „anderes Personal“ diesen „zurück erobern“. Hier kann man die Qualität vieler Hüte nach der „Zurückeroberung“ sehr gut beurteilen. Viele lassen sich mit einiger Mühe wieder in Hutform bringen, andere sind dauerhaft nur noch als Unterlegscheibe oder so zu verwenden. Ein beklauter Hutinhaber verzichtete freiwillig auf die Rückgabe. Seine Kopfbedeckung erinnerte, nach dem Levin mit dieser fertig war, einem in eine ultraflache Hutform gepressten Pferdeapfel.
Aber damit nicht genug. Levin stellte sich kurz darauf auch als „Liebhaber“ von Bommelmützen heraus. Dieses Mal traf es eine meiner Reitbeteiligungen, speziell die, die zusammen mit mir von „Graui“ damals der Koppel verwiesen wurde. Wie schon zuvor erwähnt, war es Winter. Aber nach dem wir das „helle Ding“ am Himmel als Sonne identifiziert hatten, nahmen wir Levin und wollten eigentlich auf dem Reitplatz draußen ein paar Bodenübungen machen. Trotz herrlichstem Sonnenschein war es bitter kalt. Aus diesem Grund hatte das Mädchen eine hübsche weiße „Bummelmütze“ auf den Kopf. Die stand ihr sehr gut. Leider fand das Levin auch und schwubs war die Mütze vom Kopf. Sie zeigte Geduld und Verständnis, nahm ihm diese weg und setze sie sich wieder auf. Die wärmende Wirkung hielt aber nur ca. 20 Sekunden an, dann war es auf ihrem Kopf wieder sehr „luftig“ und ihre schicke weiße Mütze baumelte hoch oben am Bommel in Levins Maul wie eine Trophäe. Mit den Worten „Ok, du bist der Sieger.“ angelte sie sich ihre Mütze zurück und steckte sie, begleitet durch unser Lachen, in ihre Jackentasche. Nur der Bommel schaute noch heraus… Naja, ihr könnt euch denken was kam – kurz darauf baumelte die Mütze abermals in Levins Maul. Letztendlich blieb ihr weiter nichts übrig, als einem von uns die Mütze zu geben. So ist das halt mit jungen Pferden und Bommelmützen.
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