Am 3. August 1492 verliess Kolumbus mit drei Schiffen und hundertzwanzig Mann den kleinen Hafen Palos. Er selbst befehligte das Admiralschiff »Sante Maria«, Martin Alonso Pinzon die »Pinta« und sein Bruder Vicente Yañez das kleinste Schiff, die »Niña«. Das Geschwader fuhr zunächst nach den unter spanischer Oberhoheit stehenden Kanarischen Inseln, wo es vier Wochen liegen musste, weil schon eines der durchaus nicht seetüchtigen Fahrzeuge einer grösseren Reparatur bedürftig war. Endlich am 6. September fuhren die Spanier weiter und segelten von da ab unverändert genau nach Westen, ohne dass sie über einen Monat lang irgend etwas anderes sahen als Himmel und Wasser.
Kolumbus wählte diese Linie, weil er hoffte, auf ihr genau das Zipangu Marco Polos zu erreichen; er wusste aber nicht, dass er auf diese Weise gerade die grösste Breitenstrecke des Atlantischen Ozeans durchfuhr. Wäre er über die Kap-Verde-Inseln gefahren, so hätte er sich seinen Weg um ein Drittel verkürzt.
Dafür aber wehte unaufhörlich ein günstiger Ostwind, der sogenannte Nordpassat, wie überhaupt die ganze Fahrt sehr viel Glück mit dem Wetter hatte. Einem wirklichen Sturm wären die drei alten, halb offenen Schiffe kaum gewachsen gewesen.
Den Mannschaften war aber gerade dieser anhaltende günstige Wind unheimlich, da sie befürchteten, keinen Wind für die Rückreise zu haben. Darum freute sich Kolumbus, als sich am 22. September Gegenwind erhob, weil er jetzt seine Leute beruhigen konnte. Ueberhaupt war es sein Bestreben, immerfort die Stimmung zu heben. So gab er den Mannschaften täglich die zurückgelegte Strecke geringer an, als sie wirklich war, damit die Länge des Weges sie nicht in Schrecken versetzte, und er hob jedes Anzeichen hervor, das irgendwie auf Landnähe deutete, z.B. das Erscheinen von Vogelschwärmen oder die Auffischung von Landpflanzen.
Christoph Kolumbus. Gemälde im Marineministerium in Madrid.
Im ganzen genommen, war die Stimmung der Schiffsleute gar nicht so ungünstig, wie man später behauptet hat. Alle Erzählungen von einer beabsichtigten Meuterei sind erfunden, ebenso die Geschichte von einer Abmachung mit der unzufriedenen Mannschaft, nach drei Tagen umzukehren, falls bis dahin kein Land entdeckt worden sei.
Einige Unruhe entstand erst, als die Schiffe am 16. September in die Zone des sogenannten Sargassomeeres gelangten, das mit ausgedehnten Feldern von treibendem Seetang bedeckt war. Doch gewöhnte man sich bald daran. Von diesem Tage an war immerfort mildes Wetter, und die Morgen waren so lieblich wie im andalusischen April, so dass man nur das Schlagen der Nachtigallen vermisste. Eine grössere Bestürzung entstand, als man am 17. September entdeckte, dass die Magnetnadeln nach Westen abwichen. Kolumbus erklärte das durch eine Drehung des Polarsterns.
Bald kamen immer mehr Anzeichen nahen Landes, die Stimmung war heiter und die Schiffe suchten Vorsprung voneinander zu bekommen, um zuerst das Land zu entdecken. Denn die Regenten von Spanien hatten dem, der zuerst das Land sah, eine Leibrente von 10 000 Maravedis ausgesetzt.
Am 7. Oktober entschloss sich Kolumbus, eine südwestliche Richtung einzuschlagen, weil er in dieser Richtung Land vermutete. Hätte er die alte Richtung beibehalten, dann wäre er vielleicht auf die Halbinsel Florida, also nach Nordamerika, gelangt. So aber stiess er am 12. Oktober auf eine kleine Insel, die zur Gruppe der Bahamainseln gehört. Es ist, wie man annimmt, die Watlinginsel gewesen. Kolumbus nannte sie San Salvador, bei den Eingeborenen hiess sie Guanahani.
Es war ein Matrose auf der leichteren und darum vorausfahrenden »Pinta«, der morgens um zwei Uhr das Land erblickte. Kolumbus aber, der sich von der Leibrente verlocken liess, der vielleicht auch nicht zugeben wollte, dass ein anderer den Ruhm haben sollte, vor ihm das Land erblickt zu haben, behauptete, er hätte vier Stunden früher schon ein Licht auf der Insel gesehen, und setzte es später durch, dass ihm der Preis zugesprochen wurde, während der arme Matrose leer ausging. Diese Habgier (denn die Geschichte mit dem Licht ist sehr unglaubwürdig) hat ihm viel Feindschaft zugetragen.
Sobald der Tag angebrochen war, landete Kolumbus mit seinen Unterführern in einem bewaffneten Boote und ergriff feierlich Besitz von der Insel. Um das Vertrauen der Eingeborenen zu gewinnen, schenkte er ihnen bunte Mützen, Glöckchen und Schnüre mit farbigen Glasperlen, wofür sie Papageien, Wurfspiesse und Knäuel Baumwollgarn gaben. Sie schienen einfache, arglose und eher bedürftige Naturkinder zu sein, doch erregte es bald die Habgier der Spanier, dass einige von ihnen kleine Stückchen Gold in der durchbohrten Nasenwand trugen. Auf die Frage, woher sie das Gold hätten, wiesen sie nach Süden. Auch auf den benachbarten kleinen Inseln fand man ähnliche Verhältnisse, überall wohnten arme, friedliche Eingeborene, und die Goldausbeute war sehr gering. Auch auf der Insel Kuba war es nicht viel besser, obgleich diesmal Kolumbus fest überzeugt war, die Insel Zipangu gefunden zu haben, und zwei Boten ausschickte, die bis zum Grosskhan vordringen sollten. Diese gelangten auch bis zum König der Insel, der sie gastfreundlich aufnahm, erkannten aber bald, dass dies unmöglich der Grosskhan oder sonst ein bedeutender Fürst sein könnte, und kehrten wieder zurück.
Was diesen beiden Spaniern am meisten auffiel, war, dass alle Eingeborenen, auch die Frauen, zusammengerollte trockene Blätter im Munde hatten, die an einem Ende angezündet waren. Den Rauch zogen sie in sich ein und bliesen ihn in dicken Wolken wieder aus. Diese Rollen nannten sie Tabacos.
Oestlich von Kuba, auf der Insel Haiti, fand Kolumbus eine etwas anders geartete Bevölkerung, vor denen die Kubaner grosse Angst hatten, da sie Menschenfresser seien. Sie nannten sie Kariba, woraus, da Kolumbus Kaniba verstand, der Name Kannibalen für Menschenfresser entstanden ist. Auch hier waren die Bewohner sehr freundlich und gaben gern ihren Goldschmuck für wertlosen Tand hin.
An der Nordküste von Haiti hatte Kolumbus das Unglück, dass sein Admiralschiff auf eine Sandbank geriet und nicht mehr gerettet werden konnte. Doch halfen ihm die Indianer, alle gestrandete Habe ans Ufer zu tragen, ohne dabei auch nur eine Kleinigkeit zu entwenden. Gerade an dieser Stelle war nun der Goldhandel besonders einträglich, und Kolumbus beschloss, aus den Ueberresten der »Santa Maria« hier einen durch einen Graben geschützten Turm zu errichten und eine Kolonie anzulegen, die er La Navidad nannte. Vierzig tüchtige Leute, die mit Mundvorräten für ein Jahr, mit dem Rest der Tauschwaren, mit reichlichen Waffen und einem Boot für Küstenfahrten versehen waren, wurden zurückgelassen, und Kolumbus hoffte, dass sie in Jahresfrist einen grossen Schatz an Gold ansammeln würden.
Inzwischen war der ältere Pinzon mit der »Pinta« ohne Erlaubnis davongefahren, um selbständige Entdeckungsfahrten zu machen, so dass Kolumbus fürchtete, er würde auf eigene Faust nach Europa zurückkehren, um ihn anzuschwärzen. Am 6. Januar stellte sich aber die »Pinta«, die ziemliche Goldschätze gesammelt hatte, wieder ein, und Pinzon, der sein Entweichen als unfreiwillig entschuldigte, erzählte von der angeblich sehr goldreichen Insel Jamaika und von einem im Westen liegenden Festland, wo Völker wohnten, die Kleider trügen.
Hiermit war zweifellos Yukatan gemeint, aber die beiden spanischen Schiffe befanden sich in einem so schlechten Zustande, dass alle weiteren Entdeckungsfahrten aufgegeben werden mussten und man zufrieden sein konnte, wenn man überhaupt damit die Heimat erreichte. Am 16. Januar wurde deshalb die Rückfahrt angetreten.
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