hätten sich bis in die Ebene hinein erstreckt, aber die Schmieden der
Waffenmeister waren immer hungrig nach Eisenerz und Feuer. Die
Lavatümpel in den Bruthöhlen konnten den Bedarf nicht decken, und so
hatten Fangschlag und die Legion viele Zehntage lang Eisenerz und
Brennholz zu den Schmieden getragen, damit die Legionen ausgerüstet
werden konnten.
Gerade marschierten sie an einer Stelle vorbei, an der eine große Grube
ausgehoben worden war. Eine gemischte Gruppe aus Rund- und Spitzohren
wurde sichtbar, die dort nach Brennstein grub. Aufseher trieben die
Neugierigen mit Stachelpeitschen an die Arbeit zurück, und Fangschlag
bemerkte zufrieden, dass diese Aufseher Rundohren waren. Ein Spitzohr hätte
die schweren Peitschen auch kaum so elegant und wirkungsvoll schwingen
können.
Sie marschierten nun schon fast zwei Tageswenden ohne Pause, und der
Brutmeister machte noch immer keine Anstalten, den Marsch zu
unterbrechen. So tranken die Truppen ihr Wasser während des Marsches aus
den Feldflaschen und kauten dazwischen auf dem körnigen Brot herum. Noch
war der Hunger nicht groß genug, um die getrockneten Streifen ranzigen
Fleisches zu essen. Fangschlag dachte missmutig daran, dass eine große
Armee auch großen Hunger hatte und wie gering die Vorräte waren. Es war
höchste Zeit, dass sie das Menschenland erreichten und einen ordentlichen
Bissen zwischen die Fänge bekamen.
Ein Stück vor ihnen, dort, wo die vorderste Legion marschierte, ertönte ein
krachendes Poltern. Die Erosion hatte eine der Felswände ausgewaschen, und
in erschreckender Geschwindigkeit lösten sich nun etliche große Felsbrocken,
rissen dabei weitere mit sich und stürzten in die Tiefe.
Die an der Spitze befindlichen Orks versuchten den Felsen auszuweichen,
aber die Straße an dieser Stelle war eng, und so wurde eine der Kohorten von
den herabstürzenden Massen erschlagen. Die Schreie der Verwundeten
verstummten rasch, als Schlagschwerter und Spieße dem Leiden ein Ende
setzten.
»Wir hätten weiter vorne marschieren sollen«, knurrte ein Rundohr neben
Fangschlag. »Dann bekämen wir jetzt ein ordentliches Stück frisches Fleisch
ab.«
»Ja, uns wird man nur die mageren Knochen lassen«, stimmte ein anderes
zu. »He«, rief der Ork mit erhobener Stimme, »lasst uns was übrig. Wir alle
haben Hunger.«
»Ruhe in den Gliedern«, keifte Einohrs Stimme.
Die Proteste verstummten, und in den wartenden Kohorten war das Reißen
und Schmatzen zu hören, mit dem die Verunglückten portioniert und
größtenteils vor Ort verspeist wurden.
»Schade, dass es Einohr nicht erwischt hat«, zischte Fangschlag
missmutig.
»An dem ist ohnehin nichts dran.« Dem Rundohr neben dem
Kohortenführer kleckerte Geifer auf den Brustpanzer, während er hungrig
nach vorne starrte. »Immerhin, bald bekommen wir Menschenfleisch
zwischen die Reißer.«
»Ja, endlich was Ordentliches in den Magen«, seufzte ein Spitzohr.
Gelegentlich hatte Fangschlag den Verdacht, nicht der Wille des
Allerhöchsten Lords, sondern der Hunger triebe die Legionen so rasch dem
Menschenland entgegen. Dabei brauchte kein Ork wirklich zu hungern. Die
Verpflegung war nicht immer frisch und wohlschmeckend, aber ausreichend,
und es gab stets ein paar nutzlose Maden, die man notfalls als kleinen
Leckerbissen schlachten konnte.
»Ich schätze die Weiber der Menschen«, sagte das sabbernde Rundohr und
leckte sich die Fänge. »Oder die Kinder. Sind nicht so zäh und sehnig wie die
Männer.«
Das Spitzohr hinter Fangschlag reckte sich. »Weiber?«
»Das sind die Menschenwesen mit den Drüsen an der Brust«, erklärte
Fangschlag. »Diejenigen, die die Jungen werfen.«
»Die werfen ihre Jungen?« Das Spitzohr kratzte sich verwirrt. »Du meinst
wirkliche Frischlinge?«
»Menschen schlüpfen nicht aus Brutbeuteln«, sagte Fangschlag heiser.
»Die wachsen im Bauch ihrer Weiber. Eben denen mit den Drüsen«, fügte er
hinzu, als er das Unverständnis im Blick des Spitzohrs bemerkte. »Und sie
sind ganz klein, wenn sie schlüpfen.«
»Dann will ich keine frisch Geschlüpften«, sagte das Spitzohr entschieden.
»Da ist ja nichts dran zum Sattwerden.«
»Ich habe gesagt, ihr sollt ruhig sein, ihr nutzlosen Maden«, tönte Einohr.
»Ruhe im Glied. Es geht weiter.«
Der Aufenthalt war nur kurz gewesen, und als die Legion endlich an der
Unglücksstelle vorbeimarschierte, stellte Fangschlag betrübt fest, dass man
tatsächlich keinen einzigen ordentlichen Bissen übrig gelassen hatte.
Die Straßen der Stadt waren erfüllt von Lachen und Gesang. Das Pferdevolk
feierte, wie es nur Menschen konnten, deren hartes Leben nur wenig Zeit zur
Entspannung ließ. Man hatte Brennsteinbecken und Lampen vor die Häuser
gestellt, in deren Schein sich immer wieder neue Gruppen bildeten, um
miteinander zu feiern und zu tanzen. Viele Männer und Frauen der Hochmark
spielten ein Instrument. Die einen bevorzugten das hufeisenförmige
Zupfinstrument mit seinen gespannten Seiten aus Tierdarm, andere Flöten
oder Hörner, zu denen der Takt mit den Händen oder mit Trommeln
geschlagen wurde. Es gab etliche Gruppen, die zunächst gegeneinander zu
konkurrieren schienen, aber als eine von ihnen den »Ritt zu den Goldenen
Wolken« anstimmte, übernahmen immer mehr Musikanten die Melodie, bis
diese Eternas zu erfüllen schien. Nach der eher heroischen Ballade stimmten
die Männer und Frauen die traditionellen Lieder an, die jedem sofort in Hände
oder Füße fuhren, und obwohl es kurz zuvor geregnet hatte, formierten sich
zahlreiche Kreise zum Rundtanz. Klatschen mit Händen und Stampfen mit
Füßen erfüllte die Luft, dazu die fröhlichen Schreie der Tänzer und
Zuschauer. Mancher Schrei mochte nicht ganz so unbeschwert klingen, denn
die Talente beim Rundtanz waren durchaus unterschiedlich verteilt.
Die blonde Schuhmacherin Esyne hatte sich den stämmigen Nagerjäger
Barus zum Tanzpartner auserkoren und hing nun an ihm wie ein Blutstecher
an seinem Beutetier. Barus mochte perfekt mit seiner Keule umgehen können,
doch seine Füße folgten dem Rhythmus der Melodie eher ungelenk, und
manches Mal stampfte er statt auf den Boden auf Esynes Fuß.
»Ich sage dir, Nedeam, mein Freund«, murmelte Dorkemunt mit
verschwörerischer Miene und betrachtete amüsiert den Tanz, »Esyne macht
unserem Barus das Gehöft.«
»Niemals«, erwiderte Nedeam mit dem ernsten Ausdruck eines jungen
Mannes, der dem Blor der Zwerge zugesprochen hatte und sich nunmehr auf
die Funktion seiner Zunge konzentrieren musste. »Nie…mals.«
»Doch, doch.« Dorkemunt stieß den neben ihm stehenden Olruk
auffordernd an, worauf ihm dieser grinsend die gebrannte Tonflasche mit Blor
reichte. Der kleinwüchsige Pferdelord seufzte entsagungsvoll, als er
feststellte, dass die Flasche nicht mehr viel hergab. »Doch, sie hat ein Auge
auf ihn geworfen.« Dorkemunt stieß kurz auf, und Olruk musterte ihn
anerkennend. »Hast du bemerkt, wie oft Barus der guten Esyne auf die Füße
gestampft ist?«
»Nun, so einige Male wohl.«
»Ich schwöre dir, Nedeam, mein unerfahrener Freund, morgen ist einer
ihrer Füße größer als der andere, aber sie verzieht keine Miene und grinst
Barus immer nur an. Und, mein Junge, sie hat ihn nicht ein einziges Mal
gebissen.«
Nedeam lächelte trunken und grunzte enttäuscht, als er merkte, dass die
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