Schlagschwert sich in des anderen Eingeweide bohrte und mit dem Blut auch
das Leben aus dem Körper des Gegners wich. Er liebte den Geschmack von
frischem Fleisch, das er selbst erbeutet hatte, und verglichen damit erschienen
ihm die Spitzohren als schmarotzende Aasfresser. Doch ausgerechnet eines
dieser verachteten Spitzohren war der Führer der Legion. Einohr nannte es
sich, und sein pompöses Gehabe ging Fangschlag mächtig auf die Nerven.
Er bleckte ein wenig seine Fänge, als er den neben ihm stehenden Einohr
ansah. Wenigstens hatte auch der eine ehrerbietige Haltung eingenommen,
und Fangschlag hätte darauf wetten können, dass der hinterlistigen Made
längst der Urin durch das Beinkleid sickerte, auch wenn man davon wegen
der Rüstung nichts erkennen konnte. Doch Fangschlag würde ja bald sehen,
ob Feuchtigkeit zurückblieb, wo Einohr jetzt stand, um den Worten des
Allerhöchsten Lords zu lauschen.
Der Brutmeister in seiner roten Kutte hielt einen flammenden Sprechstein
in Händen. Ein irisierendes Glühen und wallendes Orange gingen von dem
sonst schwarzen Stein aus, und in dem Glühen und Wallen war das Antlitz
des Schwarzen Lords zu erkennen. Egal, welche Position die Umstehenden zu
dem Stein auch einnahmen, schien der Allerhöchste jeden von ihnen direkt
anzusehen, während seine Stimme ein seltsames Vibrieren in den Schädeln
der Anwesenden hervorrief.
»… ihr kennt meinen Willen«, erklang die seltsam wesenlose Stimme.
»Nun geht und erfüllt ihn.«
Das Wallen des Steins erlosch, das Licht trübte sich, und der Sprechstein
wurde wieder schwarz. Der Brutmeister stand einen Moment schweigend da,
bevor er das Medium in den Tiefen seines Gewandes verbarg und die vor ihm
stehenden Rund- und Spitzohren fixierte.
»Ihr habt es gehört, ihr nutzlosen Maden.« Der Brutmeister musterte jeden
Einzelnen von ihnen. »Der Allerhöchste Lord verlässt sich darauf, dass ihr
seinen Willen erfüllt.« Er stieß ein leises Zischen aus. »Obwohl ich nicht
glaube, dass ihr dem Allerhöchsten von irgendeinem Wert seid. Schon einmal
habt ihr kläglich versagt.«
Fangschlag unterdrückte ein zufriedenes Bellen und bleckte nur erneut die
Fänge, wobei etwas Speichel auf seinen Brustpanzer tropfte. Ja, spätestens
jetzt würde Einohr wirklich unter sich machen. Fangschlag konnte es beinahe
schon riechen. Auch damals, als die Legion ins Dünenland marschiert war,
hatte Einohr sie geführt und war gescheitert. Nicht die Legion, nicht die
starken Rundohren hatten versagt, sondern die kleine Made neben ihm, die in
diesem Augenblick den Fels unter ihren Füßen nässte.
»Ein knapper Zehntag noch bis zu Pass und Grenze.« Der Brutmeister sah
sie drohend an. »Geht nun zu euren Legionen und gebt den Befehl zum
Abmarsch. Ich erwarte, dass wir die Grenze in acht Tageswechseln erreicht
haben.«
Der Brutmeister machte eine lässige Bewegung mit der Hand, und die
anwesenden Orks beeilten sich, zu ihren Legionen zu gelangen. Fangschlag
blickte auf die Stelle, an der Einohr gestanden hatte, aber der Fels war
trocken. Nun, sicher war noch nicht genug Flüssigkeit in der Blase des
Spitzohrs gewesen.
Fangschlag musterte den Rücken des vor ihm laufenden Spitzohrs. Einohr
fühlte sich offenbar sicher, jetzt, im Licht der Dämmerung. Aber wenn sie
lagerten, würde sich das ändern. Dann würde er sich, von einer Anzahl
Getreuer umgeben, abseits der Kohorten zur Ruhe begeben, damit er den
kommenden Morgen noch erlebte. Oh ja, Einohr hatte Feinde, und so
manches Rundohr hätte ihm gerne das Schlagschwert durch die Eingeweide
geschoben.
Unter ihnen, in einer lang gestreckten Schlucht, schimmerten Rüstungen
und Leder im Widerschein des schwachen Lichts. Hier standen die vier
Legionen des Allerhöchsten Lords, formiert in ihren Kohorten. Achttausend
Orks waren bereit, den Willen ihres Herrschers zu erfüllen. Doch wenn der
Plan des Schwarzen Lords aufging, würde dies nur die Vorhut einer
gewaltigen Armee sein, die das Land der Menschen überschwemmen und den
Tod bis zu den Elfen und Zwergen tragen würde.
Fangschlag war stolz auf die Rundohren seiner Legion; sie waren die
stärksten und besten. Als Waffen führten sie Spieß und Schlagschwert mit
sich, und als Rüstung trugen sie schwere Körperpanzer – nicht umsonst
nannte man sie Eisenbrüste. Die Spitzohren waren für solche Waffen und
Rüstungen viel zu schwach und mussten sich mit einem ledernen Harnisch
begnügen. Fangschlag bleckte nun offen seine Fänge, und seine Finger
zuckten nervös, als er Einohr vor die Legion treten sah. Diese nutzlose Made
hatte sich ebenfalls eine Rüstung besorgt, da sie offenbar fand, dies gehöre
sich bei einem Legionsführer. Rüstung, bah, dünnes Blech war das, damit die
Made unter dem Gewicht nicht zusammenbrach.
Auf dem Helm Einohrs erhoben sich die beiden metallenen Kämme eines
Legionsführers, und Fangschlag dachte missmutig an den einzelnen Kamm
des Kohortenführers, der seinen eigenen Helm zierte. Er, Fangschlag, war es
gewesen, der nach dem Wüstenabenteuer die Reste der Legion vor der
Vernichtung bewahrt hatte, und nicht das feige Spitzohr, das sich nun vor der
Legion so aufblähte. Ihm hätte der doppelte Kamm zugestanden und nicht
dieser nutzlosen Made, diesem Auswurf, diesem Dung der Bruthöhlen.
Einohr beschränkte sich in seiner Ansprache auf die notwendigsten
Kommandos, und Fangschlag trat an die Spitze seiner Kohorte, die aus der
typischen Mischung von Rund- und Spitzohren bestand. Er genoss es immer
wieder, wie die Legion, einem einzigen Wesen gleich, auf die Kommandos
reagierte. Dies waren vorzüglich ausgebildete und disziplinierte Truppen,
kein wild um sich schlagender Pöbel. Die Legion war eine gut geschmiedete
und gehärtete Waffe, die jeden Feind bezwingen würde. Bezwingen konnte,
wenn man sie richtig führte, schränkte Fangschlag ein, als er sich automatisch
in Bewegung setzte. Einohr würde Fehler machen. Spitzohren waren
hinterlistig und feige und für den ehrenhaften Kampf, Stahl gegen Stahl, nicht
zu gebrauchen. Ja, Einohr würde Fehler machen, und dann würde
Fangschlags Zeit gekommen sein.
Der felsige Boden war uneben, doch aus dem gleichförmigen Stampfen der
marschierenden Kolonne wurde ein stetes Geräusch, unter dem die Orks ihren
Weg suchten. Während die Spitzohren Lederstiefel trugen, die ihre Füße
rundum schützten, hatten die Rundohren gepanzerte Fußschienen, die mit
dickem Leder besohlt waren, Fersen und Zehen jedoch frei ließen. Immer
wieder gelangten Steine ins Schuhwerk, aber die Rundohren ertrugen es mit
stoischer Miene und verharrten allenfalls kurz, wenn die Pein zu groß wurde.
Über den Legionen wehten deren riesige schwarze Banner aus, jedes mit den
individuellen Zeichen versehen. Die Kämpfer schworen auf den
Allerhöchsten Lord, und sie schworen auf das Banner ihrer Legion, das ihnen
in der Schlacht als Sammelpunkt diente.
Zehnteltag um Zehnteltag marschierten sie und folgten der alten Straße, die
schon so viele Legionen dem Feind entgegengeführt hatte. Sie waren
ausgeruht und kamen schnell voran, obwohl der Weg sehr mühsam wurde, wo
Steinrutsche ihn blockierten. Sie verzichteten auf eine sichernde Vorhut, denn
sie bewegten sich im Land des Schwarzen Lords, und hier widersetzte sich
kein lebendes Wesen seinem Willen.
Das Land war karg und felsig und bot nur wenig Vegetation. Einst hatten
mächtige Wälder den Rand des Gebirges gesäumt, und es hieß, diese Wälder
Читать дальше