Trick, guter Herr Dorkemunt, wie mir scheint?«
Der Sieger zuckte nur die Achseln.
»Dorkemunt hat das Tor als Erster durchritten«, stellte Garodem fest. »So
gebührt ihm auch die Ehre.« Er lächelte und wies auf den Wallach des
Pferdelords. »Aber da er sein Pferd wohl stärker hetzen musste, wird er es
zum Ausgleich auch länger führen dürfen.«
Fröhliches Gelächter erklang, und Meowyn nickte ihrem Sohn stolz zu.
»Heute Abend werden wir Tanz und Musik in der Burg haben. Du wirst doch
kommen? Schließlich muss mich jemand zum Tanz führen.«
Nedeam errötete ein wenig. »Tut mir leid, gute Mutter, aber Barus muss
heute Abend eine Wette einlösen, und wir haben versprochen, ihm
beizustehen.«
Dorkemunt sah Meowyns Enttäuschung und lächelte sie aufmunternd an.
»Ihr wisst, Barus braucht jede Hilfe, die er bekommen kann. Schließlich geht
es um die Ehre der Pferdelords.« Er sah Tasmund an. »Ich denke, der Hohe
Herr Tasmund wird sicherlich bereit sein, Euch Arm und Schild zu sein, Hohe
Frau Meowyn.«
»Das ist nicht dasselbe«, erwiderte sie leise.
Nedeam bemerkte, wie Tasmund schmerzlich zusammenzuckte, versuchte
jedoch, sich nichts anmerken zu lassen.
»Wenn es um die Ehre eines Pferdelords geht, Hohe Frau Meowyn, so
muss das Vergnügen hintenanstehen«, schaltete sich Garodem freundlich ein.
»So mag Euch an diesem Abend mein Arm genügen.«
»Nein, verzeiht, ich war unhöflich«, sagte die blonde Heilerin und sah
Tasmund entschuldigend an. »Selbstverständlich werde ich gerne Arm und
Schild des Hohen Herrn Tasmund in Anspruch nehmen.«
»Nun, so ist das also geklärt.« Die Hohe Dame Larwyn klatschte in die
Hände. »Lasst uns mit den Vorbereitungen für das Fest beginnen. Speise und
Trank müssen bereit sein, und die Musiker auch. Zudem sollten wir uns etwas
festlicher gewanden.« Larwyn ergriff fröhlich den Arm ihrer Freundin
Meowyn und schob sie auf das Haupthaus zu.
Garodem und Tasmund folgten den beiden Frauen, während auf dem
Burghof und in den Gebäuden geschäftiges Treiben einsetzte, um den
ausgelassenen Abend zu einem Erfolg werden zu lassen.
Nedeam und Dorkemunt führten ihre Pferde noch eine Weile, bevor sie sie
absattelten und abrieben. Schließlich waren die Tiere versorgt, und die beiden
Pferdelords entschlossen sich, die Pferde an den Zügeln zur Stadt
hinüberzuführen.
»Sie haben heute genug geleistet«, brummte Dorkemunt, »und ein kurzer
Fußweg hilft auch uns, die Gedanken zu klären.«
»Was ist eigentlich mit Mutter und dem Hohen Herrn Tasmund los?«
Nedeam kratzte sich am Hals und blickte kurz zur Burg zurück. »Sie
benehmen sich seltsam.«
»Nun ja, Nedeam, mein Freund, so ist das eben in der Brunst.«
»Dorkemunt!«
»Ach, reg dich nicht auf. Du bist nun selber alt genug, um ein Weib
besteigen zu können, und wie das geht, habe ich dir ja erklärt, nicht wahr? Ist
wie bei den Pferden.« Dorkemunt seufzte. »Nun ja, fast. Manchmal ist es
auch ein wenig komplizierter. Wenn zwei Menschen nicht begreifen wollen,
dass sie zueinander gehören.«
»Tasmund und meine Mutter?« Nedeam lachte auf. »Niemals. Eher kratzt
sie ihm die Augen aus.« Sein Gesichtsausdruck wurde verlegen. »Ich meine,
nicht dass der Hohe Herr eine schlechte Wahl wäre. Aber ich glaube kaum,
dass meine Mutter ihm zugetan ist.«
»Das ist ja das Problem«, seufzte der alte Pferdelord. »Glaube mir, mein
Junge, wenn ich etwas jünger an Jahren wäre … Ich meine, ich kann Pferd
und Weib sehr wohl noch besteigen … Aber ich müsste wohl etwas jünger
sein, um deiner Mutter noch das Gehöft zu machen.«
»Du?«
»Warum nicht? Sie ist ein gutes Weib und ich bin ein guter Pferdelord.
Selbst dich habe ich im Rennen noch geschlagen.«
»Nur mit einer List. Orks!« Nedeam ahmte Dorkemunts Warnschrei nach.
Der kleinwüchsige Pferdelord seufzte. »Nun ja, das mag schon stimmen.
Bei Meowyn kann ich eine solche List wohl schwerlich anwenden.« Er
seufzte erneut. »Zudem ist der Hohe Herr Tasmund ein wenig jünger an
Jahren. Außerdem«, er schlug Nedeam freundschaftlich an die Schulter, »ist
sie dem Hohen Herrn ebenfalls zugetan.«
»Verzeih, aber du redest Unsinn.«
»Glaube mir, mein Junge, ich habe schon so manches Weib bestiegen, und
ich kenne diesen Blick. Ha, ich wette mit dir, mein Freund, sie ist ihm
zugetan. Sie weiß es nur noch nicht. Aber vertraue mir, es kommt der Tag, an
dem sie das erkennen wird.«
Nedeam stieß ein leises Schnauben aus, was Stirnfleck dazu veranlasste,
ihn mit animalischer Verwunderung anzusehen. Er strich seinem Reittier über
die Nüstern und tätschelte ihm dann die Flanke.
Für einen Moment führten sie die Pferde schweigend und nickten
bisweilen ein paar Stadtbewohnern zu, die sie zu ihrem Ritt
beglückwünschten. Schließlich sah Dorkemunt seinen jungen Freund
grinsend an. »Für dich wird es auch langsam Zeit, Nedeam, mein Freund. Ich
kenne etliche Weiber, die ihre Hälse nach dir langmachen.«
»Unsinn.«
Das Thema war Nedeam unangenehm, und Dorkemunt, der dies bemerkte,
lächelte still. Früher oder später würde auch sein Freund Nedeam das Feuer
der Liebe verspüren. Das ging allen Menschenwesen so. Hoffentlich
verbrannte er sich dann nicht die Finger. Frauen waren ein wunderliches
Ding. Das hatte der alte Pferdelord oft genug erfahren müssen.
»Ich denke, wir sollten uns beeilen.« Dorkemunt wies auf die Gebäude der
Stadt. »Barus wird schon im ›Donnerhuf‹ sein, und wir sollten ihn nicht allein
der Gefahr aussetzen.«
»Esyne«, seufzte Nedeam.
»Ja, Nedeam, mein junger Freund, Frauen können ein Quell des Glücks
sein«, deklamierte Dorkemunt grinsend, »oder sie heißen Esyne und sind
Schuhmacherin.«
Sie kamen an dem Haus vorbei, dessen Vordach der unglückliche Lotwin
bei seinem Sturz beschädigt hatte. Die Menge hatte sich inzwischen verstreut,
und die meisten der Pferdelords waren der Einladung Garodems in die Burg
gefolgt, mit Ausnahme der Schwertmänner, welche die nächtliche Ordnung
zu sichern hatten. Und jener Pferdelords, die es noch ein wenig früher zum
»Donnerhuf« zog, fast ausschließlich Männer der Hochmark, die den
Nagerjäger kannten und die Wette, auf die er sich eingelassen hatte.
Eigentlich war es ja gar nicht Barus’ Schuld. Wenn man überhaupt von
Schuld sprechen konnte, so traf sie Malvin, den Schankwirt.
Es war einer jener geselligen Abende gewesen, bei dem Blutwein und
Gerstensaft reichlich geflossen waren und ein Wort das andere gab, bis
schließlich ein paar Möbelstücke und Gäste lädiert wurden. Nichts
Ernstliches, was man nicht mit etwas Holzleim oder ein paar Tagen mit
weicher Nahrung hätte beheben können.
Esyne, eine der besten Schuhmacherinnen von Eternas – keiner wagte,
dem zu widersprechen –, war eine blonde, äußerst ansehnliche Frau, die jeden
Mann dazu verführen konnte, in Brunstgetöse auszubrechen und um sie zu
balzen. Doch ihre offensichtlichen körperlichen Vorzüge waren mit einer
scharfen Zunge, spitzen Zähnen und nachhaltiger Schlagfertigkeit gepaart.
Man musste schon wagemutig oder stark betrunken sein, um sich mit Esyne
anzulegen. Dennoch war sie nicht wirklich unbeliebt, denn die Lederwaren,
die sie fertigte, waren von bester Qualität. Zudem hatte sie einen hohen
Unterhaltungswert, zumindest, wenn man nicht der Adressat ihrer Argumente
war.
An jenem Abend hatte Esyne einige ihrer schlagkräftigsten Argumente
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