* Jetzt oder nie, * schoss es Gallan durch den Kopf. Wenn er jetzt nicht handelte, bekam er keine Gelegenheit mehr zu fliehen.
Der Druck der Hände seiner Bewacher hatte inzwischen etwas nachgelassen, weil Gallan, obwohl sein Schädel noch immer dröhnte, mit ihnen Schritt halten konnte. Urplötzlich ließ sich Gallan fallen und trat seinem rechten Bewacher von hinten in die Kniekehlen. Mit einem überraschten Laut ließ dieser seinen Arm los und kippte nach hinten, wo er schwer auf dem Marmorboden aufschlug und benommen liegen blieb. Gallan sah das ungläubige Gesicht seines linken Bewachers, als er ihm den Dolch aus seinem Stiefelschaft in die Brust stieß. Sofort wandte er sich dem anderen zu, der gerade versuchte benommen auf die Beine zu kommen und den Mund zu einem Schrei öffnete.
Mit einem raschen Schritt war er bei ihm und schlug dem Soldaten mit aller Kraft die Faust ins Gesicht. Stöhnend fiel die Wache auf den Boden zurück und Gallan rammte ihr seinen Dolch in die Brust.
Vorsichtig sah er sich nach beiden Seiten des Ganges um, aber es war niemand weit und breit zu sehen oder zu hören. Gallan atmete erleichtert auf.
Jetzt musste er die beiden Leichen verschwinden lassen, damit sie und seine Flucht nicht vorzeitig entdeckt wurden. Gallan sah zu der Türe, die sich zwischen zwei Regalen mit Waffen befand, und fragte sich, was wohl dahinter lag. Geschwind erhob er sich, näherte sich der Türe und drückte sie leise auf, bis er den dahinterliegenden Raum überblicken konnte. Der Raum war leer und diente offenbar als Abstellkammer. Gallan sah nur zwei ausgediente Schränke und eine große Truhe, das ideale Versteck für die Leichen seiner Bewacher. So schnell es ihm möglich war, schleifte er die leblosen Körper in den Raum und verbarg sie hinter den Schränken. Vorsichtig trat er danach wieder auf den Gang hinaus, doch der lag nach wie vor verlassen vor ihm.
Auf dem dunklen Marmorboden des Ganges fielen die Blutspuren seiner Tat nicht weiter auf und so überlegte sich Gallan fieberhaft seinen nächsten Schritt.
Viel Zeit für einen ausgereiften Plan stand ihm nicht zur Verfügung, daher beschloss er ohne lange zu überlegen die Stallungen aufzusuchen und sich ein Pferd zu besorgen.
Wenn er die äußere Mauer der Burg hinter sich gelassen hatte, konnte er sich immer noch überlegen, wie es weiterging. Gallan orientierte sich kurz, nachdem er am Ende des Ganges angelangte. Er befand sich im Westflügel der Burg im ersten Stockwerk. Um zu den Ställen zu gelangen, musste er in den Ostflügel, wo eine Tür direkt zu den Stallungen und den Pferden führte.
Auf diese Etage war es aber zu gefährlich zurückzugehen, denn auf ihr lagen die Gemächer des Barons und der Saal, aus dem er gerade kam. Gallan wandte sich der breiten Treppe des Westflügels zu und stieg wachsam die Stufen hinunter, jederzeit bereit hinter der steinernen Brüstung in Deckung zu gehen.
Als Gallan das Ende der Stufen erreichte, wunderte er sich. Er sah weder Soldaten, die in der Festung ihren Dienst taten, noch Sklaven, die geschäftig umher huschten. Die kleine Halle, in der die Stufen endeten, wirkten wie ausgestorben.
* Was ging in der Festung vor sich? Ansonsten konnte man keinen Schritt machen, ohne nicht auf Soldaten zu treffen, die zu Hunderten ihren Dienst in Kishos Burg versahen. *
Sein Blick fiel auf das Fenster der Halle und er ging sichernd nach allen Seiten darauf zu und drückte sich in die Nische. Von hier aus hatte er einen großartigen Ausblick auf den Vorhof, bis hinüber zu den Stallungen. Vereinzelt sah er Wachsoldaten, die von ihren Unterkünften zu den Wachtürmen strebten, während andere von der Festungsmauer zu den Unterkünften unterwegs waren.
* Wachwechsel, * erkannte Gallan, aber er sah nirgends Hektik, die darauf hindeutete, dass man seinen Fluchtversuch schon entdeckt hatte. Das große Tor in der Mauer stand weit offen, und es patrouillierten nur zwei oder drei Wachen davor auf und ab.
Seltsam fand Gallan, dass so gut wie keine Sklaven zu sehen waren. Ansonsten, das wusste Gallan hielten sie sich vor ihren Hütten auf, wenn sich der Schatten der Burg über die Unterkünfte legte, um an kleinen Kochfeuern ihre kärglichen Mahlzeiten zuzubereiten.
Er sah zum Himmel empor an dem die Sonne nur noch eine Handbreit über den Gipfeln des Kardak - Gebirges stand, das sich bis weit in den Westen erhob.
Gallan erkannte, dass es später Nachmittag war und ihm nicht mehr viel Zeit blieb, wenn er aus der Festung fliehen wollte.
Er hob lauschend den Kopf, als irgendwo aus den Gängen über ihm Stimmen zu hören waren. * Suchte man bereits nach ihm? *
Ein letzter Blick auf den Hof, dann machte sich Gallan auf den Weg zum Ostflügel, von wo aus er ungesehen in die Stallungen gelangen würde, sofern er nicht patrouillierenden Wachen in die Arme lief. Einerseits kam ihm die Leere in den Gängen entgegen aber andrerseits beunruhigte sie Gallan irgendwie. Es konnte nichts Gutes bedeuten, wenn Kisho die Bewachung seiner Festung nur wenigen Soldaten überließ und er fragte sich, wo der Rest von ihnen sein mochte.
Er musste höllisch achtgeben, um sich in dem Gewirr der Gänge nicht zu verlaufen, gelangte aber ohne weitere Schwierigkeiten zum Ostflügel. Dort angekommen schlüpfte er durch die kleine Seitentüre, die zu den Stallungen führte, und atmete erleichtert auf. Der Duft von Pferdedung, Heu und Stroh stieg ihm in die Nase, als er die lang gestreckte Hütte betrat.
Hier würde er alles Nötige für seine Flucht finden. Ein Pferd einen Sattel, und wenn er Glück hatte, auch noch ein wenig Proviant, der ihn sich anderswo zu besorgen eine Gefahr entdeckt zu werden darstellte. Gallan fiel auf, dass er schon seit mehreren Tagen keinen Bissen zu sich genommen hatte, als sein Magen beim Gedanken an Nahrung zu grummeln anfing. Er nahm sich vor, gründlich nach etwas Essbaren zu suchen und hoffte dabei auf die Satteltaschen, die über den Holmen hingen.
Die Stallung war abgesehen von den erbärmlichen Hütten der Sklaven, die zu weit entfernt lagen, die einzige Möglichkeit sich Nahrung zu beschaffen. Kurz überlegte Gallan ob er es nicht doch riskieren sollte in den Behausungen der Sklaven danach zu suchen, verwarf jedoch diesen Gedanken sofort.
Im Stall herrschte gähnende Leere und bis auf einig Pferde in den Boxen war er leer. Gallan rief laut nach den Stallburschen, die sich hier aufhalten mussten, doch auch nach seinem dritten Ruf tauchte keiner von ihnen auf. Er ging die Boxen entlang um sich ein kräftiges und ausdauerndes Pferd auszusuchen, da hörte er ein helles freudiges Wiehern.
Sofort eilte er zu der Box, aus der das Wiehern kam, und sah eigentümlich berührt seinen großen schwarzen Hengst stehen, der ihn freudig begrüßte. Wenigstens Jarduk war ihm geblieben. »Na mein Guter, hast du dich einsam gefühlt?«
Er öffnete den Verschlag und trat neben sein Pferd, das aufgeregt mit seinem Schweif die Luft peitschte, und tätschelte es am Hals. Er legte Jarduk eine Decke auf den Rücken und nahm den Sattel von der Halterung. Nachdem Jarduk gesattelt war, durchsuchte Gallan die Satteltaschen, die über den Querstangen der Boxen hingen.
Vielleicht fand er hier Dinge, die ihm auf der Flucht dienlich sein würden. Bei einer Box stieß er auf einen Sattel, über den ein Pfeilköcher mit Bogen lag und an dessen Knauf ein Kurzschwert mit Scheide und Gürtel hing.
Gallan legte den Gurt mit dem Schwert um, nahm den Köcher mit dem Bogen und befestigte ihn am Sattel. In den übrigen Satteltaschen fand er nur einen harten trockenen Kanten Brot und einige Streifen Trockenfleisch. Dazu nahm er noch eine Decke und einen Mantel mit, die auf einen der Sättel festgeschnallt waren, und befestigte sie an seinem eigenen.
Angespannt öffnete Gallan die Stalltür einen Spaltbreit und spähte vorsichtig hinaus, ehe er tief durchatmete und Jarduk am Zügel aus dem Stall zog und sich auf seinen Rücken schwang.
Читать дальше