Mit schmerzverzerrtem Mund rollte er sich auf den Rücken, wischte mit einer fahrigen Bewegung den Mantel zur Seite und schloss geblendet seine Augen. Wie scharfe spitze Messer peinigten die Sonnenstrahlen seine Sehnerven. Es war heller Tag und die Sonne stand über ihm im Zenit. Beim zweiten Versuch seine Augen zu öffnen war Gallan darauf vorbereitet und nach einiger Zeit sah er das Blau des Himmels über sich. Langsam erinnerte sich Gallan an das Geschehene und schalt sich einen Narren so arglos in die Falle des Jungen gestolpert zu sein. * Aber wo war der Junge, * fragte er sich, während er sich mit zusammengebissenen Zähnen aufzurichten versuchte.
Er musste ziemlich lange bewusstlos gewesen sein, wenn die Sonne schon so hoch stand. Beim zweiten Versuch gelang es ihm, auf die Beine zu kommen. Gallans verschwommener von Schmerzen gepeinigter Blick suchte die Umgebung nach dem Jungen ab, der ihn hinterlistig überrumpelt hatte. Er musste noch irgendwo in der Nähe sein, da fiel sein Blick auf etwas, das ihn an seinem Verstand zweifeln ließ. Gallan glaubte seinen Augen nicht trauen zu können, als er den Kadaver des Einhorns neben sich im Gras liegen sah, das er vor wenigen Stunden eigenhändig tötete.
Gallan schloss die Augen, um sie wenige Augenblicke später wieder zu öffnen. Insgeheim hoffte er das Bild wäre verschwunden und die steilen Bergflanken träten an seine Stelle. Er konnte immer noch nicht glauben, was er sah. Rings um ihn verstreut lagen die Leichen der Einhörner mit den abgeschlagenen Hörnern.
* Er befand sich wieder an seinem Ausgangspunkt, aber wie kam er hierher? *
Unsicher sah sich Gallan um. Er erkannte die kleine Mulde, in der er seine Opfer gestellt hatte, und fragte sich, wie er hierher kam. Hastig tastete Gallan nach dem Ring an seinem Finger und eisiger Schrecken griff nach seinem Herzen. Der Ring des Barons war verschunden. Sein zweiter Gedanke galt der Jagdtasche, in der er die Hörner verstaut hatte. Noch ehe seine Hand danach suchte, wusste er, dass auch sie fehlte.
Wie betäubt stand Gallan auf und schwankte von den Tierleichen weg. Schwer atmend setzte er sich auf einen Stein, der aus dem Boden ragte. Fieberhaft jagten sich seine Gedanken, um die Zusammenhänge zu begreifen.
* War es einem anderen Sucher gelungen ihm unbemerkt zu folgen und hatte der ihn niedergeschlagen, um ihn des Ringes und der Tasche zu berauben? *
Sofort verwarf Gallan diesen Gedanken wieder, weil er den Knall des Übertritts sicher wahrgenommen hätte. * Es gab sicher eine andere Erklärung. *
Je länger Gallan darüber nachdachte, umso deutlicher erkannte er, welchen Fehler er begangen hatte. Der Junge war nicht alleine gewesen. Außer dem Mädchen gab es einen weiteren in diesem Spiel, der zwischen den Stämmen auf eine günstige Gelegenheit lauerte, um ihm eins über den Schädel zu ziehen. Seine Überheblichkeit war ihm zum Verhängnis geworden. Er hatte es versäumt, die Umgebung sorgfältig nach weiteren Personen abzusuchen.
Seinem schmerzenden Schädel und der Beule nach zu urteilen, die Gallan vorsichtig betastete, musste der Unbekannte ein Mann gewesen sein, da war sich der Sucher sicher. So schlug nur ein Mann zu. Gallan hielt seinen Kopf mit beiden Händen fest und stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab. Er hatte alle Hände voll damit zu tun, dem Übelkeitsgefühl das seinen Magen rebellieren ließ, nicht nachzugeben und einen klaren Kopf zu behalten.
* Der Ring und die Jagdtasche . Ohne sie konnte er sich ebenso gut von der höchsten Zinne der schwarzen Festung stürzen. Gallan kannte den Baron und er hatte seine Grausamkeiten miterlebt. Kisho würde seine Leute ausschicken, um ihn zu jagen und was geschah, wenn sie ihn fanden, daran wollte er lieber nicht denken. *
Gallan bemerkte nicht, dass die Sonne sich dem Horizont näherte und die Hügel in orangefarbenes Licht tauchte. Erst als er schwerfällig seinen Kopf hob, um nach seinem Rappen zu sehen, wurde ihm bewusst, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. * Wo war Jarduk, hatte er auch ihn verloren? *
Mit zusammengebissenen Zähnen erhob sich Gallan von dem Stein. Jede noch so kleine Bewegung schien in seinem Kopf eine Explosion von Schmerzen auszulösen, die seinen Körper peinigten. Schwer atmend stand Gallan da und wartete ab, dass der Schmerz nachließ, dann rief er nach Jarduk, der ihm mit einem leisen Wiehern in seinem Rücken antwortet. Gallan atmete erleichtert auf.
»Jarduk du alter Halunke komm her zu mir,« rief Gallan erlöst, dem sich nähernden Hengst zu.
Es wurde Zeit von hier zu verschwinden. Sicher ließ der Baron schon nach ihm suchen und es war nicht gerade ratsam noch länger hier zu bleiben.
Während Gallan sich unter höllischen Qualen in den Sattel zog, dachte er über ein geeignetes Versteck nach. Er hatte nicht die Absicht aufzugeben. Aber er benötigte Zeit, bis ihm eine Möglichkeit einfiel, wie er seine Tasche mit den Hörnern und den Ring wieder in seinen Besitz bringen konnte.
Auf dem schaukelnden Rücken des Pferdes fiel es Gallan schwer, einen vernünftigen Gedanken zu fassen, dennoch wandte er sich nach Osten. Dort in den Hügeln wusste er eine Stelle, die ihm als geeignetes Versteck erschien und wo er abwarten konnte, bis sein schmerzender Schädel sich beruhigte.
Schon nach einer kurzen Strecke wurde Gallan bewusst, dass er nicht weit kommen würde. Sein Kopf schien zu explodieren und sein Magen entleerte sich zum zweiten Mal.
* Der verdammte Unbekannte hatte ihm eine ordentliche Gehirnerschütterung verpasst, aber er musste durchhalten, wenn er nicht in den Kerkern der schwarzen Festung landen wollte.*
Alles drehte sich vor seinen Augen im Kreis und sein Wahrnehmungsvermögen trübten schwarze undurchdringliche Wolken, die ihm die Sicht raubten. Gallan drohte jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Um nicht aus dem Sattel zu fallen, legte sich Gallan auf den Hals von Jarduk und umschloss ihn mit den Armen. Plötzlich überfiel ihn der Gedanke an die Jäger und er fragte sich, wo sie sein mochten.
* Hetzten sie mit ihren Hundebiestern auf seiner Fährte hinter ihm her, oder hatte sie Kisho noch gar nicht losgeschickt? *
Eines war ihm trotz seines getrübten Verstandes klar. Bei dem Tempo, das er vorlegte, war es für seine Verfolger ein Leichtes ihn einzuholen. In der Ferne glaubte Gallan schon, das Jaulen der Hunde und die schnellen Schritte der krummbeinigen Jäger zu hören. Er konnte nicht unterscheiden, ob ihm seine Wahrnehmung einen Streich spielte, daher biss er schmerzerfüllt die Zähne zusammen und gab Jarduk die Sporen.
Die dröhnenden Kopfschmerzen und die zunehmende Dunkelheit raubten dem Sucher die Sicht. Jarduk kam in der Dunkelheit immer öfter ins Stolpern und Gallan kam zu der Einsicht anzuhalten, um sich und seinem Pferd Ruhe zu gönnen. Unter einem Baum dessen Zweige bis auf den Boden reichten stieg Gallan ab. Er lockerte Jarduk den Sattelgurt, gab ihm einen Klaps auf den Hals und taumelte mehr besinnungslos als wach zum Stamm. Dort lehnte er sich erschöpft mit dem Rücken dagegen und rutschte an ihm herab, bis er auf dem Boden saß. Augenblicklich drehte sich alles vor seinen Augen. Unversehens rutschte er seitlich am Stamm ab und fiel zur Seite, wo er hart mit dem Kopf am Boden aufschlug und bewegungslos liegen blieb.
Eine tiefe Ohnmacht umfing ihn aus der er sich am nächsten Morgen ins Bewusstsein zurückkämpfte. Im ersten Moment wusste er nicht, wo er sich befand, schrak aber zusammen, als er in das bärtige Gesicht eines Wurrlers blickte, der ihn hämisch angrinste.
Wut und Enttäuschung flammten in seinem Inneren auf. Sie hatten ihn doch gefunden. Gallan sah den Schlag mit dem Knüppel noch kommen, aber er reagierte zu langsam, um ausweichen zu können. Der Knüppel traf seine Stirn, worauf Gallan abermals bodenlose Finsternis umfing.
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