Als Rex sich auf einem Drachen aus dem Land entfernten wollte, wurde er von Riesenlibellen seiner eigenen Dunländer angegriffen und getötet. Er hatte noch etliche von ihnen mit einem Schrumpfzauber verkleinert, bevor er vom Drachen gestoßen wurde und zur Erde stürzte. So gelangte der Rote Stein in die Hände der Abtrünnigen.
Katmordo gelang es, einen Teil des Schwarzen Steins zu entschlüsseln. Er sah die Zeit der Herradurer gekommen, die Völker der anderen Menschen zu beherrschen. Sein Plan war das - trotz des Todes von Rex - weiterhin mächtige Volk der Dunländer zu vernichten. Katmordo ließ Tambalidi eine Botschaft zukommen, in der er ihm ein Bündnis der Macht vorschlug. Der Brief war versiegelt und enthielt ein von ihm entwickeltes, tödliches Gas. Tambalidi öffnete den Brief, erkrankte und verstarb nach wenigen Wochen. Das Gas in seinem Körper breitete sich wie eine Seuche aus und übertrug sich auf die Menschen in seiner Umgebung. Durch eine Händlerfamilie wurde die Seuche bis nach Herradura zurück gebracht, so dass auch Katmordo selbst seiner Waffe erlag. Die Furken und Dumpos kamen zurück ins Spiel. Bis ein Magier aus Lingby mit Namen Donar ein Gegenmittel für die Seuche fand, war die Hälfte der Menschen dahingerafft. Graf Grego war in einer Magierschule fernab der Heimat und überlebte.
Nach dem letzten verlorenen Krieg gelangten der Schwarze Stein in die Hände der Dumpos und der Rote in die Hände der Furken. Seither machten sich die Furken die Riesenlibellen zu Eigen. Die Dumpos lernten, Materie zu beherrschen und beraubten die Naturkräfte, indem sie Dunkelgnome aus ihnen zogen. Alles funktionierte mit ihnen, auch die Riesenvögel, die in deinem Traum vorkamen. Sie werden aus kleinen Metallstücken zusammengesetzt und von Dunkelgnomen gesteuert. Die Dunkelgnome ziehen ihre Energie aus dem Sterben von Kreaturen.“
Die Durha machte eine Pause und musterte Amon. Amon kannte manches aus den Geschichtsbüchern, manches war ihm neu, auch, dass der Weiße Stein in den Händen der Magier von Samobali war, stand nirgendwo geschrieben.
Dann sprach die Durha weiter. Sie hatte auf eine Frage Amons gewartet und las aus seinen Gedanken: „Amon, du musst auch wissen, dass die magische Wirkung der Steine nach und nach verblasst, wenn man sie trennt. Wir könnten also abwarten, bis die Macht der Dumpos und Furken bricht. Doch wahrscheinlich haben sie unsere Welt zuvor zerstört. Unsere magischen Fähigkeiten werden schwächer und uns läuft die Zeit davon. Die Magie des Weißen Steins sollte aufgeladen werden, indem wir ihn mit den anderen Steinen zusammenbringen. Aber es scheint fast unmöglich, an den Schwarzen und den Roten Stein zu gelangen. Die Magier Samobalis sind zu alt, um sich dieser Herausforderung zu stellen. Es müssten jüngere begabte Menschen tun. Jedoch bedarf es der Künste der Magie, Einfallsreichtum, Todesmut und Kampfeskraft, diese Aufgabe zu bewältigen. Das ist zu viel für eine einzelne Person, es müsste schon eine Gruppe diese gefährliche Reise antreten. Deine Träume sprechen dafür, dass wir mit dir jemanden gefunden haben, dem wir den Weißen Stein anvertrauen können.“
Damit hatte Amon nicht gerechnet. Es war zu deutlich, dass er und Mira auf dem Plan der Durha standen, eine Mission zu erfüllen, dessen Schwierigkeit sie sich nicht im Entferntesten ausmalen konnten. Er kam sich auf einmal ziemlich klein vor. Und wer sollte denn der Kämpfer sein? Er selbst sicher nicht. Er hatte zwar Kraft, aber die war nicht ungeheuerlich. Ihm kam der riesige Ult in den Sinn. Ult war ein einziges Muskelpaket und aus seinen Erzählungen war zu entnehmen, dass er keine Auseinandersetzung scheute.
„Amon, ich will dich nicht drängen.“, griff die Durha sofort Amons Gedanken auf. „Doch deine Träume sind auch Teil unserer Ängste. Ich würde dir diese Aufgabe zutrauen. Lass dir Zeit, rede mit Mira und Ult. Ich werde mich mit den Magiern beraten.“
„Danke für das große Vertrauen, dass du mir und meinen Freunden schenkst, Durha Maria.“, antwortete Amon. „Ich werde ihnen von unserer Begegnung berichten. Ich habe Zweifel, ob ich eine so große Aufgabe bewältigen kann, doch dein Vertrauen ehrt mich. Ich bin nur ein kleiner Holzhandwerker, der mit großem Glück das Herz dieser wundervollen jungen Frau gewann. Dass Mira eine so begabte Zauberin ist, ahnte ich nicht.“
Die Bemerkung zu Graf Grego hatte Amon neugierig gemacht. Noch bevor er die Frage stellt, antwortete die Durha bereits: „Graf Grego war ziemlich krank, als er zu uns kam. Wir umsorgten ihn. Doch die Bitte, seine magische Ausbildung weiter verfolgen, schlugen wir ihm ab. Sein Herz war nicht rein, so dass wir ihm den verantwortungsvollen Umgang mit dieser Macht nicht anvertrauten. Er war erbost, verrichtete keine Arbeit und macht sich nirgendwo nützlich. Man gab ihm eine bescheidene Bleibe in einem alten Haus. Er nahm sich sein Essen ohne Dank und war unter den Menschen unbeliebt. Seit einem Jahr fehlt jede Spur von ihm. Er scheint von der Insel verschwunden. Die Wächter des Schutzwalls nahmen wahr, dass dort jemand einen Unsichtbarkeitszauber sprach. Wir nehmen an, dass es Graf Grego war, um sich mit einem Boot unerkannt von der Insel zu entfernen.“
Amon fiel unweigerlich die Geschichte mit dem Samobaliki in der Gesellschaft der Dumpos ein. Und wieder las die Durha seine Gedanken: „Wir wissen nicht, wo sich Graf Grego aufhält. Die Welt außerhalb Samobalis entzieht sich unserer Blicke. Wir werden Michelunka fragen. Vielleicht kann er uns helfen, den Verbleib von Graf Grego aufzuklären. Im Zusammenhang mit deinem ersten Traum lässt sich Schlimmes erahnen. Doch noch haben wir keine Gewissheit, was sich hier zusammenbraut.“ Damit endete die Unterhaltung.
Die Durha zauberte ein phantastisches Mahl auf den Tisch, das die beiden mit Genuss verzehrten. Zum Abschied wurde Amon von der Durha nochmal kräftig gedrückt. Dann bestieg er seinen roten Fuchshengst Jojo und ritt mit den Segenswünschen der Durha zurück ins Tal. Der sprechende Kolkrabe begleitete ihn ein gutes Stück des Weges und allerlei Kapriolen von sich gebend, so dass Amon immer wieder lachen musste. Der Kolkrabe kicherte dabei schelmisch und gab den nächsten Unfug von sich. Es war fast so, als ob der Rabe ihm mit seinen Späßen auf andere Gedanken bringen wolle. Tatsächlich befreite sich Amon für eine kurze Zeit von der Schwere seines Herzens. Fast im Isental angekommen flog der Kolkrabe in Richtung Mon Gabon zurück und rief noch ein albernes „Bussi, Bussi“ zum Abschied.
Schneller als geglaubt kehrte Amon ins Vogelhaus zurück und bereitete ein warmes Abendessen für seine an diesem Tage ohne ihn arbeitenden Hausgenossen. Nun begannen seine Gedanken zu kreisen. Er dachte über die Worte der Durha nach, bis Britta, Linus und Mikel fröhlich lärmend heimkehrten.
Freilich musste Amon berichten, was er bei der Durha erfahren hatte. Reichlich erstaunt waren seine Hausgenossen über die plötzliche Herausforderung, die sich Amon stellte und auch darüber, welche Wertschätzung Mira im Kreise der Magier genoss. Amon wechselte das Thema, indem er seine Genossen über deren Baufortschritte befragte. Aber es dauerte einige Tage, bis nicht mehr andauernd darüber gesprochen wurde.
Mira war für ein paar Tage gekommen. Sie hatte Moran mitgebracht. Moran war ein begnadeter Musiker, der eine große Anzahl Instrumente beherrschte. Er widmete sich hauptsächlich der Musik und trat bei Festen mit seiner Gruppe auf. Aber er half den Hausgenossen ab und zu beim Hausbau oder den Bauern beim Anbau der Früchte und des Getreides auf den Feldern. Er wohnte wie Mira in Citta und war der Freund von Britta. Auch Ult hatten sie mitgebracht.
Mira, Ult und Amon nutzten die Gelegenheit, um sich über den Vorschlag der Durha zu beraten. Alle Drei waren gewillt, die Aufgabe anzunehmen, wenn ihnen diese genauer erklärt werden würde. Mira würde ihre Meisterin fragen, zu welchem Ergebnis der Rat der Magier gelangt sei.
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