begleiteten, hatte sich mit Lotaras und Leoryn beraten, dann stand sein
Entschluss rasch fest. »Der König der Pferdelords ist kein Narr. Schon oft
wurde sein Land bedroht, und jedes Mal hat er sein Volk in der Bergfestung
versammelt und dem Feind dort standgehalten. Auch dieses Mal wird der
Pferdekönig wieder in die Feste marschieren, damit sein Volk überleben
kann. Wir werden uns dorthin begeben, um den Bund mit ihm zu erneuern.
Ihr jedoch habt eine andere Aufgabe. Wendet euch nun nach Norden und
sucht dort das verborgene Haus.«
Alsdann trennten sich die Wege der Geschwister und der elfischen
Bogenschützen.
Die Kolonne der elfischen Schützen kam gut voran, denn sie verfügten alle
über die sprichwörtliche Ausdauer des elfischen Volkes und scheuten den
anstrengenden Marsch nicht, der sie durch das große Gebirge führte. Die
Bergfestung des Pferdekönigs war ihnen gut bekannt, und wer von ihnen sie
nicht persönlich gesehen hatte, kannte sie zumindest anhand der Erinnerungen
seines Volkes. Die Truppe der dreihundert Bogen durchquerte gerade ein
schmales Tal, als der Anführer vor ihnen plötzlich eine Staubwolke
ausmachte, die schnell näher kam. Rasch schätzte er die Breite des kleinen
Tales ein und befahl dann seiner Truppe kehrtzumachen und zu einer
besonders schmalen Stelle zurückzueilen. Die elfischen Schützen hasteten zu
der Engstelle, in der kaum mehr als achtzig Männer nebeneinander Platz
fanden, und stellten sich entsprechend den Anweisungen ihres Führers in vier
hintereinander gestaffelte Reihen auf. Zwei elfische Kundschafter eilten
außerdem die steilen Hänge hinauf, damit die Truppe nicht von hinten
überrascht werden konnte, dann warteten die dreihundert Elfen ab.
Sie führten alle den überlangen Bogen der Elfen mit sich, der eine
besondere Reichweite und Durchschlagskraft hatte. Ihre langen blauen
Umhänge bewegten sich leicht im steten Wind, der durch das Tal strich, und
an ihren hohen Helmen funkelten die goldenen Embleme ihrer Häuser. So
waren neben der aufragenden Lilie des Hauses Elodarion dort auch Farne,
Rosen, Vogelschwingen und andere Zeichen zu sehen, welche die Macht des
Elfenvolkes symbolisierten.
Einer der elfischen Kundschafter legte die Hand vor den Mund. »Ein
orkscher Trupp. Drei Kohorten stark.«
Der Anführer nickte. Er stand mit gezogenem Schwert an der äußersten
linken Flanke seiner Schützen. Über ihm, an einer goldenen Lanze, wehte ein
rundes Banner in der Form eines zartblauen Schildes aus. »Sollen sie nur
kommen.«
Er musste keine gesonderten Anweisungen geben. Seit unendlichen Zeiten
kannten die Elfen den Kampf, und auch wenn sie ihn nicht suchten,
verstanden sie sich doch bestens in der Kunst, ihn mit einer Erfahrung und
Treffsicherheit auszufechten, die keinen Vergleich fand.
Der Staub kam immer näher, bis schließlich die ersten dunklen Gestalten
sichtbar wurden. Die Elfen warteten, den Bogen zu ihrer Rechten auf den
Boden gesetzt, den Pfeilköcher gleich an ihrer rechten Hüfte. Die Kohorten
der Orks erkannten nun, dass die Elfen den Pass vor ihnen versperrten, und
waren dumm genug anzugreifen. Vielleicht fühlten sie sich mit sechshundert
Schädeln dem halb so starken Feind überlegen, auch hatten sie wohl noch
niemals gegen Elfen gestanden. Also stürmten sie los.
In einer Distanz von drei Hundertlängen lösten die Elfen die ersten Pfeile.
Zwei Minuten würde die kleine Horde der Orks benötigen, um die Elfen zu
erreichen, und zwanzig Pfeile konnte jeder der Bogenschützen in der Minute
auslösen. Das waren sechstausend Pfeile, die in der Minute gegen die Orks
gerichtet werden konnten. Die drei Kohorten schafften nicht einmal die Hälfte
der Distanz. Und nach kaum einer Minute stand kein Ork mehr auf seinen
Füßen.
Elfische Schwerter senkten sich durch die Kehlen verwundeter Bestien,
Pfeile wurden aus den Kadavern gezogen, auf ihre Verwendbarkeit geprüft
und gesäubert in die Köcher zurückgesteckt. Dann marschierte die Kolonne
der dreihundert elfischen Bogenschützen unbeirrt weiter, der Bergfestung des
Pferdevolkes entgegen.
Die Geschwister Leoryn und Lotaras waren der elfischen Truppe mit den
Blicken gefolgt, bis diese endgültig in Richtung des großen Gebirges
verschwunden war. Auch Lotaras trug den hohen Helm mit der aufragenden
goldenen Lilie des Hauses Elodarion und den blauen Umhang des elfischen
Volkes. Doch zum ersten Mal fühlte er sich seltsam allein, und seine
Schwester empfand ebenso. Sie legte ihre Hand in die seine, und beide sahen
sich in stillem Einvernehmen an, bevor sie ihre Pferde nach Norden lenkten.
Sie ritten durch ein Land, das vom Krieg heimgesucht worden war. Die
Spuren waren nicht zu übersehen. Rauchsäulen, deren jede ein Gehöft oder
einen Weiler markierte, standen am Himmel und zerfaserten zu dünnen
Fahnen, die im Wind dahintrieben. Nur oben im Norden waren die Marken
des Pferdekönigs noch unberührt, und es schien, als würde ein finsteres Band
den Süden und den Norden voneinander trennen.
Die elfischen Geschwister trieben ihre Reitpferde nicht zur Eile, denn sie
sollten frisch und ausgeruht sein, falls ihre Kraft für eine rasche Flucht
benötigt wurde.
Überall hatten Kämpfe stattgefunden, die einem Gemetzel gleichkamen:
Frauen und Kinder des Pferdevolkes waren auf der Flucht von den Horden
der Orks einfach erschlagen worden. Nur wenige Männer waren unter ihnen,
und nur einmal fanden sie einen Trupp toter Pferdelords zwischen den
Kadavern von Orks liegen.
»Sie leisten Widerstand«, stellte Lotaras befriedigt fest.
»Ja, aber sie sind überwältigt worden.« Leoryn deutete über den
Schauplatz des Gefechtes.
»Ja, hier wurden sie überwältigt.« Lotaras nickte mit ernstem Gesicht und
deutete über das weite Land. »Die Pferdelords leben verstreut in ihren
Marken. Es sind jeweils wenige Männer auf den einzelnen Gehöften und
Weilern, und es gibt nur wenige größere Ortschaften. Doch diese Gruppe hier
zeigt mir ganz deutlich, dass der Pferdekönig sie einberief und dass die
Männer sich zum Widerstand sammeln. Verstehst du, Leoryn, der König zieht
seine Streitmacht zusammen, und diese Streitmacht wird kämpfen. Die
Pferdelords verstehen sich auf den Umgang mit ihren Waffen. Also besteht
eine gute Chance, dass sie bestehen können.«
»In ihrer Bergfestung.«
»Dorthin wird der König sie rufen.« Lotaras nickte unbewusst. »Und
dorthin werden sie kommen, wenn die Horden ihnen nicht den Weg
versperren. Wir sind nun an der Grenze zwischen der Reitermark und der
Nordmark der Pferdelords. Dort im Westen erhebt sich der Turm des Weißen
Zauberers, er wird den Menschenwesen seine Hilfe nicht verwehren. Doch
unser Weg führt nun weiter nach Norden. Jenseits der versteinerten Wälder
muss sich das verborgene Haus befinden.«
»Glaubst du, dass es noch besteht?« Leoryn blickte zweifelnd in nördliche
Richtung. »Schon lange haben wir nichts mehr vom verborgenen Haus
gehört. Vielleicht ist es schon längst von den Dunklen Mächten überwunden
worden.«
»Es gehört zu den ältesten und weisesten Häusern der Elfen.« Lotaras
lächelte. »Und zu seinen stärksten. Deshalb muss es in jedem Fall von der
Erneuerung des Bundes erfahren, wenn es noch besteht.«
»Du hast recht«, seufzte Leoryn. »Doch ich vermisse unsere Wälder. Das
sanfte Wiegen der Blumen und Gräser und das Murmeln der Bäche.«
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